Samstag, 24. Februar 2018

Brief 523 vom 24.02.1943


Mein liebster Ernst!                                                                           Konstanz, 24.2.43

Ich habe Dir heute schon einmal geschrieben. Vor allem hatte ich Dir auf Deine Frage wegen des Antrags auf Verwendung im Ersatzheer geantwortet. Ich will es nochmals tun, weil Du doch evtl. diesen Brief eher bekommst, als den anderen.
Mir sind alle Deine Gründe voll verständlich, bis auf den einen, dass die anderen Herren versuchen, sich aus allem heraus zu halten. Danach können wir uns ja nicht richten, denn wir sind nicht von der Art, über alles leicht hinweg zu kommen. Wir müssen unseren Kopf immer hoch tragen und jedem frei ins Auge schauen können.Vor allen Dingen unseren Kindern, dass wir unsere Pflicht getan haben. Darum entscheide Du Dich so, wie es Dein Gewissen Dir befiehlt.
So ungefähr habe ich Dir geschrieben, und ich meine dasselbe auch jetzt noch. Nur sind mir jetzt, wo ich den ganzen Nachmittag hier genäht habe, verschiedene Gedanken in den Kopf gekommen, die mir Sorge machen. Du Ernst, Du sollst nicht denken, dass ich Dich davon abhalten will, den Antrag zu stellen. Ich will Dich nicht in den Kampf schicken. Nur sollst Du Dich so entscheiden, dass Du jederzeit vor Dir selber bestehen kannst. Das zu erwähnen wäre ja eigentlich auch überflüssig gewesen, denn etwas anderes wirst Du von Dir aus schon nicht tun. Aber Du hast nach meiner Meinung gefragt, und deshalb habe ich Dir auch meine Gedanken geschrieben. Dass es mir nicht leicht sein würde, Dich im Kampf zu wissen, das weißt Du ja. Ich habe Dich doch mit ganzer Seele lieb. Aber auch ich würde tapfer sein. Wir mussten ja schon einmal damit rechnen, dass Du zur Truppe kämst. Damals war es mir genauso schwer wie heute, und Du hast mir gesagt, dass auch wir durchhalten müssen. Du lagst damals auf dem Sofa und ich saß neben Dir. Ich sehe es noch genau vor mir. Wie oft habe ich schon Sehnsucht gehabt, Dich jetzt wieder einmal zu sehen. Es geht ja jetzt nicht. Wie schön war es, dass Du im Oktober nochmals auf Urlaub kommen konntest.
Wie gern würde ich Dir noch viele liebe Sachen schreiben. Aber man kann das alles nicht so schreiben. Ich bin auch zu unruhig dazu. Ich wollte Dir nur diesen Brief noch schreiben, damit Du nicht meinen sollst, mir wäre es gleichgültig, wenn du ins Feld müsstest. Aber es ist doch so, dass wir nur mit ganz klarem Gewissen richtig leben können, darum habe ich Dir auch so geantwortet.
Ich weiß noch immer nicht, ob ich mich richtig ausgedrückt habe, aber Du kennst mich doch und wirst wissen, wie ich es meine.
Lass mich schließen. Bleib recht gesund und sei ganz herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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