Donnerstag, 28. Januar 2016

Brief 121 vom 25./26./27.1.1941


                                                                                                                     25. Januar                                        

Auch dieser Tag ist wieder vorbei gegangen, ohne daß ich einen Brief von Dir erhalten habe. Wenn ich nur wüßte, warum keiner kommt. Siegfried und ich wollen heute Abend ins Kino und ich ginge mit leichterem Herzen fort, wenn ich Nachricht von Dir hätte. Ob Du wohl auch so lange keinen Brief von mir erhältst?
Als Helga heute in die Schule ging, ist Siegfried mitgegangen. Er ist hinterher noch spazieren gegangen. Das Wetter ist aber heute nicht besonders. Mal regnet es, mal scheint die Sonne, mal stürmt es. Siegfried hat sich schon einen Schnupfen geholt.
Ich bin heute gar nicht fort gewesen. Die Kinder haben die Milch geholt. Von diesem Gang ist Jörg mit einem großen Dreiangel in seiner langen Hose wiedergekommen. Es war glücklicherweise keine gute Hose. Helga kam heute aus der Schule mit nur einem Absatz nach hause. Bis auf die unterste Schicht war alles weg. Ich möchte nur wissen, wie sie das angestellt hat. Nur gut, daß ich ein bißchen schustern kann und daß ich Leder da habe. So ist der Schuh schon wieder ganz.
Für morgen habe ich einen Streuselkuchen gebacken. Der würde Dir doch auch schmecken, nicht wahr. Nur zum schicken ist er nicht so geeignet, er würde austrocknen.
Ich habe heute Nacht von Dir geträumt. Das hat mich sehr gefreut. Da habe ich Dich doch wieder einmal gesehen, wenn auch nur im Traum.
Ich will nun das Abendessen fertig machen, damit die Kinder noch rechtzeitig ins Bett kommen. Diesen Brief nehme ich heute Abend mit.
Ich will jetzt schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Herzliche Grüße Dein Siegfried.


Mein lieber Ernst!                                                                              Konstanz, 26.Januar 1941

Endlich erhielt ich wieder einen Brief von Dir, vom 14./15.1. Wenn es auch nur ein kurzer Brief ist, so ist es doch ein Lebenszeichen und ich freue mich sehr darüber. So ist es doch für mich heute ein richtiger Sonntag geworden und ich bin auch wieder ruhiger. Die letzten Tage habe ich mir immer Sorge um Dich gemacht.
Gestern Abend waren Siegfried und ich im Kino. Der Titel „Hinter Haremsgittern“ war ja nicht vielversprechend, aber der Film war doch ganz gut. Die anderen Filme, die noch in Konstanz laufen, hat Siegfried schon gesehen. Hinterher waren wir noch in einem Cafe, in demselben wie das letzte Mal, als Siegfried da war. Um 1/4 1 Uhr waren wir zuhause. Wir haben uns noch mit Vater unterhalten. Um 2 Uhr ist er heim gegangen.
Der Freund von Siegfried ist nun doch nicht gekommen. Er hat abgeschrieben.
Heute Nachmittag bringen die Kinder wieder den Brief fort und ich höre mir das Wunschkonzert an. Da kann ich auch immer an Dich denken.
Vielleicht kommen jetzt auch die Briefe  wieder regelmäßiger. Ich wäre jedenfalls sehr froh darüber.
In den nächsten Tagen will ich auch wieder an Kurt und Elsa Legler schreiben. An Kurt kann ich auch Romane mitschicken, da ist er ja immer Abnehmer.
Jörg läuft schon die ganze Zeit wie ein kleines Raubtier im Zoo umher. Er ist ganz voller Unruhe und kann es kaum erwarten, bis es soweit ist, daß sie den Brief wegschaffen. Das Omnibusfahren ist ja das wichtigste dabei. Helga liest wieder in einem Märchenbuch. Da hat sie nicht so Eile, fortzukommen. Aber jetzt müssen sie sich doch anziehen. Natürlich geht es wieder nicht ganz ohne Händelei ab. Das ist meist so.
Mein Brief ist heute auch etwas kurz geworden. Sei mir deshalb bitte nicht böse.
Sei für heute herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Mann!                                                                    Konstanz, 27.Januar 41

Ich dachte nun, ich bekäme sicher heute wieder einen Brief von Dir, nachdem ich gestern, nach einer langen Pause, endlich einen erhalten hatte. Es war aber wieder nichts. Wo nur die Briefe solange liegen. Ich wüßte doch auch gern wieder etwas von Dir. Aber ich muß mich eben gedulden.
Als die Kinder gestern vom Brieffortschaffen nach hause kamen, haben wir gleich Abendbrot gegessen und hinterher noch Mensch ärgere dich nicht gespielt. Siegfried hatte Geldpreise ausgesetzt. Jörg hat den ersten Preis mit 30 Pfennig, Helga den 3. mit 20 Pfennig bekommen. Am Abend bin ich schon um 9 Uhr schlafen gegangen. Ich war vom vorhergehenden Abend, als wir im Kino waren, noch müd.
In dieser Woche wird der Film „Falschmünzer“ gespielt. Dabei sind einige Aufnahmen in Konstanz, Bregenz und Vorarlberg gedreht worden. Vielleicht sehen wir uns diesen Film auch noch an.
Das Wetter will jetzt nie recht schön werden. Heute regnet es schon wieder. Zum fortgehen ist es nichts. Jörg wär auch froh, wenn er öfter wieder raus könnte. Aber bei dem nassen Wetter und dem Schlamm hat es keinen Zweck. Helga kommt öfter ins Freie, wenn sie in die Schule geht.
Als Siegfried kam, hat er auch zwei Kommisbrote mitgebracht. Das ist richtiges Schwarzbrot und schmeckt gut. Da ist unser Brot weiß dagegen. Auch eine Anzahl Tüten mit Bonbon (in jedem Beutel ca. 12 Stück) hat er mitgebracht. Da bekommt jeder fast täglich einen Beutel von mir zugeteilt. Da sind die Kinder auch nicht abgeneigt.
Ich muß Dir jetzt immer von den alltäglichen Begebenheiten erzählen. Wenn ich Briefe von Dir hätte, könnte ich Dir immer antworten, aber so fällt das ja auch weg.
Heute Nachmittag fahre ich in die Stadt einkaufen. Wenn es schöner wär, würde ich unseren kleinen Borzel mitnehmen. So wird er aber nur naß und friert evtl. noch auf dem Rad. Da ist auch nichts gebessert. Langweilen tut Jörg sich ja nie. Entweder liest d.h. guckt er sich Bilderbücher an. Da interessieren ihn vor allen die Busch-Bücher, oder er malt oder spielt mit seinen Soldaten und Autos.
Pfarrer Koch hat der Helga schon wieder ein paar Mal gesagt, sie soll zum Kindergottesdienst kommen. Jetzt hat er nach unserer Adresse gefragt. Ich bin gespannt, ob er nun tatsächlich mal kommt. Ich warte ja schon lange drauf.
Nun hoffe ich, lieber Ernst, daß ich recht bald wieder einen Brief von Dir bekomme. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Schreibe mal bißchen mehr, denn Anni bekommt aller Wochen einen Brief von Dir. Alles Gute wünscht Dir Dein Schwager Siegfried.

Sei bitte nicht böse wegen des Satzes von Siegfried. Ich habe ihm gesagt, daß Du jeden Tag schreibst, aber er glaubt es nicht, weil erst ein Brief während seines Hierseins  gekommen ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen