25. Januar
Auch dieser Tag ist wieder vorbei
gegangen, ohne daß ich einen Brief von Dir erhalten habe. Wenn ich nur wüßte,
warum keiner kommt. Siegfried und ich wollen heute Abend ins Kino und ich ginge
mit leichterem Herzen fort, wenn ich Nachricht von Dir hätte. Ob Du wohl auch
so lange keinen Brief von mir erhältst?
Als Helga heute in die Schule ging, ist
Siegfried mitgegangen. Er ist hinterher noch spazieren gegangen. Das Wetter ist
aber heute nicht besonders. Mal regnet es, mal scheint die Sonne, mal stürmt
es. Siegfried hat sich schon einen Schnupfen geholt.
Ich bin heute gar nicht fort gewesen. Die
Kinder haben die Milch geholt. Von diesem Gang ist Jörg mit einem großen
Dreiangel in seiner langen Hose wiedergekommen. Es war glücklicherweise keine
gute Hose. Helga kam heute aus der Schule mit nur einem Absatz nach hause. Bis
auf die unterste Schicht war alles weg. Ich möchte nur wissen, wie sie das
angestellt hat. Nur gut, daß ich ein bißchen schustern kann und daß ich Leder
da habe. So ist der Schuh schon wieder ganz.
Für morgen habe ich einen Streuselkuchen
gebacken. Der würde Dir doch auch schmecken, nicht wahr. Nur zum schicken ist
er nicht so geeignet, er würde austrocknen.
Ich habe heute Nacht von Dir geträumt. Das
hat mich sehr gefreut. Da habe ich Dich doch wieder einmal gesehen, wenn auch
nur im Traum.
Ich will nun das Abendessen fertig machen,
damit die Kinder noch rechtzeitig ins Bett kommen. Diesen Brief nehme ich heute
Abend mit.
Ich will jetzt schließen. Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und
Jörg.
Herzliche
Grüße Dein Siegfried.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 26.Januar 1941
Endlich erhielt ich wieder einen Brief von
Dir, vom 14./15.1. Wenn es auch nur ein kurzer Brief ist, so ist es doch ein
Lebenszeichen und ich freue mich sehr darüber. So ist es doch für mich heute
ein richtiger Sonntag geworden und ich bin auch wieder ruhiger. Die letzten
Tage habe ich mir immer Sorge um Dich gemacht.
Gestern Abend waren Siegfried und ich im
Kino. Der Titel „Hinter Haremsgittern“ war ja nicht vielversprechend, aber der
Film war doch ganz gut. Die anderen Filme, die noch in Konstanz laufen, hat
Siegfried schon gesehen. Hinterher waren wir noch in einem Cafe, in demselben
wie das letzte Mal, als Siegfried da war. Um 1/4 1 Uhr waren wir zuhause. Wir
haben uns noch mit Vater unterhalten. Um 2 Uhr ist er heim gegangen.
Der Freund von Siegfried ist nun doch
nicht gekommen. Er hat abgeschrieben.
Heute Nachmittag bringen die Kinder wieder
den Brief fort und ich höre mir das Wunschkonzert an. Da kann ich auch immer an
Dich denken.
Vielleicht kommen jetzt auch die
Briefe wieder regelmäßiger. Ich wäre
jedenfalls sehr froh darüber.
In den nächsten Tagen will ich auch wieder
an Kurt und Elsa Legler schreiben. An Kurt kann ich auch Romane mitschicken, da
ist er ja immer Abnehmer.
Jörg läuft schon die ganze Zeit wie ein
kleines Raubtier im Zoo umher. Er ist ganz voller Unruhe und kann es kaum
erwarten, bis es soweit ist, daß sie den Brief wegschaffen. Das Omnibusfahren
ist ja das wichtigste dabei. Helga liest wieder in einem Märchenbuch. Da hat
sie nicht so Eile, fortzukommen. Aber jetzt müssen sie sich doch anziehen.
Natürlich geht es wieder nicht ganz ohne Händelei ab. Das ist meist so.
Mein Brief ist heute auch etwas kurz
geworden. Sei mir deshalb bitte nicht böse.
Sei für heute herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Annie.
Mein liebster Mann! Konstanz, 27.Januar 41
Ich dachte nun, ich bekäme sicher heute
wieder einen Brief von Dir, nachdem ich gestern, nach einer langen Pause,
endlich einen erhalten hatte. Es war aber wieder nichts. Wo nur die Briefe
solange liegen. Ich wüßte doch auch gern wieder etwas von Dir. Aber ich muß
mich eben gedulden.
Als die Kinder gestern vom
Brieffortschaffen nach hause kamen, haben wir gleich Abendbrot gegessen und
hinterher noch Mensch ärgere dich nicht gespielt. Siegfried hatte Geldpreise
ausgesetzt. Jörg hat den ersten Preis mit 30 Pfennig, Helga den 3. mit 20
Pfennig bekommen. Am Abend bin ich schon um 9 Uhr schlafen gegangen. Ich war
vom vorhergehenden Abend, als wir im Kino waren, noch müd.
In dieser Woche wird der Film
„Falschmünzer“ gespielt. Dabei sind einige Aufnahmen in Konstanz, Bregenz und
Vorarlberg gedreht worden. Vielleicht sehen wir uns diesen Film auch noch an.
Das Wetter will jetzt nie recht schön
werden. Heute regnet es schon wieder. Zum fortgehen ist es nichts. Jörg wär
auch froh, wenn er öfter wieder raus könnte. Aber bei dem nassen Wetter und dem
Schlamm hat es keinen Zweck. Helga kommt öfter ins Freie, wenn sie in die
Schule geht.
Als Siegfried kam, hat er auch zwei
Kommisbrote mitgebracht. Das ist richtiges Schwarzbrot und schmeckt gut. Da ist
unser Brot weiß dagegen. Auch eine Anzahl Tüten mit Bonbon (in jedem Beutel ca.
12 Stück) hat er mitgebracht. Da bekommt jeder fast täglich einen Beutel von
mir zugeteilt. Da sind die Kinder auch nicht abgeneigt.
Ich muß Dir jetzt immer von den
alltäglichen Begebenheiten erzählen. Wenn ich Briefe von Dir hätte, könnte ich
Dir immer antworten, aber so fällt das ja auch weg.
Heute Nachmittag fahre ich in die Stadt
einkaufen. Wenn es schöner wär, würde ich unseren kleinen Borzel mitnehmen. So
wird er aber nur naß und friert evtl. noch auf dem Rad. Da ist auch nichts
gebessert. Langweilen tut Jörg sich ja nie. Entweder liest d.h. guckt er sich
Bilderbücher an. Da interessieren ihn vor allen die Busch-Bücher, oder er malt
oder spielt mit seinen Soldaten und Autos.
Pfarrer Koch hat der Helga schon wieder
ein paar Mal gesagt, sie soll zum Kindergottesdienst kommen. Jetzt hat er nach
unserer Adresse gefragt. Ich bin gespannt, ob er nun tatsächlich mal kommt. Ich
warte ja schon lange drauf.
Nun hoffe ich, lieber Ernst, daß ich recht
bald wieder einen Brief von Dir bekomme. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Annie.
Viele
Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.
Schreibe
mal bißchen mehr, denn Anni bekommt aller Wochen einen Brief von Dir. Alles
Gute wünscht Dir Dein Schwager Siegfried.
Sei bitte nicht böse wegen des Satzes von
Siegfried. Ich habe ihm gesagt, daß Du jeden Tag schreibst, aber er glaubt es
nicht, weil erst ein Brief während seines Hierseins gekommen ist.
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