Mein lieber Ernst! 10.November
heute Nacht haben wir
durchschlafen können und sind nicht gestört worden. Der Briefträger brachte mir am Morgen zwei Briefe von Dir, vom 3.
und 5.11. Der vom 4. fehlt noch, so daß ich auch noch nicht weiß, warum Du am
5. „mit Rücksicht auf den vergangenen Abend sehr häuslich“ warst. Das geht
sicher aus dem fehlenden Brief hervor.
Aber ich will erst einmal mit der
Beantwortung des Briefes vom 3. beginnen.
Inzwischen habe ich ja nun sieben Päckchen erhalten, so daß nur noch
eins aussteht. Ich habe mich wirklich über alle Sachen sehr gefreut. Du weißt
eben auch immer richtig, was ich brauchen kann. Ich habe mich heute auch sehr über Deinen langen Sonntagsbericht
gefreut. Da hast Du aber lange Zeit für mich geopfert und auch dafür möchte ich
Dir danken. Du schreibst überhaupt immer so lieb.
Dein Mantel ist wirklich nicht
teuer, besonders, wenn er, wie Du schreibst, schön und solid ist. Da hast Du wenigstens auch noch etwas
rechtes. Also gibt es jetzt auch in
Frankreich Marken. Wir hier haben uns ja schon daran gewöhnt, da können es die
Franzosen auch einmal kennen lernen. Die Hauptsache ist ja schließlich, daß
Jeder das Seine erhält.
Bei uns war heute früh wieder
Frost. Alles sah weiß aus. Es ist eben doch bald Winter, da kann man nichts
anderes erwarten. Es ist wirklich gut, daß Du dort eine richtige Unterkunft
hast, besonders, da richtig geheizt werden kann.
Aus Deinem Brief vom 5.11. ersehe
ich, daß es Dir bezüglich der Briefe von mir auch schlecht ergangen ist. Ich
habe ja auch so bummlig Post erhalten. Jetzt renkt es sich scheinbar wieder
ein. Wie ich aber lese, hast du scheinbar am 4.11. das gesandte Gebäck erhalten
und es freut mich, daß es Dir schmeckt. Das ist ja schließlich die
Hauptsache.
Für die Karte von dem Cafe‘
Ganquie‘ danke ich Dir. Da sehen wir doch, wo Du Dich öfter aufhältst. Das
interessiert uns ja sehr.
Die Zeugnisabschrift hat Dir ja
Helga schon geschickt. Bei Betragen stand „gut“, aber keine Zahl dabei.
Vielleicht gibt es das nicht mehr. Bei den Bemerkungen, die Du auf dem einen
Zeugnis mit aufgeschrieben hast, steht ja, dass bei Betragen 1 = gut ist. Zum
Vergleich schicke ich Dir wunschgemäß die vorhergehenden Zeugnisabschriften
mit. Nach dem Schulranzen habe ich mich
schon bei Vater erkundigt. Ich dachte, er bringt ihn mal mit rauf, da man ihn
ja nicht immer antrifft. Ich glaube aber, ich werde den Ranzen wohl selber mal
holen müssen.
Unsere 2 Stromer sind eine
richtige wilde Bande voll Übermut. Manchmal bin ich froh, wenn sie abends
endlich im Bett sind. Aber sonst sind sie soweit brav und helfen mir auch
mancherlei. Wir haben jetzt in die Küche das kleine Tischle aus dem
Kinderzimmer mit den zwei Hockern geholt. Das Kindertischle, unter das sie
immer mit ihren langen Beinen nicht mehr richtig drunter kommen, steht nun im
Kinderzimmer. Nun sitzen sie an dem Tischle und malen. Scheinbar etwas
lustiges, denn es gibt ein dauerndes Gelächter. Ich habe vorhin gerade mal richtig hingeguckt. Wenn Jörg auf dem
Hocker sitzt, reichen seine Beine tatsächlich schon bis auf den Boden. Das ist
doch schon ein langer Kerl. Die Ursache
des Gelächters von vorhin war der Churchill, den sie wunderbar gemalt haben.
Vorhin ist ja gerade im Radio bekannt gegeben worden, daß Chamberlain gestorben
ist. Die Kinder sagten: „Das ist recht, der kommt aber nicht in den Himmel, wo
der so ein frecher und böser Mann war.“ Na, schade ist es um ihn tatsächlich
nicht. Ich muß mich vorgestern Abend im
Keller ein bißchen erkältet haben Trotz derber Schuhe und Socken hatte ich
eiskalte Füße. Das hat sich ein bißchen auf die rechte Niere gelegt. Nun muß
ich mich ein bißchen vorsichtig bewegen und warm halten. Aber sonst ist es mir
ganz wohl zumute.
Heute kann ich auch den Brief
selber wieder fort bringen und muß nicht, wie vergangenen Sonntag, die Kinder
schicken. Jetzt fängt bald das
Wunschkonzert an, das ich mir auch wieder anhören werde. Dazwischen fahr ich
nur schnell zur Post. Sei Du, mein lieber Ernst, wieder recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie. Lieber
Vater! Ich will auch noch einen Gruß schreiben. Viele Grüße und Küsse von
Deiner Helga. Jörg
Mein lieber Mann! Konstanz, 11.11.40
Ich schicke Dir heute einen
kleinen Kuchen. Laß ihn Dir gut schmecken. Hoffentlich kommt er nicht ganz zerbrochen
an. Ich hätte Dir gern einen größeren geschickt, aber da reicht es mit dem
Gewicht nicht.
