Dienstag, 27. Februar 2018
Montag, 26. Februar 2018
Brief 524 vom 25.02.1943
Mein
liebster Ernst! Konstanz,
den 25.2.43
Gestern
habe ich Dir zwei Briefe geschrieben, die in der Hauptsache sich um Deine Frage
drehen, die Du mir bzgl. des Antrags auf Verwendung im Ersatzheer gestellt
hast. Glaub mir, es ist mir nicht leicht gefallen, Dir nicht restlos zustimmen
zu können. Aber ich konnte nicht anders, Du wirst mich sicher verstehen. Ich
habe Dir ja auch geschrieben, dass ich Dir bestimmt keine Vorschriften machen
will und dass die letzte Entscheidung ja doch bei Dir liegt. Glaub mir Ernst,
das Herz ist mir jetzt immer schwer, und die Zeit ist ja auch schwer. Ich sorge
mich immer um Dich und würde mich, wenn Du zum Heer müsstest noch mehr sorgen,
aber wir müssen ja unsere Pflicht tun und dürfen nicht schwach werden. Das muss
ich auch immer wieder zu mir sagen. Stalingrad und jetzt der Tod von Kurt haben
mich ganz durcheinander gerüttelt. Man las wohl in der Zeitung, dieser oder
jener ist gefallen, aber es betraf nicht die eigene Familie und da kann man es doch nicht so mitfühlen. Jetzt ist das
anders, die Todesnachricht kam so plötzlich. Als wir Kurt zum letzten Mal zur Bahn
brachten, dachte ich noch so, er wird schon wiederkommen, es ist ja bisher
immer noch gut abgegangen. Nun kam es doch anders. Du wirst sicher verstehen
können, dass meine Sorge um Dich um vieles größer geworden ist. Alle meine
Gedanken gipfeln in der Bitte, dass Du immer gesund wieder heimkommen mögest.
Mit meiner Sorge ist aber auch der Wille größer geworden, alles zu tun, was in
meinen Kräften steht um mitzuhelfen. Vielleicht erreicht der Krieg, wenn alle
ihr Möglichstes tun, doch eher sein Ende.
Gestern
Abend war Vater noch hier. Ich habe mit ihm die Sache wegen der Grabsteine für
Deine Mutter und Walter besprochen. Papa hatte mir doch gestern geschrieben,
einen Durchschlag davon hat er an Dich geschickt. Vater hat sich noch nicht
entschieden. Er will sich noch überlegen. Gerade, als Vater heimgehen wollte,
heulte die Sirene los. Er ist dann hier geblieben bis ½ 1 Uhr Entwarnung war.
Um 1 Uhr lag ich dann im Bett. Leider hatten wir von 2 bis ½ 3 Uhr nochmals
Alarm. Hinterher habe ich dann aber fest geschlafen. Während des Alarms hatte
ich für Helga den Liegestuhl und für Jörg die Kinderbettmatratze rauf geholt.
Da haben sie solange geschlafen. In den Keller sind wir nicht gegangen, da man
keine Flieger hörte.
Heute
waren wir wieder baden. Es ist immer sehr erfrischend und lenkt auch ein wenig
ab. Ich bin wieder ziemlich geschwommen. Helga springt am liebsten jetzt immer
von der Seite ins Wasser. Das macht ihr viel Freude. Jörg übt auch immer das
schwimmen. Bis zum Sommer mag er es ganz fest können. Lieber Ernst, von dem
Weihnachtsgeld, das Du mir geschickt hattest, habe ich mir in letzter Zeit noch
1 Paar Strümpfe und ein Sträußchen Ansteckblumen für meinen leichten, blauen
Mantel gekauft. Ich habe jetzt noch 41 Mk. hier.
Nach
den neuen Einschränkungen im Feldpostverkehr kann ich Dir nun gar keine
Zeitungen mehr senden. Ich habe mich heute extra nochmals deshalb auf der Post
erkundigt. Nur vom Verleger aus können sie scheinbar geschickt werden. Da
vielleicht die Sperre nicht so lange anhält, werde ich die Zeitungen aufheben
und sie Dir dann später zusammen schicken.
Diesen
Monat habe ich nun auch die Briefmarken zusammen, die ich Dir schenken wollte.
Die Führermarke zu 1 Mk, 2 Mk, 3 Mk und 5 Mk. Ich hatte im letzten Urlaub davon
gesprochen. Es sind alles Randstücke. Die zu 1 und 2 Mk hatte ich schon zu
Weihnachten hier und wollte sie Dir schenken, aber ich hatte es vergessen, zu
schreiben. Papa hat Dir ja jetzt auch die Marken vom 30. Jan. und eine neue 3
Pfg.-Marke geschickt. Ich habe sie mit versorgt.
Nun
lass mich schließen. Es ist jetzt 11 Uhr. Ich habe heute nochmals wegen der
Kohlen nachgefragt, weil sie so lange nicht kommen. Nun sind sie mir für
morgenfrüh versprochen worden. Da habe ich dann mit dem schichten ziemlich zu
tun und will mich vorher noch richtig ausruhen.
Samstag, 24. Februar 2018
Brief 523 vom 24.02.1943
Mein liebster
Ernst! Konstanz,
24.2.43
Ich habe Dir
heute schon einmal geschrieben. Vor allem hatte ich Dir auf Deine Frage wegen
des Antrags auf Verwendung im Ersatzheer geantwortet. Ich will es nochmals tun,
weil Du doch evtl. diesen Brief eher bekommst, als den anderen.
Mir sind alle
Deine Gründe voll verständlich, bis auf den einen, dass die anderen Herren
versuchen, sich aus allem heraus zu halten. Danach können wir uns ja nicht
richten, denn wir sind nicht von der Art, über alles leicht hinweg zu kommen.
Wir müssen unseren Kopf immer hoch tragen und jedem frei ins Auge schauen
können.Vor allen Dingen unseren Kindern, dass wir unsere Pflicht getan haben.
Darum entscheide Du Dich so, wie es Dein Gewissen Dir befiehlt.
So ungefähr habe
ich Dir geschrieben, und ich meine dasselbe auch jetzt noch. Nur sind mir
jetzt, wo ich den ganzen Nachmittag hier genäht habe, verschiedene Gedanken in
den Kopf gekommen, die mir Sorge machen. Du Ernst, Du sollst nicht denken, dass
ich Dich davon abhalten will, den Antrag zu stellen. Ich will Dich nicht in den
Kampf schicken. Nur sollst Du Dich so entscheiden, dass Du jederzeit vor Dir
selber bestehen kannst. Das zu erwähnen wäre ja eigentlich auch überflüssig
gewesen, denn etwas anderes wirst Du von Dir aus schon nicht tun. Aber Du hast
nach meiner Meinung gefragt, und deshalb habe ich Dir auch meine Gedanken
geschrieben. Dass es mir nicht leicht sein würde, Dich im Kampf zu wissen, das
weißt Du ja. Ich habe Dich doch mit ganzer Seele lieb. Aber auch ich würde
tapfer sein. Wir mussten ja schon einmal damit rechnen, dass Du zur Truppe kämst.
Damals war es mir genauso schwer wie heute, und Du hast mir gesagt, dass auch
wir durchhalten müssen. Du lagst damals auf dem Sofa und ich saß neben Dir. Ich
sehe es noch genau vor mir. Wie oft habe ich schon Sehnsucht gehabt, Dich jetzt
wieder einmal zu sehen. Es geht ja jetzt nicht. Wie schön war es, dass Du im
Oktober nochmals auf Urlaub kommen konntest.
Wie gern würde
ich Dir noch viele liebe Sachen schreiben. Aber man kann das alles nicht so
schreiben. Ich bin auch zu unruhig dazu. Ich wollte Dir nur diesen Brief noch
schreiben, damit Du nicht meinen sollst, mir wäre es gleichgültig, wenn du ins
Feld müsstest. Aber es ist doch so, dass wir nur mit ganz klarem Gewissen
richtig leben können, darum habe ich Dir auch so geantwortet.
Ich weiß noch immer
nicht, ob ich mich richtig ausgedrückt habe, aber Du kennst mich doch und wirst
wissen, wie ich es meine.
Brief 522 vom 20.02.1943
Mein liebster
Ernst! Konstanz,
20.2.43
Die Briefe, die
Du nach dem 31.1. bis zum 9.2.geschrieben hast, habe ich bisher noch nicht
erhalten. Dafür kam heute aber schon Dein lieber Brief vom 12.2., den Deine
Kameraden von der Feldpost mitgenommen haben. Ich freue mich sehr und danke Dir
dafür. Vor allem hat es mich gefreut, dass Du auch wieder Post von mir erhalten
hast. Man wartet doch immer sehr darauf. Mir geht es so, und ich weiß auch,
dass es bei Dir nicht anders ist.
Lieber Ernst, Du
schreibst, Du weißt, dass ich Verständnis dafür habe, dass Du um Kurt trauerst.
Schau, ich trauere ja selbst mit. Kurt ist mir immer fast wie ein Bruder
vorgekommen. Ich muss auch immer wieder an ihn denken, schon von früher her, wo
ich ihn das erste Mal in Leipzig gesehen habe. Weißt Du, er ging doch immer am
Straßenrand und suchte, ob er etwas finden würde. Als Du ihn herriefst, da war
er so schüchtern und traute sich kaum, aufzusehen. Und klein war er damals
noch. Dann später die Zeit , als wir in Konstanz waren. Er schaffte dann in der
Hiag, bis die Firma wegging. Später ging er zu dem Artamanen, und plötzlich
ging er so in die Höhe und wurde so groß und breit. Wir haben uns doch damals
alle gefreut, weißt Du noch? Er hatte dann auch eine Fahrt nach Österreich
gemacht und brachte mir aus Gosau die getrockneten Blumen mit. Das freute mich
damals auch. Er wollte doch einmal Photograf in Lubmin werden. Daraus wurde
aber nichts. Dann fing er den Vertrieb der Salbe an. Das kam aber auch schnell
zum Abschluss. Dann kam er zur Zahnfabrik. Da verdiente er zum ersten Mal
richtig Geld, dass er sich verschiedene Sachen anschaffen konnte, was er auch
getan hat. Einmal hatte er doch auch das Pech, dass er auf dem Schienerberg
festgenommen wurde, weil sie meinten, er habe dort photografiert. Ja, ich
erinnere mich an so manches, und Dir wird es genauso gehen. Jetzt ist er schon
über einen Monat tot, und es will einem gar nicht in den Kopf. Du hast Dich im
Krieg, soviel ich weiß, nur einmal mit Kurt getroffen. Wir haben dann die Fahrt
entlang am See zusammen gemacht. Davon
haben wir ja auch noch ein Bild. Siehst Du, aus unserer gemeinsamen Feier auf
dem Haldenhof wird es nun nichts. Es tut mir wirklich leid, dass Kurt fallen
musste.
Siehst Du Ernst,
wenn ich Paula nun unterwegs treffe, dann spricht sie immer mit mir von Kurt
und fragt mich, ob es mir auch immer schwerer würde. Dann weint sie. Sie meint
dann vielleicht, ich empfinde gar nichts, aber ich kann davon nicht so sprechen
oder immer weinen. Deswegen meine ich es genauso ehrlich, das weißt Du doch.
Zuletzt sagte Paula auch, dass sie mit dem Mädel aus dem Geschäft gesprochen
hätte, von dem Kurt immer sagte, sie sei hässlich. Die würde so fein empfinden.
Sie habe auch sehr geweint und sich darüber beklagt, dass sie im Geschäft,
nachdem sie die Nachricht erfahren hätte, eine Weile davon geredet haben und
sagten, er sei ein guter Kerl gewesen. Aber nach einer halben Stunde hätte sie
schon wieder von was anderem gesprochen. - Was soll ich dazu sagen. Weißt Du,
ich verstehe das. Es geht einem ja genauso. Hört man von jemandem dass der Sohn
oder der Mann gefallen ist, so tut einem das wohl leid, aber es trifft einen
nicht hart. Anders ist es, wenn es in der Familie ist. Die Mädel in der Firma
haben auch meist ihren eigenen Mann oder Bräutigam, um den sie sich sorgen.
An was wir hier
auch immer wieder denken, ist die Frage, ob die Bolschewiken die Gräber wohl
unberührt lassen. Es wäre später vielleicht doch einmal möglich, dass man
dorthin gehen könnte. Aber wenn sie alles zerstören, wüßte man ja überhaupt
nicht mehr, wo Kurt liegt. Wir hatten erst an den Leutnant schreiben wollen, ob
er nicht das Grab photografieren könnte. Aber das ist ja jetzt nicht mehr
möglich. Es ist nur gut, dass Kurt von nichts mehr etwas spürt. Er ruht.
Ich werde das
schnell noch in die Stadt fahren und den Brief fortschaffen. Bei unserem Kasten
wird erst wieder morgen Mittag geleert. Das ist etwas spät. So kommt der Brief
vielleicht noch morgen früh mit weg. Ich muss nur noch warten, bis der Kuchen
gebacken ist. Ich habe zwei einfache Hefekuchen gebacken. Da spart man schon
den Brotaufstrich.
Nun lass mich
schließen. Halt nochwas habe ich vergessen. Am nächsten Dienstag wird der Kurt
von Paula eingezogen. Dann wollte ich Dich nochwas fragen: Hatte ich Dir
früher, als ich eine Karte von Alice erhielt, schon geschrieben, dass sie jetzt
in der Eisenbahnstraße 187 II wohnt? Es fiel mir gerade so ein.
Brief 521 vom 18./19.2.1943
Mein liebster
Mann! Konstanz, 18.2.43
Heute war wieder
unser Badetag. Das ist immer so eine herrliche Erfrischung. Ich bin wieder
ziemlich geschwommen. Zum Spaß hab ich mich einmal vorm schwimmen und einmal
nach dem schwimmen gewogen. Zuerst hatte ich 66 Kg 400g, nach dem schwimmen
65Kg 800g. Das schwimmen macht also doch was aus. Nach
dem Abendessen werde ich ja das Gewicht wieder aufgeholt haben. Jörg habe ich
heute überredet, mal mit ins Tiefe zu schwimmen. Ich habe ihm aber einen
Schwimmgürtel umgetan, für alle Fälle. Es war auch gut so, denn der kleine,
dumme Kerl ist doch noch nicht sicher. Ich habe ihn auch nur kleine Ecken
schwimmen lassen, damit er sich gleich wieder anhalten konnte. Einmal musste er
ein bißchen Wasser schlucken. Da hörte er auf einmal mit schwimmen auf und
streckte nur die Hände in die Höhe. Ich hatte ihn natürlich gleich gepackt,
denn ich bin ja immer dabei. Ich bin lieber etwas vorsichtig.
Es ist jetzt 1/1
11 Uhr geworden. Bis jetzt habe ich der Rede von Dr. Göppels zugehört. Er hat
sehr gut gesprochen. Er hat auch angekündigt, dass die Leute, die sich bisher
immer gedrückt haben, jetzt auch schaffen müssen und dass da kein Unterschied
gemacht wird. Er hat selbst gesagt, dass es Ärgernis erregt, wenn man welche
sieht, die scheinbar garnicht vom Krieg berührt werden. Es ist ja auch
tatsächlich so.
Lieber Ernst,
sei mir nicht böse, aber ich bin jetzt so müd. Ich gehe ins Bett. Morgen früh
schreibe ich gleich weiter.
19.2.
Gleich ganz früh
am Morgen hab ich nun doch nicht geschrieben. Ich habe vorher gearbeitet. Aber
der Brief wird ja sowieso erst um 2 Uhr vom Briefkasten geholt. Zuerst habe ich
Vaters Jacke fertig genäht. Die hatte ich wohl einmal angefangen, aber immer
kam etwas anderes dazwischen. Heute bringe ich sie nun ganz fertig. Hinterher habe
ich ein Schlauchboot für Jörg genäht. Ich hatte von Vater einen langen,
schmalen Streifen festen Zeltstoff, wie wir ihn bei unserem Wassersack haben.
Da hab ich zwei Streifen aneinander gesetzt, zusammen genäht und den sich
dadurch ergebenden Schlauch mit der Baumwolle von Dir gefüllt. Dann habe ich
die zwei Enden aneinander gesetzt, von Zeltstoff einen Boden drunter genäht und
so ist ein richtiges Schlauchboot entstanden. Für die 4 Paddel, die sich Jörg
geschnitzt hatte, habe ich 4 Schlaufen angenäht, sodass sie eingehängt werden
können. Ich hatte es Jörg schon seit einigen Tagen versprochen, dass ich es ihm
nähen wollte, bin aber bisher noch nicht dazu gekommen. Heute, als er aus der
Schule kam, war seine Freude groß. Er hat das Boot schon mit Soldaten gefüllt.
Das Boot ist 18cm lang und 12cm breit. Dann hab ich noch was geschafft. Du
weißt doch, dass bei den Stühlen in der Stube der Bezugsstoff kaputt war. Ich
hatte nun noch ein Stück dunkelblauen Stoff da. Ich habe nun den alten Stoff
runter gemacht und die Stühle einstweilen mit dem blauen Stoff bezogen. Es
sieht nicht schlecht aus und während des Krieges tut er seinen Dienst. Nach dem
Kriege können wir ja wieder anderen kaufen. Besser sieht es auf jeden Fall aus,
als wenn etwas kaputt ist.
Vorhin erhielt
ich Dein Päckchen Nr.12. Ich habe nun alle bis 15. Im Päckchen war Honig. Ich
danke Dir sehr dafür. Gleichzeitig habe ich nun auch 3 Milchflaschen. Die kann
man für mancherlei Sachen gebrauchen. Ein Brief ist leider nicht angekommen,
auch nicht der Luftpostbrief. glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass ich den
Brief vom 10.2. so außer der Reihe schon bekommen habe. So weiß ich doch
wenigstens, dass Du nicht mehr in C. bist. Ohne den Brief würde ich mir noch
mehr Sorge machen. Hattest Du diesen Brief jemand mitgegeben? Von der Feldpost
stand gar kein Stempel drauf, nur eine andere Feldpostnummer. Jedenfalls freue
ich mich sehr, dass ich ihn erhalten habe.
Heute erhielt
ich von Papa eine Karte. Dass er doch die Briefe nie richtig liest. Ich habe
ihm geschrieben, er möchte sich bei den Gräbern erkundigen, wie oft man sie
erneuern lassen kann. Zum letzten Mal seien sie 1935 bzw. 1937 erneuert worden.
Jetzt schreibt Papa, er habe sich auf dem Friedhof erkundigt.ie Gräber ständen
normalerweise 15 Jahre, wenn sie nicht verlängert würden. Das habe ich doch
schon selber gewußt. Jetzt soll ich mich erkundigen, wann sie zum letzten Mal
verlängert worden sind. Dann schreibt er, das Hügeln und Bepflanzen würde 14
Mk. pro Grab kosten, und wegen der Grabsteine ginge er am Sonnabend zum
Bildhauer und gäbe mir dann sofort Bescheid. Am besten sei es, wir würden ihm die beiden Grabscheine
schicken. damit er alles erledigen kann. Nun fahre ich gleich heute Abend noch
zu Vater runter.
Wir haben heute
richtiges Frühlingswetter. Klarer blauer Himmel und schon ganz schön warme
Sonne. Das ist direkt wohltuend. Viel schöner, als wenn es so trüb ist. Die
Kinder gehen am Nachmittag zum Turnen. Ich will noch zuhause schaffen, damit
ich wieder alles aufarbeite und am Montag wieder mit allem fertig bin. Dann kann ich wieder ruhig nähen gehen.
Nun lass mich
schließen. Wir wollen jetzt essen. Da will ich dir gleich mal den Speisezettel
mitschreiben. Am Montag hatten wir Kartoffeln, Rosenkohl, Soße. Vom Dienstag
weiß ich es nicht mehr. Am Mittwoch hatten wir Kartoffeln mit Blut- und
Leberwurst, gestern hatten wir Bratkartoffeln, Hefeauflauf mit
Rhabarberkompott, heute gibt es Kartoffelstückchen. Abends haben wir ja jetzt
auch immer warmes Essen, manchmal Kartoffelbrei, Kartoffelpuffer, Bratkartoffeln,
Quarkkeulchen, Rahmkartoffeln, Suppe usw.
Doch nun muss
ich wirklich Schluss machen. Mein lieber Ernst, bleib recht gesund und sei
recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.
Freitag, 16. Februar 2018
Brief 520 vom 16.2.1943
Mein
liebster Ernst! Konstanz,16.2.1943
Heute
erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.1. Du schreibst darin von der
Arbeitspflicht. Ich glaube schon, dass man richtig durchgreifen wird. Es würde
ja sonst auch Unzufriedenheit entstehen. Dr. Göppels hat ja auch gleich
bemerkt, dass nur ja niemand mit Attesten kommen soll. Das wird schon genau
geprüft werden. Bei der Frau vom Nähen, von der ich Dir schon schreib, dass sie
wegen eines Attestes zum Arzt gehen will, habe ich jetzt gehört, dass sie
dasselbe hatte, wie ich, also eine Herzgeschichte. Aber das befreit doch nicht
vom Schaffen.
Papa hat sich über die Geschenke zum Geburtstag gefreut. Ich hatte mir ja auch Mühe gegeben, wie Du schon schreibst.
Bei Jörg muss man schon immer ein wenig den Ehrgeiz anspornen, aber im Allgemeinen ist er ja ein fleißiger Kerl. Jedes Kind hat eben andere Interessen, bei Jörg liegen sie bis jetzt im Basteln. Da ist er ja immer an der Arbeit. Dass Jörg seinen Stolz über das Schwimmen hat, verstehe ich voll und ganz. Ich bin sogar froh darüber.
Du wirst ja sehen, ob Du den Vorschaltwiderstand besorgen kannst. Schön wäre es ja. Bis jetzt habe ich mir ja geholfen, wie ich Dir schon mal schrieb, sodass er schon noch eine Weile halten wird.
Heute war innerhalb kurzer Zeit schon der dritte Streit im Hause. Ich war ja bei keinem beteiligt, worüber ich sehr froh bin. Worum es das erste Mal ging, weiß ich nicht. Den zweiten Krach gab es, weil der Erich mutwilligerweise bei Nussbaumers die Luftschutztüten mit dem Fuß kaputtgestoßen hat. Das war Frau Nussbaumer doch zu dumm und sie ist zum Ganahl gegangen, der scheinbar Frau Büssing einbestellt hat. Darüber ist diese nun Gift und Galle und hat heute einen elenden Krach gemacht. Sie war so gemein, wie immer. Vor allem hat sie zu dem Emil Leimenstoll gesagt, er wäre ein schwindsüchtiger Kerl und wäre schon einige Male operiert worden. Ale Leute würden schon darüber reden. Ist das nicht die Höhe der Gemeinheit? Scheinbar lässt sich´s Frau Leimenstoll nicht gefallen. Ich war froh, dass ich nicht außerhalb unserer Wohnung war. Aber dies und jenes hat man auch drin gehört, denn geschrieben wurde genug.
Am Nachmittag gehe ich wieder nähen. Eigentlich wollte ich erst morgen gehen, aber vielleicht kommt am Morgen der Kohlenmann, da muss ich am Nachmittag schichten. Dann ist es auch nichts damit. Und am Donnerstag geht es doch Baden. Gestern habe ich auch wieder 4 Z.(elte?) genäht. Dabei war ich schon ½ 6 Uhr fertig. Je mehr man macht, desto schneller geht es.
Heute ist es bereits einen Monat her, seit Kurt gefallen ist. Ich habe noch keinen Brief von Dir, ob Du die Nachricht bald bekommen hast. Vater fragt auch schon immer, was Du dazu schreibst. Glaubst Du, ich kann es jetzt manchmal noch nicht glauben, dass Kurt nicht mehr leben soll. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Er ist noch so frisch und munter hier weg gefahren, und dann hatte er nur noch wenige Tage zu leben.
Mein liebster Ernst, ich muss schon wieder schließen. Die Zeit zum Fortgehen ist schon bald da. Vorher wollen wir noch essen. Viel Wichtiges hatte ich Dir ja heute nicht zu schreiben, aber es sollte doch ein Gruß für Dich sein.
Lass Dich recht herzlich grüßen und vielmals küssen von Deiner Annie.
Papa hat sich über die Geschenke zum Geburtstag gefreut. Ich hatte mir ja auch Mühe gegeben, wie Du schon schreibst.
Bei Jörg muss man schon immer ein wenig den Ehrgeiz anspornen, aber im Allgemeinen ist er ja ein fleißiger Kerl. Jedes Kind hat eben andere Interessen, bei Jörg liegen sie bis jetzt im Basteln. Da ist er ja immer an der Arbeit. Dass Jörg seinen Stolz über das Schwimmen hat, verstehe ich voll und ganz. Ich bin sogar froh darüber.
Du wirst ja sehen, ob Du den Vorschaltwiderstand besorgen kannst. Schön wäre es ja. Bis jetzt habe ich mir ja geholfen, wie ich Dir schon mal schrieb, sodass er schon noch eine Weile halten wird.
Heute war innerhalb kurzer Zeit schon der dritte Streit im Hause. Ich war ja bei keinem beteiligt, worüber ich sehr froh bin. Worum es das erste Mal ging, weiß ich nicht. Den zweiten Krach gab es, weil der Erich mutwilligerweise bei Nussbaumers die Luftschutztüten mit dem Fuß kaputtgestoßen hat. Das war Frau Nussbaumer doch zu dumm und sie ist zum Ganahl gegangen, der scheinbar Frau Büssing einbestellt hat. Darüber ist diese nun Gift und Galle und hat heute einen elenden Krach gemacht. Sie war so gemein, wie immer. Vor allem hat sie zu dem Emil Leimenstoll gesagt, er wäre ein schwindsüchtiger Kerl und wäre schon einige Male operiert worden. Ale Leute würden schon darüber reden. Ist das nicht die Höhe der Gemeinheit? Scheinbar lässt sich´s Frau Leimenstoll nicht gefallen. Ich war froh, dass ich nicht außerhalb unserer Wohnung war. Aber dies und jenes hat man auch drin gehört, denn geschrieben wurde genug.
Am Nachmittag gehe ich wieder nähen. Eigentlich wollte ich erst morgen gehen, aber vielleicht kommt am Morgen der Kohlenmann, da muss ich am Nachmittag schichten. Dann ist es auch nichts damit. Und am Donnerstag geht es doch Baden. Gestern habe ich auch wieder 4 Z.(elte?) genäht. Dabei war ich schon ½ 6 Uhr fertig. Je mehr man macht, desto schneller geht es.
Heute ist es bereits einen Monat her, seit Kurt gefallen ist. Ich habe noch keinen Brief von Dir, ob Du die Nachricht bald bekommen hast. Vater fragt auch schon immer, was Du dazu schreibst. Glaubst Du, ich kann es jetzt manchmal noch nicht glauben, dass Kurt nicht mehr leben soll. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Er ist noch so frisch und munter hier weg gefahren, und dann hatte er nur noch wenige Tage zu leben.
Mein liebster Ernst, ich muss schon wieder schließen. Die Zeit zum Fortgehen ist schon bald da. Vorher wollen wir noch essen. Viel Wichtiges hatte ich Dir ja heute nicht zu schreiben, aber es sollte doch ein Gruß für Dich sein.
Lass Dich recht herzlich grüßen und vielmals küssen von Deiner Annie.
Brief 519 vom 15.2.1943
Mein
liebster Ernst! Konstanz,15.2.1943
Ehe
ich nachher zum Nähen gehe, habe ich noch etwas Zeit und da will ich Dir gleich
schreiben. Vor allen Dingen will ich Dir den Eingang von zwei Deiner lieben
Briefe bestätigen, vom 27. und 31.1. Aber auch zwei Päckchen habe ich erhalten
mit Cognac und Kirschlikör, Nr.13 und 14. Sie sind gut angekommen, wie es ja
bei dieser guten und weichen Verpackung gar nicht anders möglich war.
Dir hat es auch so wehgetan, dass die Soldaten von Stalingrad so heldenhaft sterben mussten. Mir geht es auch jetzt noch so und wenn man manchmal in den Leistungen nachlassen will, so denkt man immer daran und sieht daraus, wie wenig man doch eigentlich tut. Es spornt immer wieder an.
Es freut mich, dass Du mit meinem Schürzenkauf einverstanden bist. Ich werde sie bestimmt noch gut brauchen können, vor allem im Sommer, wenn es sehr heiß ist.
Für Vater führe ich jetzt manche Aufträge aus. Mit dem Stricken der zweiten paar Strümpfe bin ich bisher noch nicht weiter gekommen, denn Vater hat immer noch nicht die Wolle rausgesucht. Du brauchst auch keine Angst zu haben, dass ich mich überanstrenge. Wohl sind die Tage bis zum Abend mit Arbeit ausgefüllt, aber ich denke, dass ich es schonleisten kann. Weißt Du, ich habe jetzt einfach keine Ruhe zum Nichtstun, es treibt mich immer wieder weiter. Ich muss etwas schaffen. Das müssen ja so viele andere auch und die haben´s noch schwerer. Ich konnte doch bisher noch daheim bei den Kindern sein.
Wenn Vater auch nicht mehr verpflichtet ist zum Schaffen, so hat er doch auch gesagt, dass er so lange arbeiten will, wie es geht. In einem bist Du im Irrtum. Vater wird bei St(romeyer) nicht mit Facharbeiten beschäftigt, sondern mit den anderen, nicht so schweren Sachen, und ich schrieb dir ja schon einmal, dass es Vater an sich jetzt gleich ist, was er tut. Gestern hat Vater übrigens auch wieder ganz vernünftig geredet. Das vorherige Gerede war nur auf den Einfluss Paula zurückzuführen. Du glaubst gar nicht, wie ich schon wieder genug von ihr habe. Sie hat noch manches geredet, aber davon erzähl ich Dir später lieber.
Mit der Laubsäge hat Jörg schon verschiedene Sachen für sich gebastelt. Er hat ein Sägeblatt vom Walter geschenkt bekommen. Ich muss jetzt aber mal zusehen, ob ich nicht selber welche bekomme. Einige Zigarrenkistendeckel und dünnes Holz von deinen Eierkistchen habe ich schon aufgehoben.
Ich glaube, dass Jörg später schon zum Friseur gehen wird, ohne viel drum herum zu machen, aber jetzt ist es ihm so bequemer und einfacher. Vor allen Dingen will er doch nicht warten. Meist Du, da bin ich beleidigt, wenn Du schreibst, ich würde Jörg schon jedes Haar einzeln rausziehen? Deswegen gebe ich das Haareschneiden nicht auf. Ich kenn Dich doch und weiß, wie gerne Du mich mal fuchst. Das ärgert mich gar nicht. (Ätsch!)
An Erna muss ich in den nächsten Tagen schreiben. Ich hatte jetzt in letzter Zeit gar keine Lust. Es war so eine schwere Zeit. Vor allem die unverhoffte Nachricht vom Heldentod Kurt´s, und dann auch Stalingrad. Was soll man da so schreiben. Ich habe nicht die Gabe, mich da mit Menschen, die mir doch nicht so nahe stehen, auszusprechen.
Nun mein lieber Ernst, ist es Zeit geworden, dass ich mich auf den Weg mache. Jörg muss nachher noch in die Stadt zu Tengelmann gehen und Butter holen und Helga muss nach der Schule noch 2 Brote einkaufen. Sie müssen mich eben jetzt in dieser Beziehung unterstützen.
Sei für heute wieder ganz, ganz herzlich gegrüßt und ganz fest geküsst von Deiner Annie.
Dir hat es auch so wehgetan, dass die Soldaten von Stalingrad so heldenhaft sterben mussten. Mir geht es auch jetzt noch so und wenn man manchmal in den Leistungen nachlassen will, so denkt man immer daran und sieht daraus, wie wenig man doch eigentlich tut. Es spornt immer wieder an.
Es freut mich, dass Du mit meinem Schürzenkauf einverstanden bist. Ich werde sie bestimmt noch gut brauchen können, vor allem im Sommer, wenn es sehr heiß ist.
Für Vater führe ich jetzt manche Aufträge aus. Mit dem Stricken der zweiten paar Strümpfe bin ich bisher noch nicht weiter gekommen, denn Vater hat immer noch nicht die Wolle rausgesucht. Du brauchst auch keine Angst zu haben, dass ich mich überanstrenge. Wohl sind die Tage bis zum Abend mit Arbeit ausgefüllt, aber ich denke, dass ich es schonleisten kann. Weißt Du, ich habe jetzt einfach keine Ruhe zum Nichtstun, es treibt mich immer wieder weiter. Ich muss etwas schaffen. Das müssen ja so viele andere auch und die haben´s noch schwerer. Ich konnte doch bisher noch daheim bei den Kindern sein.
Wenn Vater auch nicht mehr verpflichtet ist zum Schaffen, so hat er doch auch gesagt, dass er so lange arbeiten will, wie es geht. In einem bist Du im Irrtum. Vater wird bei St(romeyer) nicht mit Facharbeiten beschäftigt, sondern mit den anderen, nicht so schweren Sachen, und ich schrieb dir ja schon einmal, dass es Vater an sich jetzt gleich ist, was er tut. Gestern hat Vater übrigens auch wieder ganz vernünftig geredet. Das vorherige Gerede war nur auf den Einfluss Paula zurückzuführen. Du glaubst gar nicht, wie ich schon wieder genug von ihr habe. Sie hat noch manches geredet, aber davon erzähl ich Dir später lieber.
Mit der Laubsäge hat Jörg schon verschiedene Sachen für sich gebastelt. Er hat ein Sägeblatt vom Walter geschenkt bekommen. Ich muss jetzt aber mal zusehen, ob ich nicht selber welche bekomme. Einige Zigarrenkistendeckel und dünnes Holz von deinen Eierkistchen habe ich schon aufgehoben.
