Mein lieber Ernst! Konstanz, 17.1.41
Gestern Abend bin ich nicht zum schreiben
gekommen. Da habe ich wieder einen Berg Strümpfe gestopft. Einen Brief habe ich
heute auch nicht erhalten, aber das ist ja auch kaum möglich, denn ich habe ja
die vergangenen Tage meist zwei auf einmal bekommen. Da Papa nun bald
Geburtstag hat, habe ich ein bißchen Gebäck für ihn gebacken. Ich schicke Dir
davon auch ein bißchen etwas. Für uns habe ich zum Sonntag so Törtchen
gebacken, wie wir sie Dir vorige Woche geschickt haben. Wir hatten doch davon
auch eins probiert und da es den Kindern so gut geschmeckt hat, baten sie mich,
diesen Sonntag statt Kuchen solche Törtchen zu backen. Auch davon schicken wir
Dir eine Kostprobe.
An Papa schicke ich das Gebäck, ein kleines
Paket Lebkuchen, den ich noch bekommen konnte, ein Paket Kakao (aber keiner von
Dir, sondern den ich hier bekomme). Ich will sehen, ob ich noch ein paar
Zigarren bekomme. Ich möchte gern noch eine Dose Ölsardinen mitschicken.
Hoffentlich bist Du damit einverstanden.
Die Radiozeitung habe ich heute nun
abbestellt.
In der vergangenen Nacht hat es wieder ziemlich geschneit. Die Kinder sind
schon den ganzen Morgen Schlitten gefahren. Jetzt sind die Trainingshosen aber
ganz naß, da der Schnee so locker ist und überall anhängt.
Ich habe Helga die letzten Tage etwas
häkeln lassen, damit sie auch in der Schule mitkommt; sie hat nun ein ganze
Stück geschafft und hat es auch gut gemacht. Am Montag geht es ja nun wieder in
die Schule. Sie freut sich schon.
Bei Herrn Kuster war ich gestern wegen den
Briefmarken. Er war aber nicht da. Da gehe ich bei Gelegenheit nochmals vorbei.
Es ist nun bereits 1/2 4 Uhr geworden und
ich will den Brief noch wegschaffen, der heute ja nicht besonders lang geworden
ist. Aber durch das backen ist der Vormittag so schnell vergangen. Du wirst mir
aber sicher nicht böse sein, daß ich so wenig geschrieben habe. Das Päckchen an
Dich nehme ich auch gleich mit. Sei Du, mein lieber, lieber Mann, recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein liebster Ernst! Konstanz, 18.1.41
Gestern Abend habe ich den Brief an Papa
zum Geburtstag geschrieben. Die Kinder haben auch einen Gruß beigefügt. In dem
Brief wird Dir wohl etwas recht spanisch vorkommen. Aber das tut doch wohl nichts,
nicht wahr?
Das Päckchen habe ich vorhin gepackt. Ich
habe das selber gebackene Gebäck, ein kleines Päckchen Lebkuchen, sieben
Zigarren und Kakao und Ölsardinen geschickt. Ich weiß wirklich nicht, was ich
hätte sonst schicken sollen. Evtl. Wein, aber da bekomme ich jetzt so schlecht
die Verpackung dazu.
Von den Eltern habe ich bis jetzt noch
keine Nachricht. Vielleicht ist ein Zeitungspaket unterwegs.
Vergiß es bitte nicht, wenn Dir Papa bis
Ende dieses Monats keinen Kalender geschickt hat, möchte ich Dir einen
schenken.
Mein Rad hat jetzt ziemlich Ruhe. Ich
laufe meist zu Fuß und fahre die Kinder mit dem Schlitten, wenn ich den Brief
fortbringe. Es läßt sich bei dem Schnee so schlecht fahren.
Ich ziehe mir immer die hohen, schweren
Schuhe an. Da bekomme ich nie so kalte Füße.
Einen Brief habe ich heute früh von Dir
nicht bekommen. Da muß ich wieder auf morgen hoffen, denn ich glaube kaum, daß
mir der Briefträger am Nachmittag noch einen bringt. Ich weiß ja, daß Du immer
an mich schreibst. Dann kann ich doch hoffen, daß bald wieder ein Brief kommt,
wenn auch einmal eine kurze Pause eintritt.
Das ist so etwas für unseren Jörg, daß er
in der Stube auf dem Boden spielen kann. Den ganzen Tag sitzt und liegt er
unten. Die Soldaten hat er jetzt mal rausgeräumt, dafür sind aber alle Züge in
der Stube. Auf den Zügen transportiert er seine Autos und Motorräder. Er hat
also immer eine Beschäftigung und langweilig wird es ihm nicht.
Jetzt putzen sich gerade Helga und Jörg
die Schuhe, denn sie wollen sich zum Fortgehen anziehen. Die Frage war vorhin
schon: „Ziehst Du uns wieder?“
Ich habe Jörg vorhin angekündigt, daß ich
ihm die Haare schneiden muß. Das hat ihm wieder das ganze Vergnügen verdorben,
denn Du weißt ja, Haare schneiden ist bei ihm so eine Sache.
Gestern Abend bracht mir Frau Kuster die
Briefmarken. Die ungestempelte Behringsmarke hat sie mir statt zwei Mal, vier Mal
gebracht. Ich weiß nicht, ob ich sie zurückgeben soll. Hingehen kann ich jetzt
nicht gut, denn Herr Kuster ist schon wieder krank. Er hat Fieber und liegt im
Bett, wie mir seine Frau sagte. Evtl. werde ich die Marken eben behalten.
Nun will ich schließen. Bleib immer gesund
und sei recht vielmals gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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