Donnerstag, 28. Januar 2016

Brief 122 vom 28./29.1.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 28.1.41    

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 17.1. Da war die Freude bei mir groß. Wie ich aus ihm lese, hast Du meinen Brief vom 14. bereits am 17. erhalten. Ich habe darauf bis zum 26. warten müssen. Das ist doch ein ziemlicher Unterschied, nicht wahr?- Dr. Thomas ist also auch wieder da. Nun seid Ihr 3 also wieder zusammen und alles ist wie früher. -Mit viel Freude habe ich gelesen, daß Dein Arm wieder soweit gut ist. Schmerzen wirst Du ja sicher noch öfter haben, denn bei Deinem Fuß ich es ja auch so. - Ich finde es auch ganz nett, daß Du das Heft „Das schöne Konstanz“ zugeschickt bekommst. Aber das kann die Stadt auch ruhig für Dich tun. - Wegen der Konserven brauchst Du Dich nicht erst noch zu erkundigen. Ich habe die eine Dose aufgemacht. Nun ist es zwar kein Filet, wie es drauf steht, oder vielmehr ein ganzes Stück, sonder so kleine Stücke mit einer guten Soße. Was für Fisch es ist, weiß ich zwar nicht, aber die Hauptsache ist, es schmeckt. Interessehalber schicke ich Dir das Papier mit, welches an der Dose war.. Die Pilze werden wir bei Gelegenheit einmal essen, aber ohne Ei-Omelett. Erstens wegen den Eiern und zweitens schmecken sie auch so vorzüglich. - Die Rasierklingen werden sie Dir sicher deshalb geschickt haben, weil es einmal hier geheißen hat, die wären dort rar. Na, man kann sie ja aufheben. Sie gehen ja nicht kaputt. - Gestern war im Radio ein Rätsel zu lösen. Es wurden verschiedene Stücke gespielt und man mußte den Komponisten raten. Denk Dir, ich habe es sogar gewußt. Ich hätte selbst nicht gedacht, daß ich schon soviel Kenntnisse besitze. Die Sachen waren von Puccini, Grieg, Verdi, Lehar und Nicolai. Beim ersten war der 1., beim 2. der 2., beim 3. der letzte, beim 4. der 2. und beim letzten der erste Buchstabe maßgebend. Die Lösung heißt „Prien“. Siegfried hat an den Reichssender geschrieben. Die Karte haben wir gestern nach 10 Uhr noch weggeschafft. - Heute ist wieder der erste Tag, wo es mal trocken ist. Da gehen wir in die Stadt. Helga muß ja in die Schule. Man muß aber das gute Wetter ausnützen, wer weiß, ob es morgen nicht wieder regnet. - Morgen oder übermorgen gehen wir nun wahrscheinlich nochmal ins Kino. - Nun mache ich mich fertig zum fortfahren. Hoffentlich bekomme ich nun wieder laufend Briefe von Dir. Ich bin da gleich viel froher. - Sei Du, mein lieber Ernst, nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. - Herzlichen Gruß Siegfried.

Mein liebster Ernst!                                                                      Konstanz, 29.Januar 41