Ich glaube, dass Jörg später schon zum Friseur gehen wird, ohne viel drum herum zu machen, aber jetzt ist es ihm so bequemer und einfacher. Vor allen Dingen will er doch nicht warten. Meist Du, da bin ich beleidigt, wenn Du schreibst, ich würde Jörg schon jedes Haar einzeln rausziehen? Deswegen gebe ich das Haareschneiden nicht auf. Ich kenn Dich doch und weiß, wie gerne Du mich mal fuchst. Das ärgert mich gar nicht. (Ätsch!)
An Erna muss ich in den nächsten Tagen schreiben. Ich hatte jetzt in letzter Zeit gar keine Lust. Es war so eine schwere Zeit. Vor allem die unverhoffte Nachricht vom Heldentod Kurt´s, und dann auch Stalingrad. Was soll man da so schreiben. Ich habe nicht die Gabe, mich da mit Menschen, die mir doch nicht so nahe stehen, auszusprechen.
Nun mein lieber Ernst, ist es Zeit geworden, dass ich mich auf den Weg mache. Jörg muss nachher noch in die Stadt zu Tengelmann gehen und Butter holen und Helga muss nach der Schule noch 2 Brote einkaufen. Sie müssen mich eben jetzt in dieser Beziehung unterstützen.
Sei für heute wieder ganz, ganz herzlich gegrüßt und ganz fest geküsst von Deiner Annie.
Brief 518 vom 14.2.1943
Mein
liebster Mann! Konstanz, 14.2.1943
Heute
Morgen habe ich Dir einen Brief geschrieben. Da er aber so kurz geworden ist
und ich außerdem gestern nicht schreiben konnte, lässt es mir keine Ruhe, ich
muss Dir noch einen Gruß senden. Das Kopfweh, bzw. der benommene Kopf, ist
etwas besser geworden, wenn es auch noch nicht ganz vorbei ist. Da es sonst nie
so lange angehalten hat, kam mir schon der Gedanke, ob vielleicht nicht nur das
Kino, sondern auch das daran Schuld ist, dass ich gestern so hingefallen bin.
Ich hatte gar nicht mehr so daran gedacht, aber heute tut mir erst richtig die
rechte Seite weh. Ich wollte gestern zum Bäcker gehen. Als ich das Rad
hingestellt hatte und die Stufen raufgehen wollte, rutschte ich auf dem nassen
Stein aus und bin mächtig auf die Stufen hingefallen. Im ersten Moment war
mir´s ganz schwindlig.
Heute
Vormittag bei der Haussammlung fürs WHW fragte der Blockleiter auch, was wir
für einen Garten haben, ob wir Kunstdünger, Setzlinge, Kartoffeln brauchen. Das
wird alles notiert, und man hat dann die Gewissheit, dass man diese Sachen
bekommt. Wenn ich auch Schweinemist habe, so macht es nichts aus, wenn ich noch
Kunstdünger dazu bekomme. Bei Gemüse will ich ja Verschiedenes selbst aussäen,
aber wenn ich frühe Setzlinge bekommen kann, schadet es auch nichts. Von
Kartoffeln habe ich 30 Pfund bestellt. Ich weiß nämlich nicht, ob mir unsere
auch für alle Saatkartoffeln ausreichen.
In
dem Zeitungspaket von Papa gestern waren auch Kasperleabzeichen dabei, die bei
uns noch nicht verkauft worden sind. Es war ein Krokodil, 1 Pferd, König,
Königin, Schutzmann, Gretel, Großmutter und der Seppel. Da haben sich die
Kinder aus der Mehltüte und einem großen Briefumschlag von Dir je ein
Kaspertheater gemacht. In den Umschlag haben sie 4 zusammengenagelte
Holzleisten gesteckt, damit das Ganze steht. Dann haben sie eine Bühne
ausgeschnitten und alles bemalt. Dann haben sie die Figuren an der Anstecknadel
auf eine Gabel gespießt und haben gespielt. Außer den Abzeichen hatte Papa noch
je ein Notizbuch für die Kinder mitgeschickt. Das kannst Du Dir denken, dass
sie sich gefreut haben. Da hat Helga vor allen Dingen gleich ihren Stundenplan
reingeschrieben, danach den Zugfahrplan und dann den Omnibusfahrplan. Sie
meinte, das müsste sie wissen. Jörg hat heute wieder ein Geschäft gemacht. Er
hatte einen alten Kalender von 1936, den hat er für 50 Pfg. an den Richard verkauft.
Die Kinder von Büsings haben ja überhaupt immer viel Geld in den Händen. Vor
kurzem, als ich Jörg bei Tengelmann für die Kinder einige Waffeln mitbringen
ließ (ich meine für sich und für Helga), als er mir Butter holte, durfte sich
Richard von seiner Mutter aus auch einige kaufen. Da hat sie ihm einfach 20 Mk.
mitgegeben. Als wir gestern mit dem Omnibus in die Stadt fuhren, war die Gardie
auch drin und hatte gleich wieder 5 Mk. mit. Und dann kaufen sie sich immer
alles, was es nur gibt. Ich höre es doch immer wieder von Jörg. Da heißt es
auch immer wieder “Richard will mir für das und das 10 Pfg. oder 20 Pfg.
geben.“ Ich muss immer Obacht geben, dass Jörg nicht auch angestiftet wird,
nichts mehr zu sparen. Die 50 Pfg. , die er sich heute verdient hat, wollte er
auch nicht gern in die Sparbüchse tun. Ich habe nichts dazu gesagt, aber heute
Abend siegte doch seine Sparsamkeit und er hat das Geld mit Helga geteilt und
beide haben es in die Sparbüchse getan. Da war er doch wieder ein ganz lieber
Kerl, nicht wahr? Im Nähen habe ich mich auch schon wiederholt gefreut. Ich bin
ja manchmal mit dem Folgen noch nicht ganz zufrieden, aber draußen betragen sie
sich immer gut. Schon verschiedene Male haben mir die Frauen gesagt „Das sind
nette Kinder, die sindgut erzogen, das merkt man gleich.“ Das freut mich dann
doch sehr.
Kannst
Du Dich noch an die Kapuze erinnern, die Du immer als Nikolaus aufgesetzt hast?
Die hat jetzt einen anderen Platz gefunden, wo sie gute Dienste leisten kann.
Wir haben die Spitze weggemacht und haben sie rund genäht, so wie meine Mütze
am blauen Regenmantel ist. So abgeändert habe ich sie an Helgas Mantel
angeknöpft und es sieht jetzt ganz modern aus. Helga ist auch mächtig stolz.
Heute
kam im Volkskonzert das Lied „Wohlan die Zeit ist kommen“ vor. Da ist mir so
manche Erinnerung an früher gekommen. Wie oft haben wir das Lied doch gesungen?
Auch an manches Andere habe ich gleich dabei gedacht. Weißt Du noch, wo wir mal
den Ernst Gottschalk (?) besuchen wollten? Wie uns da seine Mutter abgefertigt
hat und wie wir dann in der Kälte im Wald noch photografiert haben? Dann kam
mir auch in Erinnerung, wie wir manchmal so über Äcker gelaufen sind und dann
die Schuhe dick voll Erde hatten. Es war doch auch eine schöne Zeit. Es ist
komisch, was einem so bei einem Lied alles einfallen kann.
Während ich jetzt schreibe, hat Helga gerade abgewaschen und Jörg ist jetzt noch dabei, abzutrocknen. Sie wollen nämlich nachher noch den Brief mit wegschaffen. Wir haben heute wieder einen ganz klaren Abend, da ist es draußen so schön. Wir schauen uns immer den Großen Wagen an und denken dabei an Dich.
Viel geschafft habe ich heute nicht, nur die bunten Sachen von der vergangenen Woche die wir heute ausgezogen haben, habe ich gewaschen. Morgen Vormittag kann ich sie vielleicht schon bügeln und bin so fertig, wenn ich dann zum Nähen gehe. Am Nachmittag habe ich heute ein Bisschen gelesen.
Auch heute heißt es wieder im Wehrmachtsbericht, dass dort, wo Du bisher warst, schwere Kämpfe im Gange sind. Hoffentlich bist Du nicht mehr dort.
Mein liebster Mann, bleib gesund und lass Dich herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.
Während ich jetzt schreibe, hat Helga gerade abgewaschen und Jörg ist jetzt noch dabei, abzutrocknen. Sie wollen nämlich nachher noch den Brief mit wegschaffen. Wir haben heute wieder einen ganz klaren Abend, da ist es draußen so schön. Wir schauen uns immer den Großen Wagen an und denken dabei an Dich.
Viel geschafft habe ich heute nicht, nur die bunten Sachen von der vergangenen Woche die wir heute ausgezogen haben, habe ich gewaschen. Morgen Vormittag kann ich sie vielleicht schon bügeln und bin so fertig, wenn ich dann zum Nähen gehe. Am Nachmittag habe ich heute ein Bisschen gelesen.
Auch heute heißt es wieder im Wehrmachtsbericht, dass dort, wo Du bisher warst, schwere Kämpfe im Gange sind. Hoffentlich bist Du nicht mehr dort.
Mein liebster Mann, bleib gesund und lass Dich herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.
Brief 517 vom 14.2.1943
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 14.2.1943
Eigentlich
wollte ich Dir schon gestern Abend schreiben. Aber wegen meiner Kopfschmerzen
ist nichts daraus geworden. Wir waren, wie ich Dir schon geschrieben habe, im
Kino und haben uns den Film „Die große Nummer“ nochmals angesehen. Er hat uns
auch diesmal wieder sehr gefallen. Leider hatte ich dann wieder Kopfweh, das
bis zum Abend immer schlimmer wurde. So daß ich überhaupt nichts mehr tun
konnte, sondern sogar noch vor den Kindern ins Bett gehen musste. Aber auch auf
den Kissen konnte ich kaum liegen, alles war mir zu hart. Um 11 Uhr mussten wir
leider wieder aufstehen wegen Fliegeralarm, der bist ¾ 1 dauerte. Flieger sind
aber keine hier her gekommen. Heute Morgen sind wir erst um 9 Uhr aufgestanden.
Mein lieber Ernst, nun war es doch nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme, dass ihr alles zusammengepackt habt, denn ich glaube nicht, dass ihr jetzt noch in Ch. seid, da es doch im Radio heißt, dass nördlich und östlich davon schwere Kämpfe im Gange sind. Wahrscheinlich wird es auch nicht mehr lange dauern, bis die Stadt aufgegeben wird. Wenn doch nur mal der Winter vorbei wäre, dass wir wieder bessere Aussichten hätten. Es werden ja auch wieder viele Männer eingezogen, die die Front dann verstärken. Es ist jetzt eine schwere Zeit, aber wir werden sie überwinden, ich glaube fest daran. Viele sagen, lieber einen totalen Krieg, der dann schneller entschieden ist, als ein lange Hinziehen. Wir brauchen ja jetzt in der Heimat auch nicht mehr nur zuwarten, sondern können auch unseren Teil schaffen. Wo wirst Du, mein lieber Mann, jetzt sein? Meine Gedanken sind immer bei Dir. Hoffentlich war die letzte Zeit nicht gar so schwer für Dich. Mir kommen die Briefe jetzt immer zu langsam an. Ich möchte immer wissenwie es Dir geht. Ob Du wohl jetzt von mir die Post regelmäßig, oder doch überhaupt erhältst? Vielleicht kommt morgen doch wieder Post von Dir, nachdem es jetzt einige Tage ausgesetzt hat.
