Montag, 18. Januar 2016

Brief 117 vom 17./18.1.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 17.1.41                   

Gestern Abend bin ich nicht zum schreiben gekommen. Da habe ich wieder einen Berg Strümpfe gestopft. Einen Brief habe ich heute auch nicht erhalten, aber das ist ja auch kaum möglich, denn ich habe ja die vergangenen Tage meist zwei auf einmal bekommen. Da Papa nun bald Geburtstag hat, habe ich ein bißchen Gebäck für ihn gebacken. Ich schicke Dir davon auch ein bißchen etwas. Für uns habe ich zum Sonntag so Törtchen gebacken, wie wir sie Dir vorige Woche geschickt haben. Wir hatten doch davon auch eins probiert und da es den Kindern so gut geschmeckt hat, baten sie mich, diesen Sonntag statt Kuchen solche Törtchen zu backen. Auch davon schicken wir Dir eine Kostprobe.
An Papa schicke ich das Gebäck, ein kleines Paket Lebkuchen, den ich noch bekommen konnte, ein Paket Kakao (aber keiner von Dir, sondern den ich hier bekomme). Ich will sehen, ob ich noch ein paar Zigarren bekomme. Ich möchte gern noch eine Dose Ölsardinen mitschicken. Hoffentlich bist Du damit einverstanden.
Die Radiozeitung habe ich heute nun abbestellt.
In der vergangenen Nacht hat es  wieder ziemlich geschneit. Die Kinder sind schon den ganzen Morgen Schlitten gefahren. Jetzt sind die Trainingshosen aber ganz naß, da der Schnee so locker ist und überall anhängt.
Ich habe Helga die letzten Tage etwas häkeln lassen, damit sie auch in der Schule mitkommt; sie hat nun ein ganze Stück geschafft und hat es auch gut gemacht. Am Montag geht es ja nun wieder in die Schule. Sie freut sich schon.
Bei Herrn Kuster war ich gestern wegen den Briefmarken. Er war aber nicht da. Da gehe ich bei Gelegenheit nochmals vorbei.
Es ist nun bereits 1/2 4 Uhr geworden und ich will den Brief noch wegschaffen, der heute ja nicht besonders lang geworden ist. Aber durch das backen ist der Vormittag so schnell vergangen. Du wirst mir aber sicher nicht böse sein, daß ich so wenig geschrieben habe. Das Päckchen an Dich nehme ich auch gleich mit. Sei Du, mein lieber, lieber Mann, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                                                                Konstanz, 18.1.41

Gestern Abend habe ich den Brief an Papa zum Geburtstag geschrieben. Die Kinder haben auch einen Gruß beigefügt. In dem Brief wird Dir wohl etwas recht spanisch vorkommen. Aber das tut doch wohl nichts, nicht wahr?
Das Päckchen habe ich vorhin gepackt. Ich habe das selber gebackene Gebäck, ein kleines Päckchen Lebkuchen, sieben Zigarren und Kakao und Ölsardinen geschickt. Ich weiß wirklich nicht, was ich hätte sonst schicken sollen. Evtl. Wein, aber da bekomme ich jetzt so schlecht die Verpackung dazu.
Von den Eltern habe ich bis jetzt noch keine Nachricht. Vielleicht ist ein Zeitungspaket unterwegs.
Vergiß es bitte nicht, wenn Dir Papa bis Ende dieses Monats keinen Kalender geschickt hat, möchte ich Dir einen schenken.
Mein Rad hat jetzt ziemlich Ruhe. Ich laufe meist zu Fuß und fahre die Kinder mit dem Schlitten, wenn ich den Brief fortbringe. Es läßt sich bei dem Schnee so schlecht fahren.
Ich ziehe mir immer die hohen, schweren Schuhe an. Da bekomme ich nie so kalte Füße.
Einen Brief habe ich heute früh von Dir nicht bekommen. Da muß ich wieder auf morgen hoffen, denn ich glaube kaum, daß mir der Briefträger am Nachmittag noch einen bringt. Ich weiß ja, daß Du immer an mich schreibst. Dann kann ich doch hoffen, daß bald wieder ein Brief kommt, wenn auch einmal eine kurze Pause eintritt.
Das ist so etwas für unseren Jörg, daß er in der Stube auf dem Boden spielen kann. Den ganzen Tag sitzt und liegt er unten. Die Soldaten hat er jetzt mal rausgeräumt, dafür sind aber alle Züge in der Stube. Auf den Zügen transportiert er seine Autos und Motorräder. Er hat also immer eine Beschäftigung und langweilig wird es ihm nicht.
Jetzt putzen sich gerade Helga und Jörg die Schuhe, denn sie wollen sich zum Fortgehen anziehen. Die Frage war vorhin schon: „Ziehst Du uns wieder?“
Ich habe Jörg vorhin angekündigt, daß ich ihm die Haare schneiden muß. Das hat ihm wieder das ganze Vergnügen verdorben, denn Du weißt ja, Haare schneiden ist bei ihm so eine Sache.
Gestern Abend bracht mir Frau Kuster die Briefmarken. Die ungestempelte Behringsmarke hat sie mir statt zwei Mal, vier Mal gebracht. Ich weiß nicht, ob ich sie zurückgeben soll. Hingehen kann ich jetzt nicht gut, denn Herr Kuster ist schon wieder krank. Er hat Fieber und liegt im Bett, wie mir seine Frau sagte. Evtl. werde ich die Marken eben behalten.
Nun will ich schließen. Bleib immer gesund und sei recht vielmals gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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