Ich glaube, die Post hat eingesehen, wie boshaft sie an mir gehandelt hat, als sie mir so lange keine Briefe von Dir brachte und will es nun ein bißchen gutmachen. Heute erhielt ich nämlich gleich 3 Briefe, vom 15. , 16., und 22.1. Ich habe mich über alle sehr gefreut. Hab vielen Dank dafür. - Du hattest mir ja schon hier erzählt, daß die Ganquies nette Leute seien und ich kann mir denken, daß Ihr Euch freut, wenn sie so aufmerksam zu Euch sind. - Freust Du Dich nun darüber, wenn ich Dir etwas Gebackenes schicke oder nicht? Du weißt doch, dass das schicken von mir kein Opfer ist, sondern daß ich an allem viel Freude habe, wenn Du einen Teil davon hast. Ich bin nun mal so komisch, nicht wahr? Aber ich meine, wenn Du jetzt fort bist, so gehörst Du doch zu us und also gehört Dir auch von allem ein Teil. - Die bestellten Briefmarken habe ich ja nun. Mal sehen, ob ich auch die neune Briefmarke bekomme, auf der Hitler und Mussolini sind. Wenn es geht, nehme ich sie gestempelt und ungestempelt.  - Jörg ist gar nicht beleidigt, daß er noch nicht zur Schule muß, er hält es so gut bis zum Herbst aus. Helga hat jetzt nicht mehr so viel Freude am basteln wie Jörg, sie hält sich mehr an die Musik. Da hat sie es zu ganz schöner Fertigkeit gebracht., Ich freue mich auch darüber und Du sicher auch. Es hat eben jeder seine besonderen Fähigkeiten. Es wäre ja auch langweilig, wenn jeder nur dasselbe könnte. - An Elsa habe ich bisher noch nicht geschrieben, ich werde aber die Grüße ausrichten. - Wie ich Dir schon schrieb, ist der Schnee bei uns ja ganz weg. Es herrschte ziemlich warmes Wetter, doch seit gestern Nachmittag ist es wieder so kalt geworden, daß der Boden hartgefroren ist. - Wie ich aus Deinen Briefen ersehen habe, bekommst Du meine Briefe scheinbar ziemlich regelmäßig und schnell. Das ist ja recht so. Die allerletzten Tage kann ich mich ja auch nicht mehr beklagen. - Wegen dem Maler Dieter hatten wir dieselben Gedanken, die Artikel haben sich gerade gekreuzt. Ich danke Dir auch dafür. - Zu lesen habe ich ja jetzt. Von den Eltern die Zeitungen und dann von Siegfried. Er hat gestern für sich Illustrierte für 2,- gekauft, die ich natürlich auch fest mitlese. - Ich danke Dir sehr, daß Du mir Einblick in Deinen Dienst gegeben hast, soweit es erlaubt ist. An Arbeitsmangel leidest Du also wahrhaftig nicht. Es ist, glaub ich, schon ein stolzes Gefühl, wenn einem größere Aufgaben anvertraut werden und man sie meistert. Und daß Du das kannst, das glaube ich ganz bestimmt, denn du bist keiner, der sich vor etwas drückt. Im übrigen lernt man immer wieder dazu.. - Nun bzgl. des großmütig sein. Du schreibst, daß Dir das früher durch die engen Verhältnisse, in denen wir aufgewachsen sind und in denen wir zwei ja auch schon gelebt haben, abgegangen ist. Du weißt ja, daß es auch immer ein bißchen meine Sorge ist, Du könntest Dich später nicht mehr so recht bei uns wohlfühlen. Denn bei uns wird ja noch immer mit dem Pfennig gerechnet, wenn auch nicht mehr ganz in dem Maß wie früher. Aber ich hoffe, daß Du auch weiterhin so elastisch sein wirst, daß Du Dich überall reinfindest. Wir haben us ja bis jetzt durch alles durchgebissen und werden das sicher auch weiterhin tun. Meinst Du nicht auch? Manchmal beschleicht einen doch ein bißchen die Sorge wegen später. Die Hauptsache ist mir erst einmal, daß Du mich nicht vergißt. Siegfried hat mir so viele Sachen erzählt, auch Vater, der doch sonst nicht gern von so etwas redet, sagte schon ein paar mal, was er bei St. in letzter Zeit so erlebt hat, spottet jeder Beschreibung, daß man manchmal meint, die ganze Ordnung ist bei den meisten zum Teufel. Ich könnte das nicht verwinden. Lieber Ernst, behalte mich lieb und denke immer an uns. - Heute, am Nachmittag, geht Siegfried mit Jörg in die Stadt. Erst wollen sie die Möwen füttern und dann will S. noch ein Bier trinken gehen und Jörg soll ein Sprudel bekommen. Er freut sich schon sehr. Ich gehe dann mit Helga den Brief wegschaffen und einkaufen. S. will nicht alle 2 mitnehmen, weil es ihm zuviel wird. - Morgen gehen wir nun endgültig ins Kino. Vater kommt wieder rauf. - Am Sonntag will Siegfried mit demselben Zug wegfahren, mit dem auch Du gefahren bist. Dieser ist am günstigsten. In Weißenfels muß er umsteigen und ist um 1/2 9 Uhr in Leipzig. Da ist die Fahrt nicht gar so lang. Am 5. muß er seinen Dienst wieder antreten. --Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Jörg - Helga dachte, ich wäre schon fertig und hat gleich unterschrieben, da Jörg auch noch seinen Namen herschreiben wollte. Siegfried und Jörg sind eben fortgegangen. In den letzten Tagen hat S. die Briefe nicht mehr gelesen. - Nun will ich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. -- Meinen herzlichsten Glückwunsch zu den drei Briefen,  die heute ankamen. Sonst geht alles gut und seinen alten Gang. Alles Gute wünscht Dir Siegfried. –

Brief 121 vom 25./26./27.1.1941


                                                                                                                     25. Januar                                        

Auch dieser Tag ist wieder vorbei gegangen, ohne daß ich einen Brief von Dir erhalten habe. Wenn ich nur wüßte, warum keiner kommt. Siegfried und ich wollen heute Abend ins Kino und ich ginge mit leichterem Herzen fort, wenn ich Nachricht von Dir hätte. Ob Du wohl auch so lange keinen Brief von mir erhältst?
Als Helga heute in die Schule ging, ist Siegfried mitgegangen. Er ist hinterher noch spazieren gegangen. Das Wetter ist aber heute nicht besonders. Mal regnet es, mal scheint die Sonne, mal stürmt es. Siegfried hat sich schon einen Schnupfen geholt.
Ich bin heute gar nicht fort gewesen. Die Kinder haben die Milch geholt. Von diesem Gang ist Jörg mit einem großen Dreiangel in seiner langen Hose wiedergekommen. Es war glücklicherweise keine gute Hose. Helga kam heute aus der Schule mit nur einem Absatz nach hause. Bis auf die unterste Schicht war alles weg. Ich möchte nur wissen, wie sie das angestellt hat. Nur gut, daß ich ein bißchen schustern kann und daß ich Leder da habe. So ist der Schuh schon wieder ganz.
Für morgen habe ich einen Streuselkuchen gebacken. Der würde Dir doch auch schmecken, nicht wahr. Nur zum schicken ist er nicht so geeignet, er würde austrocknen.
Ich habe heute Nacht von Dir geträumt. Das hat mich sehr gefreut. Da habe ich Dich doch wieder einmal gesehen, wenn auch nur im Traum.
Ich will nun das Abendessen fertig machen, damit die Kinder noch rechtzeitig ins Bett kommen. Diesen Brief nehme ich heute Abend mit.
Ich will jetzt schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Herzliche Grüße Dein Siegfried.


Mein lieber Ernst!                                                                              Konstanz, 26.Januar 1941

Endlich erhielt ich wieder einen Brief von Dir, vom 14./15.1. Wenn es auch nur ein kurzer Brief ist, so ist es doch ein Lebenszeichen und ich freue mich sehr darüber. So ist es doch für mich heute ein richtiger Sonntag geworden und ich bin auch wieder ruhiger. Die letzten Tage habe ich mir immer Sorge um Dich gemacht.
Gestern Abend waren Siegfried und ich im Kino. Der Titel „Hinter Haremsgittern“ war ja nicht vielversprechend, aber der Film war doch ganz gut. Die anderen Filme, die noch in Konstanz laufen, hat Siegfried schon gesehen. Hinterher waren wir noch in einem Cafe, in demselben wie das letzte Mal, als Siegfried da war. Um 1/4 1 Uhr waren wir zuhause. Wir haben uns noch mit Vater unterhalten. Um 2 Uhr ist er heim gegangen.
Der Freund von Siegfried ist nun doch nicht gekommen. Er hat abgeschrieben.
Heute Nachmittag bringen die Kinder wieder den Brief fort und ich höre mir das Wunschkonzert an. Da kann ich auch immer an Dich denken.
Vielleicht kommen jetzt auch die Briefe  wieder regelmäßiger. Ich wäre jedenfalls sehr froh darüber.
In den nächsten Tagen will ich auch wieder an Kurt und Elsa Legler schreiben. An Kurt kann ich auch Romane mitschicken, da ist er ja immer Abnehmer.
Jörg läuft schon die ganze Zeit wie ein kleines Raubtier im Zoo umher. Er ist ganz voller Unruhe und kann es kaum erwarten, bis es soweit ist, daß sie den Brief wegschaffen. Das Omnibusfahren ist ja das wichtigste dabei. Helga liest wieder in einem Märchenbuch. Da hat sie nicht so Eile, fortzukommen. Aber jetzt müssen sie sich doch anziehen. Natürlich geht es wieder nicht ganz ohne Händelei ab. Das ist meist so.
Mein Brief ist heute auch etwas kurz geworden. Sei mir deshalb bitte nicht böse.
Sei für heute herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Mann!                                                                    Konstanz, 27.Januar 41

Ich dachte nun, ich bekäme sicher heute wieder einen Brief von Dir, nachdem ich gestern, nach einer langen Pause, endlich einen erhalten hatte. Es war aber wieder nichts. Wo nur die Briefe solange liegen. Ich wüßte doch auch gern wieder etwas von Dir. Aber ich muß mich eben gedulden.
Als die Kinder gestern vom Brieffortschaffen nach hause kamen, haben wir gleich Abendbrot gegessen und hinterher noch Mensch ärgere dich nicht gespielt. Siegfried hatte Geldpreise ausgesetzt. Jörg hat den ersten Preis mit 30 Pfennig, Helga den 3. mit 20 Pfennig bekommen. Am Abend bin ich schon um 9 Uhr schlafen gegangen. Ich war vom vorhergehenden Abend, als wir im Kino waren, noch müd.
In dieser Woche wird der Film „Falschmünzer“ gespielt. Dabei sind einige Aufnahmen in Konstanz, Bregenz und Vorarlberg gedreht worden. Vielleicht sehen wir uns diesen Film auch noch an.
Das Wetter will jetzt nie recht schön werden. Heute regnet es schon wieder. Zum fortgehen ist es nichts. Jörg wär auch froh, wenn er öfter wieder raus könnte. Aber bei dem nassen Wetter und dem Schlamm hat es keinen Zweck. Helga kommt öfter ins Freie, wenn sie in die Schule geht.
Als Siegfried kam, hat er auch zwei Kommisbrote mitgebracht. Das ist richtiges Schwarzbrot und schmeckt gut. Da ist unser Brot weiß dagegen. Auch eine Anzahl Tüten mit Bonbon (in jedem Beutel ca. 12 Stück) hat er mitgebracht. Da bekommt jeder fast täglich einen Beutel von mir zugeteilt. Da sind die Kinder auch nicht abgeneigt.
Ich muß Dir jetzt immer von den alltäglichen Begebenheiten erzählen. Wenn ich Briefe von Dir hätte, könnte ich Dir immer antworten, aber so fällt das ja auch weg.
Heute Nachmittag fahre ich in die Stadt einkaufen. Wenn es schöner wär, würde ich unseren kleinen Borzel mitnehmen. So wird er aber nur naß und friert evtl. noch auf dem Rad. Da ist auch nichts gebessert. Langweilen tut Jörg sich ja nie. Entweder liest d.h. guckt er sich Bilderbücher an. Da interessieren ihn vor allen die Busch-Bücher, oder er malt oder spielt mit seinen Soldaten und Autos.
Pfarrer Koch hat der Helga schon wieder ein paar Mal gesagt, sie soll zum Kindergottesdienst kommen. Jetzt hat er nach unserer Adresse gefragt. Ich bin gespannt, ob er nun tatsächlich mal kommt. Ich warte ja schon lange drauf.
Nun hoffe ich, lieber Ernst, daß ich recht bald wieder einen Brief von Dir bekomme. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Schreibe mal bißchen mehr, denn Anni bekommt aller Wochen einen Brief von Dir. Alles Gute wünscht Dir Dein Schwager Siegfried.

