Mein liebster Ernst! 15.Januar 1941 abends
Heute haben wir den Brief an Dich schon am
Morgen mitgenommen, so daß ich Deinen Brief vom 7.1. noch nicht beantworten
konnte. Er war im Briefkasten, als wir heimkamen.
Zu arbeiten hast du also wirklich genug.
Aber es ist wirklich schlimm, daß es immer wieder so nette Kameraden gibt, die
einem das Leben schwer machen. Gerade im Feindesland sollte so etwas doch nicht
sein. Ich glaube, Du wirst sehr froh sein, daß inzwischen Dein Kamerad Graser
wiedergekommen ist. Wenn Du den Brief erhältst, wird wahrscheinlich auch Dr.
Thomas wieder da sein. Hoffentlich bleibt Ihr immer zusammen. Wenn du Ärger
hast, so schreibe es mir nur. Es ist besser, als wenn man allen Ärger in sich
hinein frißt.
Mit den Marken haben wir es also jetzt
doch viel besser als die Franzosen. Denn was uns zusteht, bekommen wir auch. Da
hat es bisher noch keine Not.
Nachdem wir jetzt immer in der Stube sind,
brauche ich nicht so viel Feuerung. Ich glaube, daß ich mit dem vorhandenen Heizmaterial
gut auskommen werde. In der Stube haben auch die Kinder warme Füße und sie
können auch auf dem Boden spielen, ohne sich zu erkälten. Ich war jetzt schon
oft froh, daß wir die kleine Stube haben. Die Küche ist ganz vereinsamt. Ich
mache höchstens am Samstag oder Sonntag mal draußen Feuer.
Du hast mir mal erzählt, daß dort schon
alle wissen, daß die grünen Briefe für Dich sind. Die müssen sich also
umstellen, jetzt kommen bald (nicht bald, sondern schon heute. Ich habe gar
keine grünen mehr) blaue Umschläge. Grüne konnte ich nicht bekommen.
Heute Vormittag waren wir beim Zahnarzt.
Helga und Jörg haben je einen Defekt. Bei Jörg wird er am nächsten Mittwoch
gemacht, da der Zahnarzt heute keine Zeit hatte. Es waren schon mehrere Leute
bestellt. Bei Helga hat es scheinbar ziemlich weh getan. Sie hat ihre Hände in
meinen Händen ganz fest verkrampft und hat die Knie angezogen, aber keinen Laut
hat sie von sich gegeben. Das war doch tapfer, nicht wahr?
Ich habe den Kindern heute jedem 2,- auf´s
Sparbuch getan. Am Nachmittag haben wir noch die Sparbüchsen aufgemacht. Die
vorhandene Summe habe ich auch wieder auf 2,- aufgerundet, so daß sie im ganzen
4,- Mk diesen Monat sparen können. Da sind sie ganz stolz.
Jetzt ist Vater da. Er will auch noch ein
paar Zeilen dazuschreiben.
Lieber
Ernst! Wie mir Anni heute sagte, bist Du vor einigen Tagen gefallen und hast den
Arm aufgeschlagen. Hoffentlich ist es bald wieder gut und ich wünsche Dir gute
Besserung. Von Kurt haben wir immer noch keine Nachricht, ob auch die Päckchen
angekommen sind. Am Sonntag zum Montag hatten wir mal wieder Alarm, zwei Mal. Ich war erst kurz vorher zu Bett und bin dann
auch nicht aufgestanden. Wir haben hier andauernd kalt, da ist man froh, wenn
der Winter vorbei ist, wo ich es noch mehr verspüre mit den Gliedern. Die
letzte Woche viel im Freien und auch Anfang dieser Woche. Seit gestern habe ich
mit zwei Gefangenen im Neuwerk etwas Beschäftigung, ungefähr eine Woche. Die
Päckchen sind sehr lange unterwegs. Danke noch bestens für den Tabak. Am 4.1.
war auch Walters Geburtstag. Gesund sind wir so weit alle und geht noch alles
denselben Gang, wenn es einem auch nicht zusagt. Nun wünsche ich Dir nochmals
gute Besserung und sei Du herzlichst gegrüßt von Deinem Vater.
