Mein lieber, lieber Mann! Konstanz, 9.1.41 abends
Heute Nachmittag war ich mit den Kindern
in der Stadt. Wir haben den Brief an Dich fortgebracht. Ich habe Helga und Jörg
mit dem Schlitten gefahren. Ich hätte evtl. auch mit dem Rad fahren können,
aber erstens geht es bei dem Schnee nicht so gut und zweitens tut mir das
Laufen auch ganz gut bei der guten Winterluft. Heute Abend weht ein ziemlicher
Ostwind. Da ist man froh, wenn man eine warme Stube und ein gutes Bett hat.
Beides ist ja bei uns der Fall. Es ist ja unser Heim, das wir uns zusammen
geschaffen haben.
Von Jörg soll ich Dir schreiben, daß er
aus Plastellina Tannenzweige- und Zapfen, sowie Flaschen und Löffel gemacht
hat. Sie sind wirklich schön geworden. So hat jeder seine Liebhaberei. Jörg
malt und formt gern, während Helga dafür nicht soviel Talent hat und lieber Mundharmonika
spielt. Dafür hat wieder Jörg nicht viel übrig. Ich habe den Kindern mit den
Bonbons von Dir schon öfter Freude gemacht. Sie staunen immer, wo ich wieder
welche herbringe. Es war ja aber auch eine große Tüte voll. Das reicht schon
eine Weile.
Das habe ich überhaupt in meinem
vorherigen Brief vergessen. In dem Päckchen 19, das ich heute erhielt, waren
drei Dosen Konserven drin. Es sind Fischstücke darauf abgebildet und darauf
steht: BELL BRAND FANCY PINK SALMON und
dann nur noch die Firma. Vielleicht kannst Du mir genau schreiben, was es ist.
Weit her sind diese Sachen ja, aus Yokohama. So, nun gehe ich wieder schlafen.
Gute Nacht, mein lieber Schatz und wach gesund wieder auf. Denk auch immer an
mich und unsere zwei Stromer.
Lieber, lieber Ernst! 10.1.
Heute ist ein Festtag für mich. Dein
erster Brief vom 2.1. kam an. Nun habe ich doch wenigstens Nachricht, daß Du
gut hingekommen bist. Scheinbar war also die Fahrt soweit annehmbar. Da freue
ich mich sehr. Wenn der Wagen am Bahnhof war, hast Du doch wenigstens keine
Schlepperei gehabt. Die warme Stube wird Dir nach der langen Fahrt gut getan
haben.
Heute kamen auch wieder drei Päckchen von
Dir an, Nr. 14, 18, 22 mit Konserven und Tabak. Ich danke Dir auch nachträglich
nochmals für all die schönen Sachen. Den Tabak werde ich nun Vater geben. Er
hat ja ziemlich darauf warten müssen. Jetzt fehlen noch die Päckchen 12, 13,
16, 17.
Heute ist ganz blauer Himmel und strahlender
Sonnenschein. Warm ist es ja nicht, aber bei Sonne sieht das alles gleich viel
fröhlicher aus. Schlittenfahren heißt auch heute bei den Kindern die Parole.
Das größte Übel vorher ist nur das Schuhe putzen. Da würden sie sich gern davor
drücken. Es geht nur leider nicht. Beim Weberbuckel ist vorhin ein Unglück
passiert. Drei Kinder von Brunners (Elektrizitätswerk) sind zusammen auf einem
Schlitten den Buckel runter und in der Austraße in ein Lastauto gefahren. Dem
großen Buben (10-12 Jahre) hat´s ein Knie zerschlagen, dem Mädel (2-3 Jahre) hat`s am Leib etwas getan, der Bub
(2-3 Jahre) hat Blut gebrochen. Die zwei ersten sind ins Krankenhaus gebracht
worden, der kleine Bub ist noch daheim. Jetzt ist das Fahren am Weberbuckel
verboten. Gott sei dank, ich habe unsere zwei nur immer ungern dort fahren
lassen, überhaupt erst, seit der Schutzmann sie vorm Haus weggewiesen hat. Ich
dachte erst, die Bahn ging nur bis zur Austraße, derweil geht sie über dieselbe
bis zu der Grube dahinter. Ich habe ja den Kindern immer gesagt, sie sollen an
der Austraße bremsen und sie sind deshalb schon öfter von den größeren Buben
angebrüllt worden. Na, nachher bringe ich ja den Brief fort und kaufe ein. Da
nehme ich unsere zwei Burzels mit. Sie freuen sich ja schon immer, wenn sie
gefahren werden. Bei diesem Sonnenschein geht man ja gern raus.
Nun laß mich für heute schließen. Sei
recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Viele
Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 11.Januar 41
eigentlich wollte ich gestern Abend noch
schreiben, aber dann bin ich doch, nachdem ich noch gestopft hatte, zeitig
schlafen gegangen. Heute, am Samstagvormittag, habe ich gebacken. Für uns einen
Kuchen und für Dich ein paar Törtchen, so Fruchttörtchen mit Marmelade, wie ich
Dir schon früher mal geschickt habe. Nur das eine ist dabei, ich habe diesmal
kein Gustin dazu verwenden könne, da ich ja keins mehr bekomme, sondern nur
noch Mehl. Ich weiß nun nicht, ob sie Dir auch so schmecken. Du darfst mir
ruhig schreiben, wenn sie nicht so gut sind, da schicke ich Dir nächstes Mal
was anderes. Post habe ich heute keine von Dir bekommen, d.h. am Nachmittag war
der Briefträger ja noch nicht da.
Bei den Kindern hat es sich schon direkt
eingebürgert, daß ich sie, wenn ich den Brief fortschaffe, mitnehme und mit dem
Schlitten ziehe. Vorhin haben sie mich gerade wieder danach gefragt.
Am Sonntag ist doch der Tag der
Briefmarke. Da habe ich schon Herrn Kuster beauftragt, für Dich und Kurt je
einen Sonderstempel, bzw. Sondermarke zu besorgen. Das ist Dir doch sicher
recht. Es ist nur gut, daß Jörg zu Weihnachten auch Plastellina bekommen hat.
Heute hat er wieder lauter Säcke gemacht, die er alle auf sein Lastauto
verladen hat. Außerdem hat er einen Flieger und ein Schiff geformt. Alles gar nicht
ungeschickt. Helga benutzt ihre Ferien mehr dazu, ihre Märchenbücher
durchzulesen.
Heute steht es nun auch in der Zeitung,
daß das neue Schuljahr nach den großen Ferien beginnt. Die Jahrgänge, die aber
zu Ostern in die Schule gekommen sind, werden auch zu Ostern entlassen. Da
kommt also Jörg nun tatsächlich mit 7 Jahren in die Schule.
Ich habe jetzt das Gebäck für Dich
eingepackt. Es ging nicht alles in ein Päckchen, da habe ich noch ein kleines
dazu getan, welches sicher mit der Briefpost geht und dadurch wahrscheinlich
auch schneller dort ist. Deshalb schreibe ich es auch nur, damit Du nicht
denkst, Du bekommst nur dieses kleine Päckchen.
Nun will ich aber schließen. Es ist schon
ziemlich spät geworden.
Sei für heute recht, recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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