Sei bitte nicht böse wegen des Satzes von Siegfried. Ich habe ihm gesagt, daß Du jeden Tag schreibst, aber er glaubt es nicht, weil erst ein Brief während seines Hierseins  gekommen ist.

Samstag, 23. Januar 2016

Brief 120 vom 23./24.1.1941


Lieber Ernst.                                                                                                  23.1.                               

Heute hat sich Siegfried erst einmal ausgeschlafen, nachdem er von vorgestern Nacht 2 Uhr bis gestern Abend unterwegs war. Jörg spielt heute schon die ganze Zeit wieder mit den neuen Soldaten. Helga ist ja noch in der Schule. Sie wollte sich gar nicht von ihrer Puppe trennen. Die Puppe ist 58 cm groß. Weiß Du, wie viel sie gekostet hat? 17,45 M, ich habe den Zettel gesehen.
Am Sonntag bekomme ich wahrscheinlich Einquartierung. Ein Freund von Siegfried kommt wahrscheinlich zwei Tage her. Er schläft dann auf dem Sofa. Der Soldat ist mit bei dem Lazarettzug und ist mit Siegfried gefahren bis Tübingen, wo er seine Großeltern besucht. Auf dem Rückweg kommt er hier mit vorbei.
Am Nachmittag muß sich Siegfried anmelden und die Karten holen. Da fahre ich gleich mit in die Stadt  und besorge mir erstens den Zahnschein für mich und zweitens kann ich gleich einkaufen gehen. Da brauche ich nicht extra in die Stadt.
Heute ist wieder trübes, nebliges Wetter. Da ist wieder alles so feucht, scheußlich. Siegfried schreibt auch noch ein paar Zeilen. Sei nun von mir recht herzlich gegrüßt und geküßt  Deine Annie.

Lieber Ernst! Nun bin ich wieder mal nach langer Zeit hier in Konstanz und werde mich hier wieder mal eine Zeit lang erholen. Schade ist es nur, daß Du nicht gerade da bist. Ich bin wirklich mal froh, daß ich von dem ganzen Küchenkram mal eine Zeit lang nichts sehe und hoffe nur, daß es bald einmal wieder los geht, damit man wenigstens weiß, zu was man da ist. Na ich glaube das wird wohl nicht mehr lange  auf sich warten lassen. Hoffentlich geht es Dir den Umständen entsprechend gut. Ich werde in den nächsten Tagen wieder ein paar Zeilen schreiben. Sei Du inzwischen herzlich gegrüßt von Deinem Schwager Siegfried.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Mein lieber Ernst!                                                               Konstanz, den 23. Januar 1941

Nun will ich Dir noch vom heutigen Tag berichten. Am Nachmittag hatte sich das Wetter aufgeklärt, sogar die Sonne schien. Da sind wir alle zusammen, auch die Kinder mit,  in die Stadt gefahren. Wenn es noch so neblig gewesen wär wie am Vormittag, hätte ich sie lieber zu hause gelassen. Wir haben die Karten, die Lebensmittelkarten, von Siegfried besorgt und sind noch einkaufen gegangen. Dann hat sich Siegfried noch angemeldet. Gegen 1/4 6 Uhr waren wir wieder zuhause. Wir haben dann Abendbrot gegessen und hinterher sind die Kinder ins Bett gegangen. Helga schläft ja mit in meinem Bett. Am Abend habe ich noch gestrickt und gelesen. Siegfried liest den Roman „Das vergessene Dorf“. Der hat Dir doch auch so gut gefallen.
Als wir heimkamen hoffte ich, daß ein Brief von Dir gekommen ist. Aber es war leider nicht der Fall. Jetzt hoffe ich wieder sehr auf morgen. Denn seit dem 13., von dem der letzte Brief ist, den ich bekommen habe, sind fast zwei Wochen vergangen. Vielleicht bekomme ich morgen doch wieder Nachricht von Dir.
Ich will nun schlafen gehen. Wach recht gesund wieder auf, lieber Ernst, und schlaf auch Du gut.

Mein lieber Ernst!                                                                                           24.1.

