Mein liebster Ernst! 3.November
Heute, am Sonntag, bleiben wir
zuhause, denn es fängt schon wieder an zu regnen. Wir hören uns das
Wunschkonzert an. Dabei werde ich ein Seifenbad machen. Von den Brombeeren habe
ich nämlich einige Stacheln in den Fingern und davon fangen einige Stellen an
zu eitern. Das stört natürlich beim arbeiten sehr. Heute ist nun gerade die
beste Gelegenheit, dem abzuhelfen.
Einen Brief habe ich heute nicht erhalten. Ich mache es aber wie Du und
vertröste mich auf den nächsten Tag.
Heute Nachmittag lese ich wieder in den Schulungsbriefen. Ich finde sie
sehr interessant. Am Abend schreibe ich wieder. Sei recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, 3.Nov. 40 abends
Ich schreibe heute schon um ½ 6
Uhr an Dich, da mich unsere Tochter sehr unterstützt und abwäscht und
abtrocknet. Erstens wegen meiner Finger, da sie doch ein bißchen eitern, und
zweitens, weil ich heute gar nicht recht auf der Höhe bin. Ich habe schrecklich
Kopfweh und mir ist so schlecht, dazu habe ich heute Mittag 38,5 Fieber gehabt.
Im Übrigen bin ich auch nicht wohl, so daß alles zusammen kommt. Ich denke, daß
es ein leichter Grippeanfall ist. Als mir´s am schlechtesten war, habe ich mich
an den Benediktiner erinnert, den Du mir dagelassen hast. Ich habe ein Gläschen
getrunken. Besser ist es mir zwar noch nicht viel, aber es ist wenigstens nicht
schlimmer geworden. Am unangenehmsten ist es, daß ich 5 Minuten friere, dann
ist mir wieder ganz heiß. Ich trinke heute Abend nochmals von dem Benediktiner
ehe ich zu Bett gehe, selbst auf die Gefahr hin, daß Du sagst, ich wäre ein
Säufer. Oder wunderst Du Dich nicht, wie energisch ich mich auf den Alkohol
stürze? Ich versuche es aber mal damit, denn eine Krankheit kann ich jetzt
nicht gut brauchen.
Aus dem Studium der
Schulungsbriefe ist heute auch nicht mehr viel geworden. Ich habe zwar ein paar
Seiten gelesen, aber die meiste Zeit habe ich richtig rumgedöst. Die Kinder haben auch heute den Brief
fortgebracht, wieder mit dem Omnibus. Ich konnte beim besten Willen nicht fort
und den Kindern hat es wieder mächtige Freude gemacht. Es ist jetzt ½ 7 Uhr geworden. Die Kinder
gehen jetzt ins Bett und ich tue dasselbe. Da bin ich heute am besten
aufgehoben. Bleib Du nur gesund, schlaf
gut und wach gesund wieder auf, mein lieber Schatz!
Mein lieber Ernst! 4.Nov.
Wenn mir´s nicht besser geworden
wäre, hätte ich ja den Brief nicht fortgeschickt, damit Du Dir keine Sorgen
machst. Aber nun, da sich die Lage gebessert hat, kann ich´s ja ruhig tun. Ich
habe gestern Abend, ehe ich ins Bett gegangen bin, zwei, -bedenke tatsächlich-,
zwei Gläschen von dem Benediktiner getrunken. Ich habe gedacht, mich brennt‘s
aus. Ich weiß nicht, ob das was ausmacht, aber heute Nacht habe ich gewaltig
schwitzen müssen. Heute früh war nun der quälende Kopfschmerz und auch das
Fieber weg. Nur ist mir noch öfter schwindlig und noch nicht ganz wohl zu Mute,
aber das gibt sich schon noch.
Vor allen Dingen hat sich die
Arbeitslust schon wieder eingestellt, die gestern ganz verschwunden war. Das
ist doch ein gutes Zeichen, nicht wahr.
Wir haben heute richtigen Sturm,
Westwind, aber ganz warm. Man weiß nur nicht, ob der Wind nicht doch Kälte im
Gefolge hat, denn es ist immerhin schon November.
Nun ist es Nachmittag und mir ist
es bedeutend besser. Ich fahre nachher noch in die Stadt. Post habe ich heute keine bekommen. Ich glaube jetzt fast, die ersten zwei
Päckchen sind verloren gegangen, denn es sind bereits 14 Tage her, seit Du sie
fortgeschickt hast. Es wäre ja schön, wenn sie noch ankämen, aber wie es bis
jetzt aussieht, müssen wir fast mit dem Verlust rechnen.
Ich habe heute noch die Möhren
raus gemacht, damit sie nicht evtl. noch erfrieren. Jörg hat mir fest geholfen
und jetzt sitzt er unten im Vorraum und schneidet das Kraut von den Möhren ab.
Da siehst Du erst, was für große Kindern wir haben. Helga hilft jetzt auch mit,
bis jetzt war sie in der Schule. Ich konnte das Abschneiden nicht mehr machen,
denn nachdem ich die Möhren raus gemacht hatte, hatte ich genug. Ich bin eben
doch nicht ganz auf der Höhe. Aber wenn man solche große Kinder hat, geht es
ja, da springen die in die Bresche. Das Kraut, Rotkraut, Weißkraut und Wirsing,
habe ich noch drin gelassen, damit warte ich, bis ich wieder ganz gesund bin,
sonst schimpfst Du doch. Das ist ja auch nicht so empfindlich wie die Möhren.
Die Roten Rüben koche ich und mache sie in einem Steintopf. Da geht dann
wenigstens nichts kaputt. Nun will ich
schließen.
Sei recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 4.November 40 abends
Heute Abend bin ich wieder so gut
wie gesund. Ich bin wieder guter Dinge.
Ich habe mir die ganze Zeit schon überlegt, wie ich Dir eine kleine
Freude machen könnte. Ich habe doch vom Vater Wäschegeld erhalten, das wollte
ich so gern für Dich verwenden. Nun habe ich von dem Buch in der Zeitung eine
Besprechung gelesen und dachte mir, daß ich Dir damit vielleicht eine kleine
Freude machen kann. Hoffentlich ist es
mir wirklich geglückt, das Richtige zu treffen. Sonst ist eigentlich heute nicht viel zu berichten.
Das einzige was geschehen ist,
war wieder ein großer Krach im Haus. Gott sei Dank nicht mit mir, ich war nur
stiller Zuhörer und wahrscheinlich auch Zeuge, denn Frau Büsing ist so gemein
geworden, daß Frau Nußbaumer die Sache vielleicht nicht auf sich beruhen lassen
wird. Was mir Spaß gemacht war das: Beim größten Keifen hat Frau Büsing auf
einmal ihr Gebiß verloren und hat‘s erst wieder im Hof auflesen müssen, wo ja
auch der Krach stattfand. Für mich war das sehr erheiternd. Der Sturm hat den ganzen Tag nicht
nachgelassen. Wahrscheinlich kommt´s bald zum regnen. Sollte es morgen noch
aushalten, hole ich noch die roten Rüben herein und mache den Leimring an. Der
Feldhüter macht auch erst jetzt die Leimringe an die Bäume. Da sind wir also
noch nicht zu spät dran. Nun will ich
wieder schlafen gehen. Gute Nacht, mein allerliebster Schatz.
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