Mein lieber Ernst! Konstanz, 20.Nov.40
Ich glaube, die Post ist
vollkommen verdreht. Vor 3 Tagen erhielt ich Deinen Brief vom 14. und heute
früh den vom 11. Gefreut habe ich mich aber doch sehr, daß es ein Brief von Dir
war. In ihm hast Du mir auch wieder geschrieben, wie Du den Abend verbracht
hast, so daß meine Bitte gestern eigentlich überflüssig war.
Über die Weste habe ich mich
wirklich sehr gefreut, aber auch über die Bluse. Über die Weste aber ganz besonders deshalb, weil ich so etwas
noch nie hatte. Lieber Ernst, halte mich bitte nicht für ungenügsam, aber wenn
Du mir später noch einmal so etwas Ähnliches kaufen könntest, würde ich mich
sehr freuen. Aber es hat Zeit, Du mußt nun nicht gleich danach springen.
Ich wollte beim ersten Mal Mist
holen wirklich ein paar Ruhetage vorher einlegen, aber ich habe es einfach
nicht ausgehalten. Was getan ist, ist getan. Der Wohlgeruch hat mich im Allgemeinen
wenig gestört, nur darf man sich mit der Kleidung, die man beim holen anhatte,
nicht in die Küche wagen, da ist es dann schon unangenehm.
Wenn Du noch einige Tafeln der
Corona-Schokolade da hast, sind wir gern Abnehmer, aber nur, wenn Du auch
welche für Dich hast. Sonst schmeckt sie uns auch nicht. Wie ich bei Musik aus dem „Fliegenden
Holländer“ immer an Dich denken muß, so geht es Dir jetzt scheinbar mit dem
„Lügenlord“. Das Lied macht mir aber auch wirklich immer Vergnügen.
Heute früh habe ich rote Rüben in
Steintöpfen eingemacht, in kleinen Litertöpfen. Mal sehen, ob sie sich halten.
Die hebe ich für Dich auf, wenn Du mal auf Urlaub kommst. Heute Nachmittag wollen wir mal in den Wald
gehen und sehen, wo es evtl. Tannenreisig für einen Adventskranz gibt. Es paßt
gerade, da Helga ja heute keine Schule hat.
4 Uhr. Nun sind wir wieder da und haben auch Reisig gefunden. Nicht haufenweise, aber es langt gut. Ich
versorge es einstweilen im Keller. Es war ganz schön im Wald. Die Kinder haben
sich an verschiedenen Stellen an Ostereier erinnert. Sie haben auch überall
gewußt, wo wir mit Dir gegangen sind. Unser aller Meinung war, daß es eben doch
am schönsten war, mit Dir im Wald spazieren zu gehen. Wir wollen hoffen, daß
diese Zeit auch wieder einmal kommt.
Ich will heute schon einmal etwas früher in die Stadt fahren, denn ich
soll heute nochmals nach dem Rückstrahler fragen. Am Montag waren sie schon
wieder ausverkauft. Ich schließe darum
heute schon und grüße und küsse Dich innig Deine Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, 21.11.40
Ich glaube, fast jeden Tag kann
ich im Brief mit dem Seufzer beginnen, Post habe ich heute keine von Dir
bekommen. Ich möchte nur wissen, wo die Briefe alle stecken, denn Du schreibst
doch jeden Tag.
Vielleicht geht es Dir aber mit
dem Empfang von Briefen genau so. Heute
ist wieder einmal sonniges Wetter und da am Morgen der Schein für die Schuhe
für Helga gekommen ist, nehmen wir die Gelegenheit wahr und gehen am Nachmittag
in die Stadt. Helga macht nur noch schnell Schulaufgaben.
Kurt hat an Vater geschrieben,
daß er jetzt in Privatquartier ist, bei einer Frau mit drei Kindern. Es gefällt
ihm sehr gut. Ich soll ihm bald etwas zu lesen schicken, da er und auch seine
Wirtin sehr gerne liest. Er ist noch in der Nähe von K. Den Rückstrahler habe
ich gestern bekommen. Er kostet ohne anmachen 1,90 M. Für so ein kleines Ding ziemlich
viel Geld. Für Dein Rad habe ich noch keinen besorgt, da Du es ja nicht
wolltest. Das anmachen war gar nicht so einfach. Ich hab fast den ganzen
Vormittag damit zugebracht. Ich hätte es vom Händler gleich machen lassen, aber
da hätte ich das Rad dort lassen müssen, da sie so viele Räder zum anmachen
haben.
Die Kinder unterstützen mich
jetzt auch wieder, damit ich an Dich schreiben kann. Helga wäscht ab und Jörg
hat eben die Küche ausgekehrt. Lieber
Ernst! Du wirst mir nicht böse sein, wenn ich heute weniger schreibe. Wir
möchten gern noch bei Sonnenschein raus gehen. Sei für heute herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Lieber Vater! Heute kaufen wir
Schuhe für mich, da kriegen wir sicher wieder ein buntes Heft. Mutter hat uns
gestern eine große Freude gemacht, sie hat uns ein Adventskalender
gekauft. Viele Grüße und tausend
tausend Küsse von Deiner Helga. Jörg.
Mein lieber Ernst! Konstanz,
21.11.40
Zum Advent schicken wir Dir 2
kleine Päckchen. Hoffentlich hast Du ein wenig Freude daran. Die Tanne haben
wir gestern im Wald geholt. So erhältst Du also auch einen kleinen Gruß aus
unserem Wald.
Sei vielmals herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
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