Nun ist der Briefträger wieder vorbei, ohne mir einen Brief von Dir zu bringen. Jetzt warte ich schon fast eine Woche und bin schon ganz unruhig. Du wirst doch hoffentlich gesund sein.
Den beiliegenden Zeitungsausschnitt hat mir Papa mit den Zeitungen geschickt. Vielleicht interessiert er Dich.
Am Tisch wird gerade das Frage- und Antwortspiel gespielt, da werde ich immer abgelenkt und gebe mit Antwort. Sechs Karten habe ich mir schon verdient.
Nun spielt Siegfried mit den Kindern Bilderlotto. Da sind sie dabei. Ich will dann mal nach dem Essen sehen, es ist gleich 1/2 1 Uhr. Wir haben heute Möhren. Den Rest des Briefes schreibe ich auf der Post. Siegfried schläft und ist deshalb nicht mitgekommen.
Ich habe mich heute mit Siegfried unterhalten, da habe ich erfahren, daß es weniger die Sehnsucht zu uns ist, die ihn herführt, als etwas anderes. Er will nicht nach hause wegen - Erna. Das wird bald in die Brüche gehen. Die Eltern dürfen aber noch nichts davon wissen. Siegfried sagt „die Verlobung war ganz übereilt, ich habe ja Erna noch gar nicht richtig gekannt. Aber da ist man aus dem Krieg gekommen und hat gemeint, man versäumt was.“ Er könnte sich mit ihr nicht aussprechen, sie ginge auf nichts ein, mündlich wie schriftlich. Na, es spielt noch allerhand mit, das erzähle ich Dir, wenn Du mal auf Urlaub kommst. Erwähne aber nicht in Deinem Antwortbrief, daß ich Dir davon geschrieben habe.
Nun möchte ich für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                                                    24.1.41

Ich möchte Dir noch ganz besonders liebe Grüße senden. Wenn du nur auch hier sein könntest. Aber ich will froh sein, daß wir Dich doch ein paar Tage bei uns haben durften.
Siegfried hat mir doch Pralinen geschenkt. Er sagte, ich soll sie allein essen. Das tue ich aber nicht, sondern ich schicke Dir die Hälfte davon. Ich möchte doch gern alles mit Dir teilen.
Solange Siegfried da ist, schläft Helga mit bei mir, denn Dein Bett soll immer frei bleiben, bis Du wieder kommst. Deinen Sofaplatz und Deine Filzschuhe habe ich sowieso hergeben müssen.
Siegfried soll nicht wissen, daß ich Dir das Päckchen mit diesem Brief geschickt habe. Bestätige den Empfang also bitte vor dem 5.2. nicht.
Sei nun recht, recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Mein liebster Ernst!                                                            24.Januar 1941 abends

Recht viele herzliche Grüße will ich Dir heute Abend noch senden. Ich denke immer an Dich und ich überlege mir immer wieder, warum ich wohl solange keinen Brief  von Dir erhalte. Hoffentlich bist Du nicht krank. Ich will mir ganz fest wünschen, daß ich morgen einen Brief bekomme.
Heute bin ich seit langer Zeit das erste Mal wieder mit dem Rad gefahren. Der Regen von heute früh und die Sonne haben fast den ganzen Schnee vertilgt. Da habe ich wieder gemerkt, was man mit dem Rad doch für Zeit spart. Ich bin Dir immer wieder dankbar, daß Du seinerzeit mit dafür gesorgt hast, daß ich ein Rad bekomme.
Ich gehe nun schlafen. Gute Nacht, mein lieber Ernst!

Brief 119 vom 21./22.1.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 21.1.41                                           

Einen Brief habe ich heute von Dir nicht erhalten. Aber das kann ich ja schließlich nicht erwarten, nachdem ich gestern zwei bekommen hatte. Ich habe gestern den Schal für Vater fertig gestrickt. Gestern früh war 1/4 fertig, von früh bis Mittag habe ich das 2te 1/4, am Nachmittag und Abend die andere Hälfte gestrickt. Da habe ich zu schaffen gehabt. Er ist hellbraun mit je zwei dunklen Streifen und 24 cm breit, 95 cm lang. Aber jetzt freue ich mich sehr. Ich werde ihn wahrscheinlich noch heute Vater bringen.
Helga hat am Nachmittag Schule. Da gehe ich mit Jörg in die Stadt einkaufen. Morgen muß er ja zum Zahnarzt. Er hat auch keine Angst davor.
Schöner ist das Wetter auch nicht geworden. Es taut zwar nicht mehr so sehr, aber überall ist es glatt. Als richtig Schnee lag, war es besser. Aber das Wetter richtet sich nicht nach unseren Wünschen. Das wunderschöne Schlittenfahren ist ja nun für die Kinder vorbei. Das fehlt ihnen sehr. Raus zum spielen können sie ja jetzt auch nicht. So müssen sie sich wieder zu hause beschäftigen. Helga hat wieder mit Schulaufgaben zu tun. Da vergeht die Zeit schnell.
Morgens und abends merkt man aber doch schon, daß die Tage länger werden. Man braucht schon etwas weniger Licht. Da bin ich ja nicht böse.
Bei uns in der Zeitung ist heute eine kleine Geschichte. Über die habe ich lachen müssen. Vielleicht macht sie Dir auch Spaß. Ich schicke sie Dir mit.
Auch die Schuhgrößen von Helga und Jörg schicke ich mit. Sie sind von hohen Schuhen. Für Halbschuhe wären sie also noch ein bißchen zu groß. Aber sie wachsen ja immer  so schnell aus den Schuhen heraus.
Morgen sind es schon 3 Wochen, seit Du von uns wieder fortgefahren bist. Wenn wir recht viel Glück haben, könntest Du vielleicht in 7 - 8 Wochen bei uns sein. Wir wollen uns zwar nicht vorher freuen, aber eigentlich lebe ich doch nur von einem Urlaub zum anderen. Wenn der eine Urlaub vorbei ist, rechnet man schon wieder aus, wie lange es bis zum nächsten ist.
Die Eltern schreiben von kollosalen Bunkern und Unterständen, die bei ihnen gegen Flieger gebaut werden. Also rechnet man doch noch mit heftigen Angriffen. Na, es ist besser, man sorgt vor.
Nun will ich wieder schließen. Wir wollen uns zum fortgehen fertig machen. Sei Du, mein lieber Schatz, recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.  Jörg.