Von Papa erhielt ich gestern ein Zeitungspäckchen. Er schreibt, dass er sie mir schickt, damit ich etwas Ablenkung habe, nachdem wir erst die schwere Nachricht von Kurt bekommen haben. Papa ist auch nicht ganz gesund, er hat am Morgen solche Schmerzen, dass er manchmal ganz krumm gehen muss. Außer den Zeitungen hat mir Papa noch ein Holzkästchen mit Papier für´s Klosett mitgeschickt. Er schreibt dazu, vielleicht würde ich darüber wieder einmal lachen können, aber er dächte eben auch daran, dass wir auch sowas brauchen könnten. Weiteres Papier stände jederzeit zur Verfügung.
Ich kann heute wieder nicht viel schreiben. Mir ist von gestern Abend von den Kopfschmerzen, noch jetzt ganz benommen. Weißt Du, als wenn man nach einer Krankheit aufsteht, so ein Bisschen schwindlig. Ich will mich heute Nachmittag richtig ausruhen, damit mir´s Morgen wieder ganz gut ist. Nächstes Mal, wenn ich mal wieder ins Kino gehe, nehme ich die Sonnenbrille mit, mal sehen, ob es da besser geht. Mir ist der Film immer zu hell. Er blendet mich.
Mein lieber Ernst, nun war es doch nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme, dass ihr alles zusammengepackt habt, denn ich glaube nicht, dass ihr jetzt noch in Ch. seid, da es doch im Radio heißt, dass nördlich und östlich davon schwere Kämpfe im Gange sind. Wahrscheinlich wird es auch nicht mehr lange dauern, bis die Stadt aufgegeben wird. Wenn doch nur mal der Winter vorbei wäre, dass wir wieder bessere Aussichten hätten. Es werden ja auch wieder viele Männer eingezogen, die die Front dann verstärken. Es ist jetzt eine schwere Zeit, aber wir werden sie überwinden, ich glaube fest daran. Viele sagen, lieber einen totalen Krieg, der dann schneller entschieden ist, als ein lange Hinziehen. Wir brauchen ja jetzt in der Heimat auch nicht mehr nur zuwarten, sondern können auch unseren Teil schaffen. Wo wirst Du, mein lieber Mann, jetzt sein? Meine Gedanken sind immer bei Dir. Hoffentlich war die letzte Zeit nicht gar so schwer für Dich. Mir kommen die Briefe jetzt immer zu langsam an. Ich möchte immer wissenwie es Dir geht. Ob Du wohl jetzt von mir die Post regelmäßig, oder doch überhaupt erhältst? Vielleicht kommt morgen doch wieder Post von Dir, nachdem es jetzt einige Tage ausgesetzt hat.
Von Papa erhielt ich gestern ein Zeitungspäckchen. Er schreibt, dass er sie mir schickt, damit ich etwas Ablenkung habe, nachdem wir erst die schwere Nachricht von Kurt bekommen haben. Papa ist auch nicht ganz gesund, er hat am Morgen solche Schmerzen, dass er manchmal ganz krumm gehen muss. Außer den Zeitungen hat mir Papa noch ein Holzkästchen mit Papier für´s Klosett mitgeschickt. Er schreibt dazu, vielleicht würde ich darüber wieder einmal lachen können, aber er dächte eben auch daran, dass wir auch sowas brauchen könnten. Weiteres Papier stände jederzeit zur Verfügung.
Ich kann heute wieder nicht viel schreiben. Mir ist von gestern Abend von den Kopfschmerzen, noch jetzt ganz benommen. Weißt Du, als wenn man nach einer Krankheit aufsteht, so ein Bisschen schwindlig. Ich will mich heute Nachmittag richtig ausruhen, damit mir´s Morgen wieder ganz gut ist. Nächstes Mal, wenn ich mal wieder ins Kino gehe, nehme ich die Sonnenbrille mit, mal sehen, ob es da besser geht. Mir ist der Film immer zu hell. Er blendet mich.
Dienstag, 13. Februar 2018
Brief 516 vom 12./13.02.1943
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 12.2.1943
Gestern
habe ich es doch einmal gepackt und bin zeitig ins Bett gegangen. Fein habe ich
ausschlafen können. Am Vormittag bin ich heute in die Stadt gefahren. Vor allen
Dingen habe ich die Danksagung bei der Zeitung aufgegeben. Es sind viele Karten
gekommen, und es würde viel Arbeit machen, sie alle einzeln zu beantworten. So
ist es besser. Man konnte mir aber nicht genau versprechen, ob sie morgen in
die Zeitung kommt. Sonst am Montag.
Ich
bin dann zurück gefahren und habe Verschiedenes eingekauft. Vor allem habe ich
mich auf dem Hindenburgplatz nach Fisch angestellt. Es gab pro Person 1 Dose
norwegische Sprotten in Öl und Tomaten.
Am
Nachmittag war ich daheim und habe gebacken, etwas Kleingebäck zum Aufheben,
damit ich immer etwas da habe. Die Kinder waren beim Turnen. Erst wollte sich
Jörg ja wieder drücken, aber dann haben sie den Richard überredet, dass er auch
mit Turnen geht. Da sind sie dann zu Dritt losgezogen. Wenn Jörg weiß, dass der
Richard nicht spielen kann, wenn er turnen gehen muss, ist es natürlich gleich
was anderes. Da ist das Turnen wieder schön.
Gestern
waren wir wieder Schwimmen. Das war fein. Nur kam mir das Wasser gestern
ziemlich kühl vor. Da habe ich mich zum Schluss nochmals unter die heiße Dusche
gestellt, bis ich ganz durchwärmt war.
13.2.1943
Bevor
ich nachher fortfahre, will ich noch fertig schreiben. Die Danksagung ist heute
doch in der Zeitung drin. Ich will sehen, dass ich nochmal eine Zeitung
bekomme, dann schneide ich Dir die Danksagung raus und schicke sie mit.
Heute
Nacht hat es ganz schlimm gestürmt und geregnet. Wenn dieses Wetter an die
Ostfront kommt, so erschwert das die Kampfhandlungen auch wieder sehr. Was doch Soldaten alles aushalten müssen. Die
Kämpfe müssen ja jetzt furchtbar schwer sein.
Nun
muss ich leider schon mit schreiben aufhören. Ich muss schnell in die Stadt
fahren, damit ich bis 9 Uhr, wo Jörg in die Schule muss, wieder daheim bin. Der
Installateur hatte mir vorgestern versprochen, gestern Morgen würden sie den
Drücker für das Klosett wieder bringen. Aber nichts war´s. Da muss ich nun auch
heute den ganzen Vormittag wieder daheim bleiben. Für heute Nachmittag haben
mich die Kinder gebeten, dass ich nochmals mit ihnen in den Film „Die große
Nummer“ gehe. Leider bekomme ich nachmittags keine Zeitung und kein Fleisch
mehr, sonst brauchte ich jetzt gar nicht wegfahren. Aber zum Sonntag wollen wir
doch ein wenig Fleisch haben.
Brief 515 vom 11.02.1943
Mein liebster Ernst! Konstanz, 11.2.43
Mit dem zeitig schlafen gehen, wie ich es vorhatte, ist es leider
gestern wieder nichts geworden. Als ich kurz nach 8 Uhr bald mit dem Brief an
Papa fertig war und dann ins Bett gehen wollte, klingelte es und Vater kam. Er
hatte vorgestern vergessen, mir zu sagen, dass Nanni eine Zeitung mit der
Anzeige für Kurt mitnehmen wollte. Deswegen kam er extra. Das wäre doch nicht
so schlimm gewesen. Lubmin liegt ja nicht aus der Welt. Da hätte man sie eben
hingeschickt. Vater hat dann noch Zeitung gelesen und mit mir gesprochen. Ich
muss sagen, dass ich gestern an der Unterhaltung wenig Freude gehabt habe. Sonst
hat Vater immer so vernünftig geredet, ich habe mich in letzter Zeit wirklich gefreut, und gestern war er wie
ausgewechselt. Das kommt von Paula und Nanni her. Was er erzählt, war im Wesentlichen
dasselbe, was diese Beiden schon zu mir erzählt hatten. Da hieß es nur immer
„hätten sie, hätten sie nicht.2 Ach weißt Du, Kritik üben und schimpfen ist ja
so leicht. Bei einem hat es mir ja bald die Stimme verschlagen. Da sagte Vater:
„Hätten sie die letzten Jahre lieber keine Bauten hergestellt, sondern immer
nur gerüstet und gerüstet, das wäre besser gewesen.“ Und weißt Du noch, wie
gerade Vater immer sagte, wie viel Geld doch die Rüstung verschlingen würde,
das wäre ganz schlimm. Und wir haben drauf gesagt, lieber soll es Gelder kosten
anstatt Blut. Mit jedem, was wir mehr an Geschützen usw. hätten, sparen wir
Blut. Jetzt ist das auf einmal vergessen. Ich könnte Dir noch manches schreiben
(ich hatte es auch vorhin schon getan und habe den Brief jetzt doch lieber
zerrissen) aber sowas schreibt man lieber nicht. Davon kann ich Dir lieber
später erzählen. Aber das eine möchte ich doch noch sagen, Paula hat keine
Veranlassung, Kritik zu üben. Das können nur unsere Soldaten tun, die ja
draußen stehen müssen. In der Heimat ist auch alles gar nicht so zu übersehen.
Klug schwätzen kann schließlich jeder. Aber Schluss damit, ich ärgere mich
sonst zu sehr.
Heute Vormittag erhielt ich Dein lieben Briefe vom 24. und 28.1.,
sowie die Päckchen Nr. 8, 10 und 11 mit Zigarren, Mehl und verschiedenen
kleinen Sachen. Halt, die Butter darf ich nicht vergessen. Das ist keine kleine Sache, sondern etwas,
was mich auch sehr gefreut hat. Die Kerzen hebe ich mit auf. Du, sag mal, warum
hast Du bei dem Mehl an der Seite noch 2 kleine Brezeln von Weihnachten wieder
zurück geschickt? Sie waren ja ziemlich zerbrochen, aber sonst waren sie noch
gut. Ich dachte erst, es wäre nur Papier zum ausstopfen, aber dann merkte ich,
dass es glatt zusammen lag und etwas drin sein musste. Wahrscheinlich hast Du´s
gar nicht gemerkt, dass da noch was drin ist.
Ich habe wirklich lachen müssen, als ich las, dass es dir dort bei
dem Wasser genau so geht, wie mir hier nach dem baden. Wenn es bei Dir auch
nicht an derselben Stelle ist, wie bei mir, so hast Du doch nun auch gemerkt,
wie unangenehm das ist. Nach dem baden im Hallenbad bin ich übrigens nicht mehr
so geplagt.
Dass ich nun meinen eigenen Schneeschipper habe, darüber freue ich
mich wirklich. Das borgen ist scheußlich. Bei dem Besen, den ich schon zum
schneewegmachen verwendet habe, meine ich natürlich den harten Besen, den ich
sonst für den Vorraum oder den Hof verwende, nicht etwa den Stubenbesen.
