Donnerstag, 28. Januar 2016

Brief 122 vom 28./29.1.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 28.1.41    

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 17.1. Da war die Freude bei mir groß. Wie ich aus ihm lese, hast Du meinen Brief vom 14. bereits am 17. erhalten. Ich habe darauf bis zum 26. warten müssen. Das ist doch ein ziemlicher Unterschied, nicht wahr?- Dr. Thomas ist also auch wieder da. Nun seid Ihr 3 also wieder zusammen und alles ist wie früher. -Mit viel Freude habe ich gelesen, daß Dein Arm wieder soweit gut ist. Schmerzen wirst Du ja sicher noch öfter haben, denn bei Deinem Fuß ich es ja auch so. - Ich finde es auch ganz nett, daß Du das Heft „Das schöne Konstanz“ zugeschickt bekommst. Aber das kann die Stadt auch ruhig für Dich tun. - Wegen der Konserven brauchst Du Dich nicht erst noch zu erkundigen. Ich habe die eine Dose aufgemacht. Nun ist es zwar kein Filet, wie es drauf steht, oder vielmehr ein ganzes Stück, sonder so kleine Stücke mit einer guten Soße. Was für Fisch es ist, weiß ich zwar nicht, aber die Hauptsache ist, es schmeckt. Interessehalber schicke ich Dir das Papier mit, welches an der Dose war.. Die Pilze werden wir bei Gelegenheit einmal essen, aber ohne Ei-Omelett. Erstens wegen den Eiern und zweitens schmecken sie auch so vorzüglich. - Die Rasierklingen werden sie Dir sicher deshalb geschickt haben, weil es einmal hier geheißen hat, die wären dort rar. Na, man kann sie ja aufheben. Sie gehen ja nicht kaputt. - Gestern war im Radio ein Rätsel zu lösen. Es wurden verschiedene Stücke gespielt und man mußte den Komponisten raten. Denk Dir, ich habe es sogar gewußt. Ich hätte selbst nicht gedacht, daß ich schon soviel Kenntnisse besitze. Die Sachen waren von Puccini, Grieg, Verdi, Lehar und Nicolai. Beim ersten war der 1., beim 2. der 2., beim 3. der letzte, beim 4. der 2. und beim letzten der erste Buchstabe maßgebend. Die Lösung heißt „Prien“. Siegfried hat an den Reichssender geschrieben. Die Karte haben wir gestern nach 10 Uhr noch weggeschafft. - Heute ist wieder der erste Tag, wo es mal trocken ist. Da gehen wir in die Stadt. Helga muß ja in die Schule. Man muß aber das gute Wetter ausnützen, wer weiß, ob es morgen nicht wieder regnet. - Morgen oder übermorgen gehen wir nun wahrscheinlich nochmal ins Kino. - Nun mache ich mich fertig zum fortfahren. Hoffentlich bekomme ich nun wieder laufend Briefe von Dir. Ich bin da gleich viel froher. - Sei Du, mein lieber Ernst, nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. - Herzlichen Gruß Siegfried.

Mein liebster Ernst!                                                                      Konstanz, 29.Januar 41