Mein lieber, guter Ernst!                                                                Konstanz,den 22.Jan.41

Post habe ich von Dir heute leider auch wieder nicht bekommen.
Wie ich Dir gestern schrieb, wollten wir gestern Vater den Schal bringen, den ich für ihn gestrickt habe. Als wir aus der Stadt kamen, ist Jörg mit mir gleich hingegangen. (Helga war bis 6 Uhr in der Schule) Vater hat sich über den Schal sehr gefreut. Kein Wort von „das war nicht nötig“ oder so, sondern er hat ein paar Mal gesagt „ich dank auch schön“. Da freut mich auch das Schenken. Gleichzeitig vergelten wir Vater auch sein reichliches Weihnachtsgeschenk ein wenig, denn er hat sich doch große Ausgaben zu Weihnachten gemacht.
Heute gehen wir ja mit Jörg zum Zahnarzt. Da ist es endlich so weit gekommen, daß ich ihm die Haare geschnitten habe. Er hat sich immer zu drücken versucht, aber eingesehen hat er es doch, daß er so nicht zum Zahnarzt gehen kann. Nun hat es nicht mal wehgetan und er sagt jetzt die ganze Zeit: „Jetzt sehe ich aber doch schön aus, erst war es so ein Büschel Haare und ganz wild, ganz häßlich.“ Jörg hat auch wieder mal ein Wort, das er bei jeder Gelegenheit anwendet „schade“. Soll er Kohlen holen, „schade“, soll er Haare schneiden kommen, „schade“, soll er ins Bett, „schade“. So geht das jetzt von früh bis Abend.
Zum laufen ist es jetzt auf der Straße nicht gut. Überall getauter Schnee und Pfützen. Vor unserem Haus auf der Wiese, wo die Kinder immer Schlitten gefahren sind, ist ein Bodensee im Kleinen. Mit dem Rad zu fahren ist es auch nichts. Die Räder vollführen die reinsten Eiertänze, besonders wenn sie in Autospuren geraten. Da ich nun nicht gern runterfliege, habe ich das Radfahren einstweilen ganz eingestellt.
Ich bin sehr froh, daß ich das Öl von Dir habe. So ist es mir möglich gewesen, öfter mal Eierkuchen, Kartoffelpuffer usw. zu backen, was mir sonst nicht möglich gewesen wäre. Ich bin Dir sehr dankbar, daß Du so für uns gesorgt hast.
Unsere Äpfel sind jetzt alle geworden. Es ist ja schade, daß wir keine mehr haben, aber wir haben doch viel davon gehabt. Schlecht geworden sind sie wenigstens nicht so viel und gut getan haben sie uns auch. Getrocknete Apfelringe habe ich ja noch. Da haben wir gerade heute Kompott davon gehabt. Das schmeckt gut. Ich bin froh, daß ich sie im Herbst gemacht habe.
Da mir Vater öfter Brötchen mitgebracht hat, konnte ich heute für meine Brotmarken drei Pfund Mehl kaufen. Da kann ich schon wieder mal backen. Ich bezahle übrigens die Brötchen jetzt immer. Ich habe Vater gesagt, daß ich sie sonst nicht mehr nehme. Ich will nämlich nicht, daß er sich immer verpflichtet fühlt, mir alles zu schenken. Er ist nun auch ganz einverstanden damit.
Ich will nachher noch an die Eltern eine Karte schreiben, daß ich die Zeitungen erhalten habe. Einen Brief habe ich ja erst vor ein paar Tagen geschrieben.
Lieber Schatz, hoffentlich bekomme ich recht bald wieder einen Brief von Dir. Ich freue mich ja immer schon so drauf. Seit dem 13., von dem Dein letzter Brief bisher ist, sind ja immerhin schon 9 Tage vergangen. Da möchte ich gern wieder wissen, wie es Dir geht, denn meine Gedanken sind doch immer bei Dir.
Nun möchte ich wieder schließen. Sei Du recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Bleib mir recht gesund.