Ich bin wirklich froh, dass Du so einverstanden bist, dass ich
nähen gehe. Ich hätte auch wirklich keine Ruhe zuhause. Vor allen Dingen jetzt,
wo die Zeit so schwer ist und viele Hände gebraucht werden. Weißt Du, nach
denen, die noch zurückstehen, kann man sich ja nicht richten. Wenn ihr das als
Soldaten machen würdet, kämen wir ja auch nicht weit. Da tut ja auch jeder sein
bestes. Die anderen Frauen wird man jetzt schon auch noch holen. Weißt Du, wenn
ein Kollege von Dir meint, seine Frau könnte den Haushalt mit 2 Kindern nicht
machen, wenn auch noch die Mutter da ist, so ist das, meines Erachtens,
Einbildung. Aber es gibt eben manche Frauen, die können dem Mann so viel
vorbarmen, dass er es zuletzt selber glaubt. Aber zu denen will ich nicht
gehören. Ich will auch meinen Teil schaffen, soweit ich irgend kann.
Du Deutest in dem einen Brief an, dass ihr vielleicht dort fort
kommt. Vielleicht ist dieser Umstand schon eingetreten, denn die Kämpfe müssen
ja in nächster Nähe sein. Aus einer Karte, die heute in der Zeitung war, ist es
ersichtlich. Mir ist es schon seit einiger Zeit so schwer ums Herz. Hoffentlich
bist Du ganz gesund und es geht Dir soweit gut. Ich wäre so froh. Ich denke ja
immer an Dich.
Hoffentlich hast Du das Päckchen mit dem Gebäck und mit den
anderen Sachen erhalten. Ich könnte Dir bald wieder etwas schicken, aber es
sind ja nur 100g-Päckchen frei, das sind meist nur 3-4 Stück. Mal sehen, wie man es machen kann.
Meinst Du, dass Papa das Gedicht, das ich Dir einmal mitgeschickt
habe, selber gemacht hat? Ich meine, er hat es irgendwo abgeschrieben.
Gerade angenehm ist Vater das Schaffen bei Stomeyer nicht. Aber er
hat jetzt nicht so schwere Arbeit. Dass er nicht als Facharbeiter beschäftigt
ist, ist wegen des Geldes unangenehm. Aber Vater sagt, er macht eben jetzt im
Kriege, was geht. Alles wäre ja wichtig. Darin muss ich ihm ja Recht geben. Bei
seiner letzten Stelle hatten sie auch Hilfsarbeiter hingeschrieben und als er
meinte, er sie doch als Schreiner angestellt worden, so sagte der Mann, das
könne er nicht hinschreiben, denn Modellschreiner sei etwas anderes, als
Schreiner. In seinem Alter sei er auch keine volle Arbeitskraft mehr. Vater
sagte, dass es ihm nicht mehr so schnell von der Hand ginge, das sähe er ein.
(Das hat er nur zu mir, nicht zu dem Mann gesagt!) Man merkt schon an manchem,
dass Vater älter wird. Gerade jetzt, wo er verschiedene Formulare auszufüllen
hatte, kam er immer wieder durcheinander, wo er dies und jenes Formular
hinbringen muss, trotzdem ich es ihm öfter erklärt habe. Das Gedächtnis lässt
eben doch nach. Vater sieht es ja auch ein.
Das kleine Regal für den Küchenschrank hat mir wirklich Freude
gemacht. Für Deinen Glückwunsch zum Gelingen danke ich Dir. Ich bin bestimmt
froh, dass ich mir in vielen Sachen selber helfen kann. Gerade gestern kam
Helga ganz verwundert heim, dass bei ihrer Schulkameradin die Schuhe gleich zum
Schuhmacher geschafft werden müssen, wenn nur ein paar Nägel fehlen oder
rausstehen. Das brauchen wir doch wenigstens nicht.
Schiebungen kommen hier schon noch vor, aber wenn man sie
erwischt, dann folgen auch harte Strafen. Du hast Recht, wir haben gar keine
Verbindungen und wären auch nicht dazu geeignet, solche Schiebungen
mitzumachen. Ich müsste mich vor mir selber schämen.
Ich schicke Dir anbei noch den Durchschlag meines Briefes an Papa
mit.
Nun lass mich schließen. Es ist jetzt gleich Mittagszeit. Heute
gibt es Kartoffelstückchen. Gestern hatten wir Tomaten suppe, Eierkuchen.
Mein lieber Ernst, bleib gesund und sei recht herzlich gegrüßt und
viel, vielmals geküsst von Deiner Annie.
Brief 514 vom 10.02.1943
Lieber, guter Ernst! Konstanz, 10.2.43
Gestern, nachdem ich den Brief an Dich fertig geschrieben hatte,
wartete ich auf die Kinder, damit wir essen konnten, denn ich wollte ja zeitig
zum Nähen gehen, damit ich auch was Richtiges schaffe. Wenn ich erst gegen ½ 3
Uhr fort komme, bekomme ich nicht einmal 3 Stück richtig fertig. Helga war bald
daheim, aber auf Jörg warteten wir lange vergeblich. Endlich entschlossen wir
uns, allein zu essen, was wir auch getan haben. Gegen ½ 2 kam er endlich an und
war ziemlich erbost, dass wir schon gegessen hatten. Ich habe ihm aber zu
verstehen gegeben, dass er froh sein kann, dass ich ihn nicht verwichse, denn
ich habe es ihm ein paar Mal gesagt, er soll schnell heimkommen. So hat er
schnell allein gegessen und dann sind wir zusammen fort gegangen. In der
Nähstube ist es immer gemütlich warm, sodass man es schon aushalten kann. Auch
die Kinder haben Platz, wo sie lesen oder spielen können. Wenn sie wollen,
können sie auch auf die Straße zum Spielen gehen. Helga und Jörg haben eine
Schulkameradin bzw. Schulkameraden in der Nähe wohnen. Gestern war ich nun
schon um 2 Uhr beim Nähen und habe bis 6 Uhr sogar 4 Stück fertig bekommen, was
mich froh gemacht hat. Wenn man zeitig kommt, sind noch nicht so sehr viele
Frauen da und man bekommt noch eine Fußbank. Das ist wichtig, da man da viel
schneller nähen kann und sich nicht so runterbücken braucht.
Während des Nähens ist Helga zur Zahnfabrik gegangen und hat die
Abschrift der Benachrichtigung der Truppe zum Antrag für die Arbeitsfront
hingebracht. Nach dem Nähen sind wir zu Vater hingegangen. Wir trafen ich
gerade noch auf der Straße. Ich sagte ihm, dass ich ihm die Formulare von der
Kriegsopferversorgung bringen wollte. Er meinte, er habe jetzt gar keine Zeit,
da er noch schnell Brot holen müsste. Ich sagte ihm, dass er von mir eins haben
könnte. Er war damit einverstanden und meinte, er käme später rauf. Vorher
müsste er noch zu Paula, da Nanni heute wegfahren würde. Wir sind dann
heimgegangen, haben gegessen und die Kinder sind ins Bett gegangen. Ich war
auch sehr müd und bin am Tisch etwas eingeschlafen. Gegen 10 Uhr kam dann
Vater. Der Besuch bei Paula wäre gar nicht so eilig gewesen, denn Nanni bleibt
doch noch einige Tage da. Ich habe dann Vater die Formulare mit der Maschine
ausgefüllt, habe noch einen Brief an die SS für ihn geschrieben, auch dafür ein
Formular ausgefüllt und zuletzt haben wir die Danksagung für die Zeitung
aufgesetzt. Von der SS will nämlich einer bei Vater vorsprechen. Er war schon
am vergangenen Donnerstag da und wollte diesen wieder kommen. Vater hat nun
geschrieben, wenn er meint, dass ich die Fragen beantworten könnte, sollte er
zu mir hierher kommen, andernfalls sei er am Samstagnachmittag oder Sonntag zu
sprechen. Von Frau Frick hat Vater auch einen Brief erhalten, nachdem er ihr
geschrieben hatte. Sie hat sehr nett geschrieben, wie sie sich freut, dass sie
manches an Kurt tun konnte, denn sie habe ihn sehr gern gehabt. Sie schreibt
auch, in einer Beziehung sei ja der Wunsch von Kurt erfüllt, denn sie hätten
sich öfter darüber gestritten, weil er immer meinte, lieber wollte er gleich
tot, als ein Krüppel sein. Frau Frick meint dann noch, da nun Kurt gefallen
sei, wollten sie sich doch nicht mehr ganz fremd werden und sie würde sich
freuen, wenn sie Vater in dieser schweren Zeit ab und zu einmal etwas zukommen
lassen könnte.
Von Paula erzählte Vater, dass sie zu ihm gesagt hat, wenn seine
Kartoffeln nicht langen sollten, so könnte er von ihr welche haben, denn sie
bekäme von ihren Verwandten welche.
Als Vater gestern heimging, war es um 12 Uhr. Da bin ich aber dann
gleich schlafen gegangen. Wenn es halbwegs möglich ist, gehe ich heute Abend
bald ins Bett.
Vorhin war der Briefträger gerade da und brachte mir Deinen lieben
Brief vom 15.1. Der ist aber lange
unterwegs gewesen. Außerdem kam noch der große Brief mit Schreibpapier und die
Päckchen Nr. 3 und 9 mit Fisch, Haut-Öl, dem Kerzenhalter, einem Buch und dem
Mehl. Ganz fest habe ich mich über alles gefreut und danke Dir sehr. Den
Kerzenhalter hebe ich selbstverständlich auf, denn es ist doch auch eine
Erinnerung für Dich.
Es freut mich, dass Dir der Pullover, den ich Dir vor so langer
Zeit gestrickt habe, doch noch gute Dienste tut. Du hast Recht, als ich Dir
damals für den Honig dankte, hatte ich ihn noch nicht. Aber inzwischen ist er
ja eingetroffen und ich hatte eine doppelte Freude, erstens als Du mir davon
schriebst, und dann, als ich ihn hatte. Und bei dem Honig, den Du einem
Kameraden mitgegeben hattest, war ich ja doppelt froh, als ich ihn ausgehändigt
bekam, und zwar ohne Zoll. Fein ist der Honig, das haben wir schon gemerkt,
wenn wir auch noch wenig davon gegessen haben, denn so etwas muss man noch
aufheben und gut einteilen.
Die Zeitungen für Dich kann ich leider nicht woanders bestellen.
Ich hatte schon mal gefragt. Die Geschäfte und auch der Kiosk am Bahnhof nehmen
keine neuen Bestellungen an. Da bin ich darauf angewiesen, ob ich gerade eine
erwische. Da ist es mir so, wie es jetzt ist, schon lieber. Den kleinen Ärger
nimmt man dann eben mit in Kauf.
Die Schirme, die ich reparieren ließ, sind die, die Du einmal vom
Amt kaufen konntest. Wir haben ja drei Stück. Der eine ist noch sehr gut und
braucht auch nicht repariert zu werden, und die andern beiden halten jetzt
wieder eine ganze Weile. Ihren Preis haben sie schon lange abgegolten. Wir sind
auch schon manchmal froh drum gewesen, dass wir sie hatten.
Heute Morgen war ich Brot kaufen, und alte Mehlmarken von Vater in
neue umtauschen. Dann bin ich gleich mit zum Kohlenhändler gegangen und habe
meine restlichen 14 Zentner Brikett bestellt. Sie werden mir nächste Woche
gebracht. Ich hatte bisher in diesem Winter nur 15 Zentner bezogen, sodass ich
noch die 14 Zentner zugute hatte. Da es in der Zeitung stand, dass nächstes
Jahr die Lieferungen gekürzt werden, nehme ich sie alle und hebe sie auf. Ich
habe sie bisher ja auch gut eingeteilt und keine verschwendet. Die Küche hatten
wir ja immer schön warm.
Die Flaschen, in denen Du den letzten Honig geschickt hast,
benutze ich jetzt als Milchflasche. So etwas Ähnliches werden sie
wahrscheinlich auch gewesen sein.