Eben ist Vater wieder fortgegangen. Es ist
1/4 12 Uhr und ich gehe nun schlafen. Vater hat wieder ein paar Brötchen
mitgebracht, damit ich für die ersparten Marken Mehl kaufen kann. Er ist immer
ganz besorgt.
Nun gute Nacht, mein lieber, lieber Mann,
schlaf gut und wach gesund wieder auf.
Lieber Schatz! 16.1.
Heute wurde mir eine große Freude dadurch
zuteil, daß ich gleich 2 Briefe von Dir
erhielt, vom 6. und 8.1., der letztere war der erste Brief von Dir, der von der
Prüfstelle geöffnet wurde. Ich habe mich wieder über beide Briefe sehr gefreut,
sind sie doch ein lieber Gruß von Dir und auch eine Verbindung zwischen uns.
Das sind die schönsten Tage, wo ich Briefe von Dir bekomme. Ich hab Dich ja so
lieb.
Du brauchst Dich nicht zu ärgern, daß Du
Vater nicht gesagt hast, er soll mich nicht auf seine Art über den Abschied zu
trösten versuchen. Es ist ja jetzt vorbei und er meint es ja gut. Er kann eben auch nicht aus seiner
Haut.
Ich hoffe, daß Du Deine Kameraden nun
wieder bei Dir hast und ich bin sehr froh, daß Du dort jemand hast, mit dem Du
Dich gut verstehst. Ich glaube, die Woche, wo Du ganz allein warst, wird die
schwerste Woche für Dich dort gewesen sein.
Ich habe tatsächlich einen Brief am 4.1.
geschrieben. Vielleicht hast Du ihn inzwischen doch noch bekommen. Von den
Eltern habe ich bisher noch keine Nachricht bekommen. Vielleicht haben sie am
Sonntag geschrieben. Ich werde ja sehen, ob sie Zeitungen mitschicken.
Inzwischen habe ich ja alle Päckchen von
Dir erhalten und es ist kein einziges weggekommen. Es wäre ja sehr schade drum
gewesen.
Bei uns ist es immer gleich kalt. Wenn es
mal ein wenig wärmer würde, könnte es nichts schaden. Wir nehmen es aber so wie
es kommt. Wie ich Dir ja schon schrieb, brauchen wir in der kleinen Stube ja
nicht zu frieren.
Heute war in der Zeitung die Todesanzeige
von Herrn Olkiewicz. Er ist nun also doch noch gestorben.
Nachher werde ich noch bei Herrn Kuster
vorbeigehen um die Briefmarken abzuholen. Die Behring-Marke werde ich
ungestempelt noch mitbringen.
Dieses Jahr bzw. vergangenes Jahr habe ich
auf mein Sparkassenbuch 3,41 Zinsen bekommen. Das ist doch ganz schön, nicht
wahr?
Ich glaube, mit dem Max und Moritzbuch
haben wir zu Weihnachten das richtige getroffen. Helga hat es mindestens schon
zehn Mal durchgelesen und immer gefällt es ihr wieder.
Nun will ich mich zum Fortgehen fertig
machen. Wir schaffen den Brief fort und dann gehen wir noch zum Bäcker.
Lieber Ernst, ich denke immer an Dich und
hoffe, daß Du nun nicht mehr allein bist und daß es Dir mit Deinen Kameraden
zusammen wieder besser gefällt. Hoffentlich ist auch Dein Arm wieder soweit in
Ordnung.
Vergiß uns nicht, behalte uns lieb und sei
recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Lieber
Vater! Wir danken Dir für Deine Grüße. Ist Dein Arm bald wieder ganz gesund?
Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.
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