Mein lieber Ernst!                                                                           Konstanz, 22.1.41 abends

Heute Nachmittag waren wir nun beim Zahnarzt. Es ist wirklich eine Freude zu sehen, wie tapfer sich die Kinder dort benehmen. Genau wir Helga hat auch Jörg ganz ruhig gesessen und keinen Laut von sich gegeben. Er hat zwei Zähne plombiert bekommen. Bei mir habe ich auch nachsehen lassen, da ich an einem Zahn oft Schmerzen habe. Wie der Zahnarzt sagt, wird es wahrscheinlich eine Wurzelhautentzündung sein. Er hat etwas eingespritzt. Sollte es schlimmer werden, muß der Zahn entweder aufgebrochen (er ist plombiert) oder rausgezogen werden. Das tät mir ja leid, wo es so ein schöner Backenzahn ist. Na, abwarten.
Denke Dir, vorhin um 9 Uhr klingelt es und Siegfried steht draußen. Er hat gerade noch den Omnibus erwischt, sonst hätte er laufen oder bis 11 Uhr warten müssen. Siegfried hat für Helga eine große Puppe mit echten Haaren und für Jörg eine M.G.-Bedienung mit M.G. und M.G.-Wagen und Pferden und für mich eine Schachtel Pralinen und noch verschiedene Sachen. Helga ist es gar nicht recht, daß sie morgen früh in die Schule muß und nicht mit der Puppe spielen kann. Vorhin als Siegfried die Mundharmonika sah, hat er gleich gespielt. Er kann wirklich prima spielen. Da wird auch Helga begeistert sein und nachahmen wollen.
Nun gehe ich schlafen. Gute Nacht, mein lieber Ernst!

Brief 118 vom 19./20.1.1941


Mein lieber Ernst!                                                                             Konstanz, 19.Januar 41                                

Heute ist Sonntag, wirklich Sonntag, denn ich habe zwei Briefe von Dir erhalten, vom  12. und 13.1.
Mit besonderer Freude habe ich gelesen, daß Dein Kamerad Graser wieder dort eingetroffen ist. Aus Deinem Brief spürt man auch, wie Du Dich darüber gefreut hast. Nun bist Du doch wenigstens nicht mehr allein. Es ist eben immer so, bei Tag hat man zu tun, aber wenn man abends zur Ruhe kommt, ist es doch recht einsam, wenn man ganz allein ist.
Die beiden Umhänge für die Kinder sind wirklich nicht teuer und dabei sind sie doch sehr schön.
Vater hat sich über die Schokolade sehr gefreut. Er hat sie mit Genuß gegessen. Ich habe ja auch mehrere Tafeln verdrückt, aber jetzt habe ich abgebremst, denn es muß ja nicht gleich alles weg sein.
Gestern erhielt Vater einen Brief von Kurt vom 14.1. Er schreibt auch, daß es Nanni gesundheitlich nicht gut gehe.
Heute früh, als der Briefträger Deine Briefe brachte, sagte er, daß ich noch ein Paket bekäme. Er brächte es am Nachmittag, wenn sein Dienst beendet ist, mit. Am Morgen hat er mit dem Rad nicht durch den Schnee kommen können. Es hat in der Nacht wieder ziemlich geschneit. Jetzt ist es aber ziemlich wärmer geworden, so daß es heute früh sogar ein bißchen geregnet hat. Dem Schnee hat es aber noch nicht viel anhaben können.
Die Eltern haben sich sehr gefreut, daß Du mich so reicht beschenkt hast.
Ach so, ich habe ja noch gar nicht geschrieben, daß das Paket, das mir der Briefträger vorhin noch brachte, ein Zeitungspaket von den Eltern war. Da habe ich also wieder zu lesen. Wahrscheinlich werden sie Dir einen Durchschlag des Briefes an mich mitschicken.
Also sie haben sich gefreut, daß Du mir so schöne Sachen geschenkt hast. Mama schreibt, daß sich Paula sicher ärgern wird, wenn sie mich in dem Mantel sieht. Wegen mir soll sie. Sie ist mir sowieso nicht freundlich gesinnt. Einen sehr schönen Abreißkalender haben mir die Eltern mitgeschickt, mit lauter Kinderbildern. Während ich schreibe, studieren die Kinder schon fest die Zeitungen. Da geht der Tag auch schnell wieder rum.
Als Du beim vorigen Wunschkonzert das Lied „Gute Nacht, Mutter“ hörtest, habe ich auch in der Stube gesessen und den Kindern gesagt, sie sollten mal ganz still sein, das möchte ich hören. Heute höre ich mir das Wunschkonzert ja auch wieder an. Dabei werde ich stricken und lesen. Wie wirst Du diesen Sonntag verbringen? Ich bin nur froh, daß Du nicht mehr so allein bist. Ich möchte doch, daß es Dir auch dort so gut wie irgend möglich geht. Am schönsten wär es, wenn Du hier wärst, aber ehe England nicht besiegt ist, gibt es doch nie richtigen Frieden.
Heute oder morgen werden wir die Wurst von Dir aufessen. Wir haben sie uns bis zuletzt aufgehoben. Erst haben wir die von Dr. Thomas aufgegessen.
Die Kinder wollen wieder den Brief fortbringen. Wie ich gerade gesehen habe, regnet es schon wieder. Das wird einen schönen Matsch geben, wo der Schnee so hoch liegt, d.h. wenn es nicht wieder friert.
Nun, mein liebster Ernst, sei wieder recht herzlich gegrüßt und ganz fest geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber, lieber Ernst!                                                                   Konstanz, 20.1.41