Ich habe noch was vergessen. Vater sprach gestern noch wegen dem
Stein für das Grab Deiner Mutter. Ich sollte an Papa schreiben, ob er
vielleicht zwei kleinere Steine für Deine Mutter und Deinen Bruder besorgen,
bzw. bestellen kann. Auf dem Stein Deiner Mutter soll noch drauf stehen „Zur
Erinnerung an unseren im Osten am 16.1.1943 gefallenen Sohn und Bruder Kurt
Rosche“. Genau den Wortlaut weiß ich nicht mehr. Vorher soll sich Papa aber
erkundigen, wie oft man noch die Gräber erneuern kann. 1935 bzw. 1937 sind sie
zum zweiten Mal erneuert worden. Ich werde vielleicht noch heute Abend gleich
schreiben, denn heute Nachmittag gehe ich doch nochmals nähen.
Nun, mein liebster Ernst, mein lieber, guter Mann, bleib gesund
und denke immer an uns. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von deiner
Annie.
Brief 513 vom 8./9.2.1943
Mein liebster Mann Konstanz,den 8.2.43
Eigentlich
hatte ich heute vor, nähen zu gehen.
Es ist aber nichts daraus
geworden. Wir hatten schon immer gesagt, wenn der Film "Die grosse
Nummer" kommt, gehen wir bestimmt hin, wenn er
Jugendfrei ist. Das war nun der Fall.
Am
Montag hat ja Helga sonst
nachmittags Schule. Da aber die Lehrerin noch erkältet ist, fiel sie aus. Da
haben mich nun die Kinder
gequält, dass wir heute schon in den Film gehen. Mir ist es ja schliesslich
gleich, heute oder morgen. So haben wir uns denn auf den Weg
gemacht. Wir haben es bestimmt nicht
bereuen müssen. Es ist ein
Zirkusfilm, mit Tiger- und Löwengruppen.
Hoffentlich kommt der auch
mal zu Euch. Den musst Du Dir ansehen. Das Kino war auch gedrängt
voll. Wenn die Kinder allein gegangen wären, wären sie nicht mehr
reingekommen. Es sind viele ab-
gewiesen worden.
Ehe wir fortgingen kam nochmals die Frau von der
Kriegsopferversorgung. Vater ist am Samstag nicht
hingegangen. Nun habe ich einen Zettel ausgefüllt und 2 andere
Formulare habe ich für Vater
bekommen, die er ausfüllen und nachher nach der Robert
Wagnerstrasse bringen muss. Montags -und
Donnerstags von. 6-7 Uhr
haben sie Sprechstunde. Herr Wolf sei auch immer da. Bei den Formularen
für Vater handelt es sich um die Elterngabe von 300 Mk. Bei den
anderen Sachen handelt es sich
darum, dass Vater, wenn er einmal krank oder nicht mehr
arbeitsfähig ist, Antrag auf Gewährung einer
Beihilfe stellen kann, wenn sein Einkommen nicht 100Mk übersteigt.
Er bekäme das dann als Beihilfe
anstelle der Unterstützung, die ihm Kurt evtl. gegeben hätte. Am liebsten würde Vater ja auf das
alles verzichten. Aber
andererseits freut es mich dass die Leute extra deswegen kommen, denn Vater
hatte schon einmal von einem Arbeitskameraden erzählt, dessen Sohn
gefallen war. Ihm hätte man die
Unterstützung nicht gegeben. Ich sagte zu Vater, dass die genauen
Bestimmungen darüber ja erst
einige Tage nachher herausgekommen sind und dass danach der Mann
erst den Antrag stellen
müsste. Aber Vater meinte, das sei ja alles Schwindel. Vielleicht
sieht er jetzt doch, dass es nicht so ist.
Morgen und übermorgen Nachmittag gehe ich aber bestimmt nähen. Ich
will nichts versäumen und
nicht nachlässig werden. Heute Morgen habe ich zu hause mit der
Maschine genäht, bzw.
ausgebessert. Morgen muss ich mich auch noch eine Weile
dransetzen. - Heute hatte es nach längerer
Zeit wieder einmal ein wenig geschneit. Aber bis heute Abend war
alles wieder getaut und auch
getrocknet. - Jörg hat heute seine Lehrerin wegen der Zensur und
Führung und Haltung gefragt. Sie
hatte vergessen, sie einzuschreiben, Er hat "gut"
Du Ernst, was meinst Du dazu. Ich habe noch ein paar weisse Bohnen
da. Erst wollte ich ja Erna
welche schicken, aber die
kann sie doch jetzt nicht so gut essen. Da dachte ich, ich wollte sie mit
etwas Kakao dazu. den ich übrig habe, an Papa schicken. Es tut mir
leid. dass er jetzt so viel
abgenommen hat.
Erst jetzt, nachdem Erna
nicht mehr dort ist und er also auch nichts mehr von den Sachen erhält, die
Siegfried manchmal mitgebracht hat, wird er merken, dass es jetzt
knapper zugeht. Ich glaube, früher
hat er es immer als selbstverständlich angenommen, dass immer
genügend da ist. Denn wie mir Erna
bei ihrem Hiersein sagte, hat sie ja manchmal von ihren Sachen
etwas gegeben, nur
dass sie eben nichts so offen hingestellt hat, was ja Papa erbost
hatte. Schreib mir also mal, was Du denkst, obich was schicken kann.
9.2.
Siehst Du, lieber Ernst nun bin ich gestern Abend doch nicht mit
schreiben fertig geworden. Plötzlich hat mich soder Schlaf überfallen, dass ich einfach schlafen gehen musste.
Aber nun schreibe ich jetzt gleich weiter. Da
kommt der Brief heute Nachmittag noch mit fort.
Vorhin, kam der
Briefträger und brachte mit die Päckchen Nr. 5 und 6 mit Öl und Honig und
Deinen lieben Brief vom 23.1. Aus diesem habe ich jetzt ersehen, warum Du
zusammenpacken musstest. Hoffentlich war es wirklichnur eine Vorsichtsmassnahme. Ich werde ja wieder von Dir hören. Die
vergangenen Wochen waren ja schwerund es wird wenige geben, die nicht davon berührt worden sind. Es
werden auch noch länger schwere Zeitenkommen, aber wir wollen uns nicht unterkriegen lassen.
Wir müssen einfach durchhalten, es geht ja garnicht anders.
Genau so, wie ich mich
über Deine Briefe freue, tuen es auch die Kinder mit denen, die Du ihnen
schreibst. Dufindest auch immer den richtigen Ton für sie. Ich freue mich
jedesmal mit.
Wenn die Häuser aussen ganz weiss beschlagen sind, so ist das doch
ein Zeichen (soviel ich -weiss) dass nasseSteine beim bauen verwendet worden sind. Ich hatte jedenfalls mal
so was gelesen. Die Häuser sind dann sehrkalt und auch muffig.
Das habe ich schon .oft gemerkt, dass Du Dich freust, uns etwas
schicken zu können. Und glaub mir, Ernst, ichfreue mich auch jedesmal ganz fest. Leider kann ich es Dir ja
immer nur so schreiben. Aber aus jeder
Sendung spüre ich ja Deine Sorge und Liebe. Denn dass Dir die Sachen nicht
einfach in den Schoss fallen, das kann ichMir auch denken. Da hast Du bestimmt manche Mühe damit. Du bist
wirklich ein lieber, lieber Mann.
Wenn ich geschrieben habe, dass Du in einem Brief frech gewesen
bist, so habe ich das wirklich nicht ernsthaftgemeint. D.h. ein bißl frech warst Du ja schon, aber ich kenne
Dich doch und nehme das nicht krumm. Du meinstes ja auch garnicht so ernsthaft. Also da mach Dir nur mal keine
Sorgen darüber, Eine Notgemeinschaft mit Jörgbrauchst Du bestimmt nicht eingehen, das "Bürschle" war
doch eine halbe Liebkosung. Aber ich muss schonsagen, Du bist ein netter "reuiger Sünder". Du meinst,
wenn Du nun einmal büßen musst, kannst Du ruhig noch einmal ein bißchen frech
werden. 0 Du (lieber) frecher Kerl.
Nun muss ich wirklich schliessen. Zwischendurch habe ich schon das
Essen mit fertig gemacht und jetzt –
werden bald die Kinder heim kommen. Da soll das Essen fertig sein,
denn ich will bald nähen gehen.
Lass Dich recht herzlich grüssen und ganz fest küssen von
Deiner Annie
Montag, 5. Februar 2018
Brief 512 vom 01.02.1943
Liebster, bester Ernst! Konstanz, 1.2.43
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 26.1., dem der
Brief an Jörg mit den 5 Mk. beilag. Jörg hat sich sehr über sein
„selbstverdientes „ Geld gefreut. Er wird Dir sicher bald schreiben. Auch der
Brief hat ihm gefallen.
Du schreibst, dass Du ein Päckchen Nr.13 fertig gemacht
hast. Aus Deinen Briefen, die ich bisher erhielt (es fehlen ja noch manche)
weiß ich erst, Dass Du ein Päckchen Nr. 7 zuletzt weggeschickt hast. Nun bist
Du schon bei Nr.13. Ich sehe immer wieder, dass Du Dir so große Mühe gibst,
etwas für uns zu erhalten. Ich kann Dir gar nicht genug danken. Du bist doch
ein so lieber Mann.
Nun möchte ich Dir noch von gestern Abend und heute
erzählen. Gegen ½ 6 Uhr kam Vater und ging dann gleich zur Paula, die ihn doch
darum gebeten hatte. Um 8 Uhr kam er wieder. er hatte sich mit Paula und Nanni
von Kurt unterhalten. Eine Todesanzeige hatten sie auch aufgesetzt, die wir nur
in wenigen Sachen abgeändert haben. Vater schrieb dann noch an Frau Frick.
Gegen 12 Uhr ist er heimgegangen.
Mit der Anzeige bin ich heute gleich zur Standart gefahren.
Sie hatten ihren Nachsatz schon telefonisch aufgegeben, gaben mir dann aber
doch den Zettel noch mit. Die Standart will die ganze Anzeige bezahlen. Sie gaben
mir dann noch das Sparbuch von Kurt mit, auf das die 10 Mk. monatlich Beitrag
der Standart eingezahlt waren. Dann sagten sie, dass wir den Brief, den wir von
dem Kompanieführer erhielten abschreiben sollen und die Abschrift ihnen bringen
müssen, damit sie dieselbe mit einem Antrag und dem Buch der DAF einschicken.
Weißt Du, es ist kein schönes Gefühl, wenn man von einem
Angehörigen, kaum dass er tot ist, schon Geldsachen besorgen muss. Vater würde
am liebsten auch darauf verzichten, so ist ihm das zuwider, aber ich glaube
auch wieder nicht, dass das im Sinne von Kurt wäre. Ich bin dann in die Stadt
zur Zeitung gefahren und habe die Anzeige aufgegeben. Dann bin ich auf´s
Standesamt gefahren und habe mich erkundigt, ob man das anmelden muss, wenn
jemand gefallen ist, man aber noch keine amtliche Meldung bekommen hat. Man
sagte mir dann, dass wir den Brief mit Schreibmaschine abschreiben müssen, mit
so vielen Durchschlägen, wie wir für die Krankenkasse, DAF usw. benötigen.
