Samstag, 24. Februar 2018

Brief 521 vom 18./19.2.1943


Mein liebster Mann!                                                                          Konstanz, 18.2.43

Heute war wieder unser Badetag. Das ist immer so eine herrliche Erfrischung. Ich bin wieder ziemlich geschwommen. Zum Spaß hab ich mich einmal vorm schwimmen und einmal nach dem schwimmen gewogen. Zuerst hatte ich 66 Kg 400g, nach dem schwimmen 65Kg 800g. Das schwimmen macht also doch was aus. Nach dem Abendessen werde ich ja das Gewicht wieder aufgeholt haben. Jörg habe ich heute überredet, mal mit ins Tiefe zu schwimmen. Ich habe ihm aber einen Schwimmgürtel umgetan, für alle Fälle. Es war auch gut so, denn der kleine, dumme Kerl ist doch noch nicht sicher. Ich habe ihn auch nur kleine Ecken schwimmen lassen, damit er sich gleich wieder anhalten konnte. Einmal musste er ein bißchen Wasser schlucken. Da hörte er auf einmal mit schwimmen auf und streckte nur die Hände in die Höhe. Ich hatte ihn natürlich gleich gepackt, denn ich bin ja immer dabei. Ich bin lieber etwas vorsichtig.
Es ist jetzt 1/1 11 Uhr geworden. Bis jetzt habe ich der Rede von Dr. Göppels zugehört. Er hat sehr gut gesprochen. Er hat auch angekündigt, dass die Leute, die sich bisher immer gedrückt haben, jetzt auch schaffen müssen und dass da kein Unterschied gemacht wird. Er hat selbst gesagt, dass es Ärgernis erregt, wenn man welche sieht, die scheinbar garnicht vom Krieg berührt werden. Es ist ja auch tatsächlich so.
Lieber Ernst, sei mir nicht böse, aber ich bin jetzt so müd. Ich gehe ins Bett. Morgen früh schreibe ich gleich weiter.
                                                                                                            19.2.
Gleich ganz früh am Morgen hab ich nun doch nicht geschrieben. Ich habe vorher gearbeitet. Aber der Brief wird ja sowieso erst um 2 Uhr vom Briefkasten geholt. Zuerst habe ich Vaters Jacke fertig genäht. Die hatte ich wohl einmal angefangen, aber immer kam etwas anderes dazwischen. Heute bringe ich sie nun ganz fertig. Hinterher habe ich ein Schlauchboot für Jörg genäht. Ich hatte von Vater einen langen, schmalen Streifen festen Zeltstoff, wie wir ihn bei unserem Wassersack haben. Da hab ich zwei Streifen aneinander gesetzt, zusammen genäht und den sich dadurch ergebenden Schlauch mit der Baumwolle von Dir gefüllt. Dann habe ich die zwei Enden aneinander gesetzt, von Zeltstoff einen Boden drunter genäht und so ist ein richtiges Schlauchboot entstanden. Für die 4 Paddel, die sich Jörg geschnitzt hatte, habe ich 4 Schlaufen angenäht, sodass sie eingehängt werden können. Ich hatte es Jörg schon seit einigen Tagen versprochen, dass ich es ihm nähen wollte, bin aber bisher noch nicht dazu gekommen. Heute, als er aus der Schule kam, war seine Freude groß. Er hat das Boot schon mit Soldaten gefüllt. Das Boot ist 18cm lang und 12cm breit. Dann hab ich noch was geschafft. Du weißt doch, dass bei den Stühlen in der Stube der Bezugsstoff kaputt war. Ich hatte nun noch ein Stück dunkelblauen Stoff da. Ich habe nun den alten Stoff runter gemacht und die Stühle einstweilen mit dem blauen Stoff bezogen. Es sieht nicht schlecht aus und während des Krieges tut er seinen Dienst. Nach dem Kriege können wir ja wieder anderen kaufen. Besser sieht es auf jeden Fall aus, als wenn etwas kaputt ist.
Vorhin erhielt ich Dein Päckchen Nr.12. Ich habe nun alle bis 15. Im Päckchen war Honig. Ich danke Dir sehr dafür. Gleichzeitig habe ich nun auch 3 Milchflaschen. Die kann man für mancherlei Sachen gebrauchen. Ein Brief ist leider nicht angekommen, auch nicht der Luftpostbrief. glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass ich den Brief vom 10.2. so außer der Reihe schon bekommen habe. So weiß ich doch wenigstens, dass Du nicht mehr in C. bist. Ohne den Brief würde ich mir noch mehr Sorge machen. Hattest Du diesen Brief jemand mitgegeben? Von der Feldpost stand gar kein Stempel drauf, nur eine andere Feldpostnummer. Jedenfalls freue ich mich sehr, dass ich ihn erhalten habe.
Heute erhielt ich von Papa eine Karte. Dass er doch die Briefe nie richtig liest. Ich habe ihm geschrieben, er möchte sich bei den Gräbern erkundigen, wie oft man sie erneuern lassen kann. Zum letzten Mal seien sie 1935 bzw. 1937 erneuert worden. Jetzt schreibt Papa, er habe sich auf dem Friedhof erkundigt.ie Gräber ständen normalerweise 15 Jahre, wenn sie nicht verlängert würden. Das habe ich doch schon selber gewußt. Jetzt soll ich mich erkundigen, wann sie zum letzten Mal verlängert worden sind. Dann schreibt er, das Hügeln und Bepflanzen würde 14 Mk. pro Grab kosten, und wegen der Grabsteine ginge er am Sonnabend zum Bildhauer und gäbe mir dann sofort Bescheid. Am besten sei es,  wir würden ihm die beiden Grabscheine schicken. damit er alles erledigen kann. Nun fahre ich gleich heute Abend noch zu Vater runter.
Wir haben heute richtiges Frühlingswetter. Klarer blauer Himmel und schon ganz schön warme Sonne. Das ist direkt wohltuend. Viel schöner, als wenn es so trüb ist. Die Kinder gehen am Nachmittag zum Turnen. Ich will noch zuhause schaffen, damit ich wieder alles aufarbeite und am Montag wieder  mit allem fertig bin. Dann kann ich wieder ruhig nähen gehen.
Nun lass mich schließen. Wir wollen jetzt essen. Da will ich dir gleich mal den Speisezettel mitschreiben. Am Montag hatten wir Kartoffeln, Rosenkohl, Soße. Vom Dienstag weiß ich es nicht mehr. Am Mittwoch hatten wir Kartoffeln mit Blut- und Leberwurst, gestern hatten wir Bratkartoffeln, Hefeauflauf mit Rhabarberkompott, heute gibt es Kartoffelstückchen. Abends haben wir ja jetzt auch immer warmes Essen, manchmal Kartoffelbrei, Kartoffelpuffer, Bratkartoffeln, Quarkkeulchen, Rahmkartoffeln, Suppe usw.
Doch nun muss ich wirklich Schluss machen. Mein lieber Ernst, bleib recht gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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