Montag, 16. November 2015

Brief 92 vom 15.11.1940


Mein lieber Mann!                                              Konstanz, 15.11.40 

Deinen lieben Brief vom 8.11. habe ich heute bekommen, in dem vom Haar raufen die Rede ist. Das würde ich wirklich gern einmal tun, aber Du brauchst Dir noch keine Sorgen deshalb machen. Ehe ich Dich an die Öffentlichkeit lassen würde, würde ich Dich natürlich erst wieder richtig kämmen. Beim raufen kommt es aber leider vor allen Dingen darauf an, ob du es dir gefallen läßt. Ich glaube, darüber unterhalten wir uns, wenn Du wieder mal Urlaub hast. 
Heute morgen war ich in der Stadt zum Geld holen, Dabei habe ich gleich nachgesehen, wann der Dr. Nast Sprechstunde hat. Wir müssen doch  noch mal hinkommen, da wollen wir gleich heute Nachmittag gehen, sonst muß sie morgen die Schule schwänzen. Leider regnet es heute wieder, da ist das spazieren gehen keine reine Freude. 
Ich möchte in den nächsten Tagen gern die Doppelfenster in den beiden Schlafzimmern rein machen.  Denn wenn es erst einmal richtig kalt war und man macht dann die Fenster rein, so wird es so feucht im Zimmer. Nun war in der Zeitung in den letzten Tagen eine Bestimmung, nachdem in Zimmern, die man während der Nacht öffnet, also wo man die Fenster öffnet, blaue Birnen verwendet werden sollen. Ich habe mir auch zwei Stück besorgt, da brauche ich doch auch dann keine weitere Verdunklung anbringen, wenn ich die Fensterläden nicht mehr zumachen kann. Die Geschäfte sind auch verpflichtet, blau zu färben, aber nur bis zu 15 W. Stärkere Birnen dürfen nicht verwendet werden. 
Jetzt muß ich Dich auch noch was fragen, da Du gerade die Fahrscheine mitgeschickt hast. Hast Du vielleicht auch noch die Fahrradschlüssel von mir und Dir dort. In Uniform bist Du doch auch einmal mit meinem Rad gefahren und von Dir ist auch wieder nur noch ein Schlüssel da. Guck bitte einmal nach.  Heute ist es wieder ein ziemlich kurzer Brief, aber ich habe nur über Mittag schreiben können, da wir gleich zum Doktor müssen. Er hat von 2 bis 4 Sprechstunde.  Mein lieber Schatz! Ich grüße und küsse Dich recht herzlich und denke immer in Liebe an Dich Deine Annie.


 Mein lieber Ernst!                                             Konstanz, 15.Nov.40

Ich lasse gerade mein Fingerbad wieder warm werden. In der Zwischenzeit will ich Dir schnell noch ein paar Zeilen schreiben.  Wir waren doch heute beim Doktor, um nachsehen zu lassen, wie die Salbe gewirkt hat. Sie hatte ja überhaupt keine Wirkung gehabt. Ich habe natürlich gefragt, was damit bezweckt werden sollte. Es handelt sich nun darum, wenn die Salbe irgendwie gewirkt hätte, hätte Tuberkuloseverdacht bestanden. So ist sie nun also gesund. Ich hatte schon die Absicht, vielleicht auch Jörg deshalb nochmals untersuchen zu lassen, möchte aber erst Dein Urteil gern wissen, ob Du von dieser Untersuchung etwas hältst. 
Als wir heute nach hause kamen, wartete noch eine große Freude auf uns. Dein Päckchen  mit dem Kaffee, Schokolade, Bonbons und Gummi war angekommen. Hab recht vielen Dank dafür. Der Gummi ist auch prima. Die Bilder von der Schokolade sind für die Kinder erst einmal die Hauptsache. Nur fragen sie immer, was auf den Bildern steht und was für Märchen das sind, und ich kann doch nun leider nicht französisch. Ich sollte auch gleich diese Schokolade aufmachen, denn bei der anderen hatten sie gesehen, daß noch zwei Bilder drin liegen. Vorläufig habe ich mich aber einmal geweigert. Vor den Bonbons hat jeder zwei Stück vorläufig bekommen. Sie schmecken aber gut. Den Kaffee hebe ich mir noch auf. 
Mein Daumen ist dem Gefühl nach etwas besser geworden, wenn es jetzt auch unter dem Nagel eitert. Ich habe aber gestern mit einer Nagelfeile den Nagel soweit abgefeilt, daß der Eiterherd bald unter dem Nagel hervortreten muß. Da kann ich dann besser dazu. Es ist ja ein ziemliches Theater mit dem Zeug, aber was will ich machen. Nun will ich mal aufhören mit schreiben und mit der Baderei fortfahren. 
Jetzt habe ich doch noch am Abend alles unter dem Daumennagel entfernen können. Du wirst denken, weiß sie denn wirklich nichts anderes zu erzählen. Aber das beschäftigt mich jetzt wirklich sehr, denn ich kann augenblicklich weder nähen noch stopfen und das ist doch gerade notwendig. Aber ich glaube, jetzt habe ich es mit den Fingern bald geschafft und dann werde ich Dir auch wieder über erfreulichere Dinge berichten können. Ich will dann auch bald im Garten weiterschaffen und das wird Dich wieder mehr interessieren.
Nun gehe ich schlafen und wünsche Dir auch eine recht gute Nacht. Schlaf gut, mein lieber Ernst und wach gesund wieder auf. 

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