Viele herzlich Grüße und Küsse
von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, 11.11.40
Heute erhielt ich Deinen lieben
Brief vom 7. /8.11. Auch mir geht es wie Dir, bei der Post fällt immer ein Tag
aus. Ich habe Deine Briefe vom 1., 3., 5. und 7. erhalten. Die anderen fehlen
noch. Ich schreibe jeden Tag an Dich, so daß die Verzögerungen bei der Post
liegen. Eins ist das Dumme dabei. Man bezieht sich doch in manchen Sachen auf
den vorhergehenden Brief und da weiß der Andere dann manchmal gar nicht, um was
es sich eigentlich handelt. Über die
Sachen, die Du für Kurt besorgst, werde ich Buch führen. Kurt hat mir heute
gerade geschrieben, daß er mit noch 5 Kameraden zu einer Feldeinheit versetzt
wird. Wo er hinkommt, weiß er noch nicht. Wahrscheinlich wird er Dir auch
schreiben.
Wie Du ja aus den vorhergehenden
Briefen ersehen haben wirst, geht es mir soweit wieder gut. Sollte es mir
wieder mal dumm zu Mute sein, werde ich Deinen Rat beherzigen und von dem
Kirschwasser trinken. Hoffentlich ist
es nicht nötig.
Du, ich glaube, ich bin etwas
begriffsstutzig geworden. Daß Dich Deine Kameraden mit dem Ausspruch vom
überhaupt wollen, aufziehen wollten, habe ich nun begriffen. Nun schreibst Du
wieder so einen Satz, von dem ich nicht weiß, ob er ernst gemeint ist, nämlich:
„ Ich finde, daß meine These, die ich früher einmal aufstellte, Du seiest zwar
keine ausgesprochene Schönheit, aber die Frau, die zu mir paßt in Bezug auf den
Punkt Deines äußeren Eindrucks glatt widerlegt ist“.
((Nebenbei gemerkt, hieß Dein
Ausspruch nicht so, das habe ich mir nämlich ganz genau gemerkt, da er mir
nämlich immer einen Dämpfer aufgesetzt hat, wenn ich bezüglich meines Eindrucks
von meinem Aussehen zu übermütig wurde. Von ausgesprochener Schönheit war da
nicht die Rede, sondern Du hast gesagt: „Daß Du nicht schön bist, weißt Du ja
selber, aber mir bist Du schon recht.“ Also, lieber Kerl, nur nicht mogeln,
gell?)) Sollte der Satz ernst gemeint sein, was ich nicht hoffen will, so müßte
ich ja über meinen lieben, klugen Mann den Kopf schütteln und mich fragen, wie
er zu so einer Meinung kommt. Passen wir zwei nicht auch äußerlich zusammen?
Sind wir nicht gleich groß, sind wir nicht beide grad gewachsen, hast Du kein
liebes Gesicht? Du wirst nicht umhin können, alles mit ja zu beantworten. Also
bitte schön! Jetzt wirst Du denken, „also tatsächlich, sie ist doch
begriffsstutzig, ich mache mir einen Spaß und sie muß deswegen über eine Seite
voll schreiben. Jetzt hätte ich aber auch allen Grund, den Kopf zu schütteln.“
Ist es nicht so?
Jörg ist ganz stolz, daß Du ihn
für sein Schreiben und Helfen lobst. Er sagt eben, Du wärst doch der liebste,
liebste Schatz. Inzwischen sind ja die ersten zwei Päckchen, wie ich Dir schon
schrieb, angekommen. Um die Bluse und Weste, sowie um die Strümpfe und das
Leder wäre es tatsächlich sehr schad gewesen.
Aus dem Brief ersehe ich, daß Du
inzwischen das Zeugnis von Helga erhalten haben mußt. Helga freut sich schon
sehr darauf, daß Du ihr schreiben willst.
Zur Abwechslung regnet es heute wieder die meiste Zeit, dafür ist es
nicht ganz so kalt wie die vergangenen Tage.
Vater hat gestern Abend gesagt, daß er ½ Kubikmeter Mist nehmen würde,
Frau Nußbaumer will auch ½. Ich brauche ja den einen für uns. Jetzt schau ich
zu, daß ich nochmals einen bekomme. Da hole ich dann die eine Hälfte für Vater
einstweilen in unseren Garten, die andere Hälfte holt Frau Nußbaumer. Ein
bißchen graut mir ja vor der Arbeit, aber wir werden es schon machen. Es ist ja
nur die halbe Arbeit diesmal.
Gestern Abend habe ich
angefangen, Fausthandschuhe für die Kinder zu stricken, damit sie, wenn es
recht kalt wird, ein paar richtige haben. Ihre anderen sind ihnen bald zu
klein. Nun will ich für heute
schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt, mein lieber, lieber Ernst von
Deiner Annie, die große Sehnsucht nach Dir hat.
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