Mein lieber Ernst! 2.November
Auch heute schreib ich Dir bei
Tag nur einen kurzen Gruß. Es ist heute so unbeständiges Wetter. Ich habe nun
die Wäsche aufgehängt und muß immer auf dem Sprunge stehen, die trockene
abzunehmen, damit sie nicht wieder naß wird. Nachher muß ich noch einkaufen
fahren, da nehme ich den Brief mit.
Soeben erhielt ich Deine lieben Briefe vom 28.10. und den bisher
fehlenden vom 23.10. Ich beantworte sie wieder heute Abend. Gefreut habe ich
mich über beide sehr. Laß mich nun schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 2.November 40 abends
Wie ich Dir schon schrieb,
erhielt ich heute Deinen lieben Brief vom 28.10. und den bisher fehlenden vom
23. Ich danke Dir für beide sehr.
Ihr habt also jetzt ziemlichen
Fliegerbetrieb. Ich denke immer an Dich, daß Dir nur nichts passiert. Wir leben
hier in vollkommener Ruhe. Du hast Dir
ja große Mühe gegeben, um für mich Gummi zu besorgen. Du kannst mir glauben,
daß ich ihn als etwas Wertvolles behandle. Erstens und vor allen Dingen
deshalb, weil Du soviel Mühe und Ausgaben gehabt hast, zweitens weil es ein
rarer Artikel ist. Schmaler Durchzuggummi hat bei uns ca. 13 Pfennig pro Meter
gekostet.
Wie ich aus Deinem Brief ersehe,
gibst Du Dir ja große Mühe und hast viel Rennerei wegen einem Mantel für mich.
Kaufe nur nichts zu kostbares, sonst traue ich mich ja gar nicht ihn
anzuziehen.
Für den Leimring zum Baum habe
ich mir heute Pergamentpapier geholt. Vielleicht mache ich den Ring gleich am
Montag dran. Heute hat es den ganzen Vormittag gegossen, was vom Himmel wollte.
Als Helga aus der Schule kam, hat sie sich bis auf‘s Hemd ausziehen müssen,
trotzdem sie den Regenmantel mit hatte. Die Schuhe waren direkte Kähne. Alles
schwamm. Da die hohen Schuhe von Helga auch Wasser durchlassen, habe ich sie
heute Vormittag gleich besohlt mit dem Leder, das Du geschickt hast. Darauf
sind noch Zwecken gekommen. Jetzt kann sie wenigstens wechseln. Die anderen
Schuhe brauchen sowieso ein paar Tage, bis sie wieder trocken sind. Ich
beantrage in den nächsten Tagen hohe Schuhe für Helga, die jetzt besohlten
bekommt dann Jörg. Am 15. November werden wir dann die Schuhe holen.
Du schreibst auch, daß Du
versuchen willst, für mich Filzschuhe zu kaufen. Nun habe ich mir ja inzwischen
schon selbst welche gekauft.
Hoffentlich erfährst Du es noch rechtzeitig.
Als heute Mittag sich der Himmel
etwas aufhellte, habe ich gleich die Wäsche aufgehängt. Ich mußte aber immer
auf dem Sprung stehen, damit nicht alles naß wurde. Es ist auch fast ganz
trocken geworden.
Heute Nachmittag habe ich noch
die Dahlien abgeschnitten. Die Stöcke lasse ich, wie Du mir gesagt hast, noch
einige Tage in der Erde. Als ich die
Wäsche versorgt hatte, bin ich dann in die Stadt gefahren. Ich habe dann auch
Quark mitgebracht und heute Abend auf dem großen Blech einen Quarkkuchen
gebacken. Außerdem habe ich noch eine Marmeladenrolle, Jörg sagt „einen Mond“,
gebacken.
Die Kinder haben Dir heute Bilder
gemalt. Ich fragte sie am Nachmittag, ob sie nicht rausgehen wollten, aber sie
sagten, sie wollten lieber für ihr liebes Vaterle was malen. Jörg hat mir heute
Abend erklärt, bei seinem Bild sei oben die Nacht mit Sternen, Mond und Regen
und unten Tag mit Sonne und einem Korb.
Helga sagte heute Abend: „Mutterle, wir haben doch das allerliebste
Vaterle. Glaubst Du, wenn Du das Vaterle nicht gefunden hättest, so einen
herzliebsten Schatz hättest Du nicht mehr gekriegt.“
Siehst Du, sogar die Kinder sagen
es schon und ich weiß es ja noch viel besser. Ich habe nur lachen müssen, wie
wichtig sie das erklärt hat, der kleine Knirps. Helga gibt sich jetzt auch
Mühe, mir zu helfen. Abends wäscht sie mir seit zwei Tagen ab. Ich lasse es sie
gern tun, denn es schadet ihr nichts, wenn sie auch so etwas kann. Heute haben die Kinder auch ein wichtiges
Problem behandelt: „Wenn doch die Erde rund ist und drum rum ist Luft, und der
Himmel ist Luft, da möchte ich bloß wissen, wo die Engel die ganzen Spielsachen
hinstellen, die sie für Weihnachten machen.“ Darauf Jörg: „Und wie sie die
Spielsachen runter bringen. Vielleicht lassen sie da Bindfaden runter und
hängen´s dran.“ Ich höre mir nur noch die Nachrichten an und dann gehe ich
schlafen. Schlaf auch Du gut, mein
lieber Mann, und wach gesund wieder auf.
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