Ich glaube, die Post hat eingesehen, wie boshaft sie an mir gehandelt hat, als sie mir so lange keine Briefe von Dir brachte und will es nun ein bißchen gutmachen. Heute erhielt ich nämlich gleich 3 Briefe, vom 15. , 16., und 22.1. Ich habe mich über alle sehr gefreut. Hab vielen Dank dafür. - Du hattest mir ja schon hier erzählt, daß die Ganquies nette Leute seien und ich kann mir denken, daß Ihr Euch freut, wenn sie so aufmerksam zu Euch sind. - Freust Du Dich nun darüber, wenn ich Dir etwas Gebackenes schicke oder nicht? Du weißt doch, dass das schicken von mir kein Opfer ist, sondern daß ich an allem viel Freude habe, wenn Du einen Teil davon hast. Ich bin nun mal so komisch, nicht wahr? Aber ich meine, wenn Du jetzt fort bist, so gehörst Du doch zu us und also gehört Dir auch von allem ein Teil. - Die bestellten Briefmarken habe ich ja nun. Mal sehen, ob ich auch die neune Briefmarke bekomme, auf der Hitler und Mussolini sind. Wenn es geht, nehme ich sie gestempelt und ungestempelt.  - Jörg ist gar nicht beleidigt, daß er noch nicht zur Schule muß, er hält es so gut bis zum Herbst aus. Helga hat jetzt nicht mehr so viel Freude am basteln wie Jörg, sie hält sich mehr an die Musik. Da hat sie es zu ganz schöner Fertigkeit gebracht., Ich freue mich auch darüber und Du sicher auch. Es hat eben jeder seine besonderen Fähigkeiten. Es wäre ja auch langweilig, wenn jeder nur dasselbe könnte. - An Elsa habe ich bisher noch nicht geschrieben, ich werde aber die Grüße ausrichten. - Wie ich Dir schon schrieb, ist der Schnee bei uns ja ganz weg. Es herrschte ziemlich warmes Wetter, doch seit gestern Nachmittag ist es wieder so kalt geworden, daß der Boden hartgefroren ist. - Wie ich aus Deinen Briefen ersehen habe, bekommst Du meine Briefe scheinbar ziemlich regelmäßig und schnell. Das ist ja recht so. Die allerletzten Tage kann ich mich ja auch nicht mehr beklagen. - Wegen dem Maler Dieter hatten wir dieselben Gedanken, die Artikel haben sich gerade gekreuzt. Ich danke Dir auch dafür. - Zu lesen habe ich ja jetzt. Von den Eltern die Zeitungen und dann von Siegfried. Er hat gestern für sich Illustrierte für 2,- gekauft, die ich natürlich auch fest mitlese. - Ich danke Dir sehr, daß Du mir Einblick in Deinen Dienst gegeben hast, soweit es erlaubt ist. An Arbeitsmangel leidest Du also wahrhaftig nicht. Es ist, glaub ich, schon ein stolzes Gefühl, wenn einem größere Aufgaben anvertraut werden und man sie meistert. Und daß Du das kannst, das glaube ich ganz bestimmt, denn du bist keiner, der sich vor etwas drückt. Im übrigen lernt man immer wieder dazu.. - Nun bzgl. des großmütig sein. Du schreibst, daß Dir das früher durch die engen Verhältnisse, in denen wir aufgewachsen sind und in denen wir zwei ja auch schon gelebt haben, abgegangen ist. Du weißt ja, daß es auch immer ein bißchen meine Sorge ist, Du könntest Dich später nicht mehr so recht bei uns wohlfühlen. Denn bei uns wird ja noch immer mit dem Pfennig gerechnet, wenn auch nicht mehr ganz in dem Maß wie früher. Aber ich hoffe, daß Du auch weiterhin so elastisch sein wirst, daß Du Dich überall reinfindest. Wir haben us ja bis jetzt durch alles durchgebissen und werden das sicher auch weiterhin tun. Meinst Du nicht auch? Manchmal beschleicht einen doch ein bißchen die Sorge wegen später. Die Hauptsache ist mir erst einmal, daß Du mich nicht vergißt. Siegfried hat mir so viele Sachen erzählt, auch Vater, der doch sonst nicht gern von so etwas redet, sagte schon ein paar mal, was er bei St. in letzter Zeit so erlebt hat, spottet jeder Beschreibung, daß man manchmal meint, die ganze Ordnung ist bei den meisten zum Teufel. Ich könnte das nicht verwinden. Lieber Ernst, behalte mich lieb und denke immer an uns. - Heute, am Nachmittag, geht Siegfried mit Jörg in die Stadt. Erst wollen sie die Möwen füttern und dann will S. noch ein Bier trinken gehen und Jörg soll ein Sprudel bekommen. Er freut sich schon sehr. Ich gehe dann mit Helga den Brief wegschaffen und einkaufen. S. will nicht alle 2 mitnehmen, weil es ihm zuviel wird. - Morgen gehen wir nun endgültig ins Kino. Vater kommt wieder rauf. - Am Sonntag will Siegfried mit demselben Zug wegfahren, mit dem auch Du gefahren bist. Dieser ist am günstigsten. In Weißenfels muß er umsteigen und ist um 1/2 9 Uhr in Leipzig. Da ist die Fahrt nicht gar so lang. Am 5. muß er seinen Dienst wieder antreten. --Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Jörg - Helga dachte, ich wäre schon fertig und hat gleich unterschrieben, da Jörg auch noch seinen Namen herschreiben wollte. Siegfried und Jörg sind eben fortgegangen. In den letzten Tagen hat S. die Briefe nicht mehr gelesen. - Nun will ich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. -- Meinen herzlichsten Glückwunsch zu den drei Briefen,  die heute ankamen. Sonst geht alles gut und seinen alten Gang. Alles Gute wünscht Dir Siegfried. –

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