Diese muss ich dann zu Herrn Eisingerbringen, der sie bestätigt. Dann gelten
sie als Ausweis, denn die Bestätigung wird wahrscheinlich erst in ½ Jahr zu
erwarten sein. Es wird dann auch ein
Totenschein ausgestellt.
Es gibt doch nicht gleich etwas, was einem mehr zuwider
wäre, als die ganzen geschäftlichen Sachen, die man bei dem Tod eines
Angehörigen erledigen muss. Es ist einem gar nicht danach zumute. Es war ja
genau so, als Mama starb. Was bin ich da mit meinem Vater rumgelaufen. Und doch
möchte man von alledem am liebsten nichts hören. Es bleibt einem aber gar
nichts weiter übrig.
Als ich in der Standart war, zeigte mir Herr Ketterer noch
den Saal, in dem ½ 10 Uhr ein Betriebsappell für Kurt stattfinden sollte. Ich
muss sagen, es war mir eigenartig zumute, als ich da eintrat. Da stand das Bild
von Kurt in einem großen Rahmen mit einem eisernen Kreuz und darunter stand
„Auf dem Felde der Ehre gefallen“. Um das Bild standen Blumenstöcke. Dabei war
es so still. Es war wie bei einer Trauerfeier. Und Kurt auf dem Bild schaute so
her, sodass man ihn sich wieder richtig vorstellen konnte. Es kam einem zuerst
wieder richtig zu Bewusstsein, dass er ja nun nie wiederkommen würde.
Als ich heimfuhr, traf ich Paula. Sie fragte mich, ob ich
alles erledigt habe. Dann bat sie mich, doch einmal zu Nanni zu gehen, sie
würde sich bestimmt freuen, wenn sich jemand um sie kümmern würde. Als ich heim
kam, bin ich dann gleich runter gegangen. Der Kurtl führte mich in die Stube,
dann kam Nanni. Sie sieht so schlecht aus. Sie hat überhaupt keine Farbe mehr.
Und geweint hat sie so sehr. Es kommt ihr hart an. Sie ist doch ganz ahnungslos
hergekommen. Sie dachte, es sei etwas mit Paula. Nun musste sie das erfahren.
Sie ist aber doch froh, dass sie hier her gekommen ist. Sie sagt, sie hätte
nicht gewusst, was sie getan habe, wenn sie es bei sich zuhause erfahren hätte.
Wir haben uns dann auch lange von Kurt unterhalten. Zuletzt sind wir darauf zu
sprechen gekommen, dass es doch so schade sei, das kein Kind von ihm da sei.
Paula und Nanni meinten, und wenn es ein uneheliches gewesen wär, man hätte es
mit durchgebracht und es wäre doch noch etwas von ihm da. Das ist ja nun auch
alles zu spät.
Nanni ist so verzweifelt und sagt immer „Nichts ist mehr von
ihm da, nun ist er ganz dahin, alles ist ausgelöscht.“ Siehst Du Ernst, das
glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass ein Mensch ganz vergehen kann. Ich
glaube fest an ein Wiedersehen. Schau, wie groß ist doch das Weltall. Schon
das, was man sich ausrechnen kann, ist wunderbar genug. Ich las gerade jetzt
einmal, dass die Milchstraße 1 000 000 Lichtjahre von uns entfernt ist und aus
Welt- und Sonnensystemen besteht. Sollte in diesem großen Raum nicht irgendwo
Raum für die Menschenseele sein? Vielleicht ist die Seele, wenn sie vom Körper
befreit ist, glücklich? Wer weiß das? Ich habe hier ein ganz kleines Heft vor
mir liegen. In diesem stehen Grabinschriften. Zwei möchte ich Dir davon
aufschreiben. Auf dem Grab von Johannes Kepler, von ihm selbst verfasst:
Himmelsweiten errechnet´ ich einst
jetzt mißt mich die Grube
modert der Leib auch, so schaut selig
sein Urlicht der Geist.
Droste Hülshoff (letzte Worte)
Geliebte, wenn mein Geist geschieden
So weint mir keine Träne nach;
denn wo ich weile, dort ist Frieden,
Dort leuchtet mir ein ewger Tag!
Wo aller Erdengram verschwunden,
soll Euer Bild mir nicht vergehn,
Und Linderung für Eure Wunden,
für Euren Schmerz will ich erflehn.
Weht nächtlich seine Seraphsflügel
der Friede übers Weltenreich
So denkt nicht mehr an meinen Hügel,
denn von den Sternen grüß ich Euch.
So wollen wir´s mit unseren Toten auch halten. Sie leben ja
auch noch in unseren Gedanken.
Nun gute Nacht mein liebster Ernst, wach gesund wieder auf
und bleib immer gesund, damit wir uns wiedersehen.
Ich grüße und küsse Dich ganz herzlich, Deine Annie.
Brief 511 vom 31.01.1943
Mein liebster Ernst!
Konstanz, 31.1.43
Gestern habe ich Dir wieder nicht geschrieben. Weißt Du, der
Tod von Kurt lastet immer noch auf uns. Ich wusste gar nicht, was ich schreiben
sollte. Heute kam nach mehreren Tagen wieder ein Brief von Dir, der mich wieder
ein wenig aufgemuntert hat. Ehe ich ihn beantworte, möchte ich Dir erst noch
von gestern und heute berichten.
Gestern war ein richtiger Arbeitstag, wie immer Samstag. Am
Morgen bin ich in die Stadt gefahren, habe Geld geholt, Geld auf die Sparkasse
getan, habe eingekauft usw. Wir haben jetzt 701.- auf dem Sparbuch.
Am Nachmittag habe ich die Ansprache von Göring und Dr.
Göbbels angehört. Ich hatte vorgestern und auch gestern gedacht, Vater würde am
Abend raufkommen. Da es aber nicht geschah, bin ich gleich heute Vormittag
runter gefahren. Ehe ich mich auf den Weg machte, kam Paula rauf. Sie fragte
mich wegen einer Todesanzeige. Der Herr Ketterer aus der Zahnfabrik ist
deswegen bei ihr gewesen. In der Zahnfabrik wissen sie durch den Bräutigam
eines Fräuleins davon, dass Kurt gefallen ist. Dieser hatte geschrieben, sie
könnten es gar nicht fassen, dass Kurt nicht mehr bei ihnen sei. Er sei ein
guter Kamerad gewesen. Der Ketterer hat zur Paula gesagt, sie hätten ihn in der
Zahnfabrik ganz verkannt. Paula hat zu ihm gesagt, „Nicht wahr, Kurt war der
erste aus der Zahnfabrik, der verwundet wurde und der jetzt gefallen ist. Was
sagt denn die Killy dazu, die ihn immer so geärgert hat?“ Als er sagte, dass
sie jetzt immer krank sei, hat Paula gesagt „Sagen Sie ihr nur, das verdient
sie auch nicht anders. Sie hat dem armen Kurt schwer mitgespielt.“
Paula hat an Nanni ein Telegramm geschickt, sie sollte, wenn
es ihr möglich wäre, her kommen, Paula wäre in schwerer Sorge. Sie sagte, sie
hätte Nanni nicht schreiben können, dass Kurt gefallen sei. Sie zeigte mir eine
Karte von Nanni, die sie vor ein paar Tagen geschrieben hat. Darauf stand, sie
hätte das Paket (das ihr Paula geschickt hat) erhalten. Sie freue sich darüber,
aber sie sei so sehr in Sorge um Kurt, hoffentlich sei er noch am Leben. Es
ist, als ob sie eine Ahnung gehabt hätte. Paula sagte, Vater möchte doch bitte
einmal zu ihr hinkommen, sie hätte Verschiedenes mit ihm zu besprechen. Ich
habe es ihm dann ausgerichtet. Als ich runter kam, bin ich fast erschrocken.
Vater sah ganz weiß aus, und immer sind ihm die Tränen aus den Augen getropft. Es
hat ihn sehr schwer getroffen. Er hat sich dann eine ganze Weile mit mir
unterhalten, das hat ihn ein Bisschen abgelenkt. Ich habe ihm auch gesagt, er
solle schon am Nachmittag zu uns raufkommen, damit er nicht so allein ist. Er
hat es auch versprochen. Vorher geht er nur noch zur Paula hin. Wenn er auch nichts
mit ihr zu tun haben will, so wollen wir doch in dieser Angelegenheit nicht
herumstreiten. Paula hat ja auch an Kurt gehangen.
Helga ist wegen Kurt auch traurig. Jörg versteht es noch
nicht so. Sie hat sich erst beruhigt, als ich ihr sagte, Onkel Kurt ist nun im
Himmel, wo er gar keine Schmerzen, keine Sorgen mehr hat und wo er ganz froh
sein kann. Und ganz später sehen wir ihn ja wieder. Sie hat sich immer daran
erinnert, wie Kurt immer zu Jörg gesagt hat „Na, Du Strick.“
Von Papa erhielt ich heute eine Karte, dass die
Geburtstagsgeschenke rechtzeitig angekommen sind. Von Siegfried erhielt ich einen
kurzen Brief. Er schickte mir vor allen Dingen den Durchschlag von Papas Brief
an Dich zu, den er erst an Siegfried zum Lesen gesandt hatte. Er richtet darin
auch Grüße an Kurt aus. Dazu ist es ja nun leider zu spät.
Nun möchte ich Deinen lieben Brief vom 25.1. beantworten.
Bei Dir waren meine Briefe vom 14. und 15. angekommen, während die weiter
zurück liegenden noch nicht da waren. So geht es mir jetzt auch. Der letzte
Brief, den ich erhielt, war vom 17.1. Wahrscheinlich waren andere Transporte
notwendiger, und so sind die Briefsendungen irgendwo liegen geblieben.
Du hast Recht. Helga hat wegen des Nikolausbriefes wirklich
das „nicht“ vergessen, denn den Brief haben wir noch nicht erhalten. Den können
wir, glaube ich, als verloren betrachten. Dass der Kalender von Papa
weggekommen ist, ist schade. Papa wird sich sicher ärgern. Aber bei solchen
Sachen muss man eben ganz feste Umschläge nehmen, sonst zerreißen sie.
Du schreibst, dass Du wieder Briefpapier an mich wegschickst
und erwähnst dann „was ich jetzt wegschicke, brauche ich nicht zu verpacken.“
Warum müsstest Du es sonst verpacken? Musst Du wieder umziehen, oder kommt Ihr
überhaupt woanders hin? Aber das wird sicher in den Briefen stehen, die noch
fehlen.
Den Speisezettel werde ich Dir also mitschreiben, wenn es
Dich nicht langweilt. Ich meine eben auch, Du würdest daraus sehen, dass wir
noch nicht hungern müssen.
Jetzt ist ja das neue Gesetzt gekommen, dass alle schaffen
müssen. Ich wäre ja eigentlich noch damit verschont, weil ich 2 Kinder unter 14
Jahre habe, aber deswegen gehe ich doch so oft als möglich zum Nähen. Denn
untätig will ich auch nicht sein. Wenn der Garten wieder an die Reihe kommt,
wird es wahrscheinlich sowieso nur noch 1x in der Woche gehen.
Aber es gibt so Viele, die noch gar nichts tun. Es haben
wirklich schon Manche, vor allen Dingen die, die schon arbeiten, auf dieses
Gesetzt gewartet. Denn wenn man aus dem Geschäft kommt und sieht so Viele im
Cafe sitzen oder spazieren gehen und nichts tun, das ist ärgerlich.
Nun lass mich schließen. Ich grüße und küsse Dich ganz
herzlich und wünsche, dass Du immer gesund bleibst, Deine Annie.
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