Freitag, 16. Februar 2018

Brief 517 vom 14.2.1943


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 14.2.1943

Eigentlich wollte ich Dir schon gestern Abend schreiben. Aber wegen meiner Kopfschmerzen ist nichts daraus geworden. Wir waren, wie ich Dir schon geschrieben habe, im Kino und haben uns den Film „Die große Nummer“ nochmals angesehen. Er hat uns auch diesmal wieder sehr gefallen. Leider hatte ich dann wieder Kopfweh, das bis zum Abend immer schlimmer wurde. So daß ich überhaupt nichts mehr tun konnte, sondern sogar noch vor den Kindern ins Bett gehen musste. Aber auch auf den Kissen konnte ich kaum liegen, alles war mir zu hart. Um 11 Uhr mussten wir leider wieder aufstehen wegen Fliegeralarm, der bist ¾ 1 dauerte. Flieger sind aber keine hier her gekommen. Heute Morgen sind wir erst um 9 Uhr aufgestanden.
Mein lieber Ernst, nun war es doch nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme, dass ihr alles zusammengepackt habt, denn ich glaube nicht, dass ihr jetzt noch in Ch. seid, da es doch im Radio heißt, dass nördlich und östlich davon schwere Kämpfe im Gange sind. Wahrscheinlich wird es auch nicht mehr lange dauern, bis die Stadt aufgegeben wird. Wenn doch nur mal der Winter vorbei wäre, dass wir wieder bessere Aussichten hätten. Es werden ja auch wieder viele Männer eingezogen, die die Front dann verstärken. Es ist jetzt eine schwere Zeit, aber wir werden sie überwinden, ich glaube fest daran. Viele sagen, lieber einen totalen Krieg, der dann schneller entschieden ist, als ein lange Hinziehen. Wir brauchen ja jetzt in der Heimat auch nicht mehr nur zuwarten, sondern können auch unseren Teil schaffen. Wo wirst Du, mein lieber Mann, jetzt sein? Meine Gedanken sind immer bei Dir. Hoffentlich war die letzte Zeit nicht gar so schwer für Dich. Mir kommen die Briefe jetzt immer zu langsam an. Ich möchte immer wissenwie es Dir geht. Ob Du wohl jetzt von mir die Post regelmäßig, oder doch überhaupt erhältst? Vielleicht kommt morgen doch wieder Post von Dir, nachdem es jetzt einige Tage ausgesetzt hat.
Von Papa erhielt ich gestern ein Zeitungspäckchen. Er schreibt, dass er sie mir schickt, damit ich etwas Ablenkung habe, nachdem wir erst die schwere Nachricht von Kurt bekommen haben. Papa ist auch nicht ganz gesund, er hat am Morgen solche Schmerzen, dass er manchmal ganz krumm gehen muss. Außer den Zeitungen hat mir Papa noch ein Holzkästchen mit Papier für´s Klosett mitgeschickt. Er schreibt dazu, vielleicht würde ich darüber wieder einmal lachen können, aber er dächte eben auch daran, dass wir auch sowas brauchen könnten. Weiteres Papier stände jederzeit zur Verfügung.
Ich kann heute wieder nicht viel schreiben. Mir ist von gestern Abend von den Kopfschmerzen, noch jetzt ganz benommen. Weißt Du, als wenn man nach einer Krankheit aufsteht, so ein Bisschen schwindlig. Ich will mich heute Nachmittag richtig ausruhen, damit mir´s Morgen wieder ganz gut ist. Nächstes Mal, wenn ich mal wieder ins Kino gehe, nehme ich die Sonnenbrille mit, mal sehen, ob es da besser geht. Mir ist der Film immer zu hell. Er blendet mich.
Nun mein lieber Schatz, bleib ganz gesund und lass es Dir nicht zu schlecht gehen. Sei ganz fest gegrüßt und geküsst von Deiner immer an Dich denkenden Annie.

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