Mittwoch, 6. Januar 2016

Brief 111 vom 5./6./7.1.1941


Mein liebster Schatz!                                                                        Konstanz, 5.1.41                               

Nun ist es Samstagabend. Am Nachmittag habe ich mich hingesetzt und alle Briefe beantwortet. Fünf Briefe habe ich geschrieben, von denen ich Dir die Durchschläge mit sende. Manches wiederholt sich ja in den verschiedenen Briefen. Aber was soll ich schon überall schreiben. Außerdem gehen sie ja an verschiedene Empfänger. Vor lauter schreiben ist es mir jetzt ganz trimmelig im Kopf. Aber nun ist das wenigstens auch erledigt. Die Kinder haben heute Nachmittag mit dem Omnibus fahren dürfen, als sie den Brief fortschafften, bzw. die Briefe, denn sie haben ja auch an Dich geschrieben. Hinterher sind sie noch Schlittenfahren gegangen. Jetzt schlafen sie schon wieder friedlich.
Ich warte nur noch den 10 Uhr-Nachrichtendienst ab. Dann gehe ich auch schlafen. Schlaf auch Du gut, lieber Ernst, und wach ganz gesund wieder auf.
Mein lieber Ernst! Heute Nacht hat es wieder ziemlich geschneit. Die Kinder haben den Schnee weggekehrt. Ich wollte es erst tun, aber sie wollten es allein machen. Sie hatten sogar Angst, daß jemand aus dem Haus ihnen zuvorkommen könnte. So schnell wie heute haben sie sich noch nie angezogen. Wir wollen nachher noch in die Stadt. Ich muß zusehen, daß ich ein paar Lichtmarken bekomme. Durch die blöde Hamsterei gibt es ja fast keine. Die Kinder nehmen natürlich den Schlitten mit. Der muß jetzt überall dabei sein.
Ich habe die letzten Nächte nie richtig geschlafen können, da ich wegen eiskalter Füße immer wieder aufgewacht bin. Und das, trotzdem ich mich in eine Wolldecke eingehüllt und die weißen Socken angezogen habe. Nun mache ich mir abends doch eine Wärmflasche. Ich wollte mich nur nicht zu sehr verwöhnen. Aber wenn man nie richtig schlafen kann ist es auch nichts.
Nun will ich heute schon schließen. Die Kinder sind schon ungeduldig, daß wir bald gehen.
Sei nun vielmals gegrüßt und ganz fest geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                             Konstanz, 6.1.41

Nun ist schon wieder der Montag vorbei. Wie lange wird es dauern, dann ist schon eine und bald auch zwei Wochen vorbei, seit Du fort bist. Wenn ich nur erst wieder ein Lebenszeichen von Dir bekomme. Ich weiß ja, daß es noch ein paar Tage dauern wird, aber ich habe so Heimweh nach Dir, da kommt es mir unendlich lang vor.
Heute früh waren wir nun in der Stadt. Ich habe noch zwei Handschuhkästen für uns besorgt. Da sind unsere Handschuhe nun richtig versorgt und liegen nicht nur so umeinander. Am Nachmittag sind die Kinder wieder den Weberbuckel runter gefahren, solange, bis sie nasse Schuh und Strümpfe hatten. Morgen geht es sicher wieder weiter, d.h. wenn die Schuhe trocken sind bis  dahin. Jörg`s Schuhe sind jetzt noch tropfnaß.
Es ist nun 1/2 10 Uhr und ich gehe schlafen. Heute werde ich wahrscheinlich vor Kälte nicht aufwachen, nachdem ich mir eine Wärmflasche gemacht habe. Jetzt habe ich ja noch eiskalte Füße, aber das wird sich schon geben. Mein lieber Schatz, recht gute Nacht.

Mein lieber Ernst!                                                                                           7.1.

Ich habe tatsächlich gut geschlafen und vor allen Dingen habe ich von Dir geträumt. Die Nacht war mir da viel zu schnell herum. Wo Du jetzt nicht bei uns bist, ist es nur gut, daß es Träume gibt. Da sehe ich Dich doch oft.
Nachher wollen die Kinder wieder Schlitten fahren. Jörg hat mich schon gleich vorbereitet: Gell, Mutterle, wir müssen doch auch bremsen. Wenn da mal die Eisen abgehen, ist es doch nicht so schlimm. Besser, als wenn uns was passiert. Jörg denkt auch, der kluge Mann baut vor.
Ich habe vorhin den Briefträger gefragt, wo denn die Päckchen bleiben, sie seien schon am 10.12. weg geschickt.  Da sagte er, das sei unmöglich, da wären sie schon längst da. Ich habe ihm aber gesagt, daß es da gar nichts zu zweifeln gäbe und daß vier Stück bis jetzt eingetroffen seien. Da hat er dann bloß mit den Achseln gezuckt. Ich bin tatsächlich gespannt, ob wir die Päckchen noch bekommen. Jetzt sind sie ja bald einen Monat unterwegs.
Unser Bub ist doch ein Lauser. Eben kam Helga und sagte mir, daß Jörg auf dem Schlitten liegend den Schneckenbuckel runter fährt. Jetzt genügt ihm schon der Weberbuckel nicht mehr. Er weiß aber ganz genau, daß er die Schneckenburgstraße nicht runterfahren darf. Da habe ich schon geschimpft und außerdem hat ein Schutzmann gesagt, daß ihm der Schlitten weggenommen wird, wenn er ihn noch einmal erwischt. Aber der Kerl hört nicht, bis man ihn mal richtig durchwichst.
Wir haben heute wieder 10 Grad Kälte. Aber beim Schlittenfahren frieren beide nicht. Schneeluft ist ja auch gesund, da sollen sie nur draußen rumtollen.
Ich schaffe nachher noch den Brief fort. Wahrscheinlich werde ich laufen, da bin ich nicht solange allein zu hause. Vielleicht gehen unsere beiden Stromer mit.
Bei unserem Weihnachtkaktus blüht immer noch die erste Blüte, die zweite geht gerade auf und die dritte ist noch klein. Die erste Blüte hält sich eigentlich doch lange?
Heute früh habe ich mich mal ans bügeln gemacht. Alles ist ja noch nicht trocken. Da ist das Wetter nicht danach. Aber lieber Schnee als Matschwetter.
Nun Schluß für heute. Sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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