Heute habe ich wieder zwei Briefe bekommen, vom 9. und 10.1., nachdem gestern die zwei vom 12. und 13. ankamen. Über die Briefe habe ich mich sehr gefreut, besonders darüber, daß Du schreibst, man merkte eben doch, daß niemand da ist, der auf mich aufpaßt (bezüglich der Wärmflasche) und daß Du von dort aus doch nicht so durchgreifen kannst wie es notwendig ist. Da hast Du wirklich recht. Ich wäre froh, wenn Du da wärst und über alles bestimmen würdest. Ich würde mich so gern nach Deinen Anweisungen richten. Ich bin wirklich anlehnungsbedürftig. Das meine ich im Ernst.
Die Maße für die Gardinen sind für zwei Fenster je 4 mtr. 80 cm breit, oder je 2 mtr. 140 cm breit. 80 cm wär mir lieber, da brauche ich sie nicht erst durchschneiden. Die Farbe sollte  ein bißchen zu den gelben Tapeten passen. Diese Maße gelten für Stoff, nicht für fertige Garnituren. Für letztere wären sie 1,40 -1,50 lang. Die Schuhgröße für die Kinder schicke ich Dir morgen mit. Ich habe die Schuhe vorhin gerade mit Leinöl eingerieben, da kann ich die Maße nicht gut abnehmen.
Mit dem trockenen Schnee ist es schon wieder aus. Seit gestern regnet es und draußen ist fußhoher Schneematsch und glatt ist es noch dazu. Ein böses Wetter.
Für Jörg haben wir jetzt das kleine Tischle aus dem Kinderzimmer in die Stube gestellt, da kann er ungehindert Plastellina spielen. Ich habe gerade gestern gedacht, welchen Zwecken das Tischchen schon gedient hat. Erst war es bei Euch auf dem Balkon, dann haben wir unser erstes Essen in unserer Wohnung drauf gegessen, dann war es unser erster Tisch in der Stube, nun haben ihn die Kinder im Kinderzimmer und da er so klein ist, paßt er überall hin. So kann nun Jörg sogar in der Stube darauf spielen. Wenn er nämlich auf dem großen Tisch spielt, haben wir überhaupt keinen Platz mehr. Er hat sowieso schon das meiste der Stube mit Beschlag belegt und man muß zusehen, daß man nicht immer auf Spielsachen tritt. Ab und zu werde ich mal energisch, dann verschwindet ein Teil der Sachen, aber nach 5 Minuten hat er wieder was Neues entdeckt, das er unbedingt mit rüber nehmen muß.
Nachher geht nun Helga in die Schule. Sie nimmt den Brief mit zur Petershauser Post. Sie muß ja sowieso fort, da müssen wir uns nicht alle die Schuhe verderben. Wir wollen nun gleich Mittagessen, damit sie rechtzeitig fertig wird.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt, mein lieber Ernst, von Deiner Annie.
Ich bin gerade beim Stricken eines Schals für Vater, die Hälfte habe ich fertig. Heute Nachmittag stricke ich weiter, damit ich bald fertig werde, denn im Sommer braucht ja Vater keinen Schal mehr. Vater fragte, als er sah, daß ich stricke, was es wird. Ich sagte, ein Schal, ob er ihm gefällt. „Er ist schön“ war die Antwort. Er weiß aber nicht, daß er für ihn ist. Ich bin gespannt, was er sagt, wenn er ihn bekommt.

Montag, 18. Januar 2016

Brief 117 vom 17./18.1.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 17.1.41                   

Gestern Abend bin ich nicht zum schreiben gekommen. Da habe ich wieder einen Berg Strümpfe gestopft. Einen Brief habe ich heute auch nicht erhalten, aber das ist ja auch kaum möglich, denn ich habe ja die vergangenen Tage meist zwei auf einmal bekommen. Da Papa nun bald Geburtstag hat, habe ich ein bißchen Gebäck für ihn gebacken. Ich schicke Dir davon auch ein bißchen etwas. Für uns habe ich zum Sonntag so Törtchen gebacken, wie wir sie Dir vorige Woche geschickt haben. Wir hatten doch davon auch eins probiert und da es den Kindern so gut geschmeckt hat, baten sie mich, diesen Sonntag statt Kuchen solche Törtchen zu backen. Auch davon schicken wir Dir eine Kostprobe.
An Papa schicke ich das Gebäck, ein kleines Paket Lebkuchen, den ich noch bekommen konnte, ein Paket Kakao (aber keiner von Dir, sondern den ich hier bekomme). Ich will sehen, ob ich noch ein paar Zigarren bekomme. Ich möchte gern noch eine Dose Ölsardinen mitschicken. Hoffentlich bist Du damit einverstanden.
Die Radiozeitung habe ich heute nun abbestellt.
In der vergangenen Nacht hat es  wieder ziemlich geschneit. Die Kinder sind schon den ganzen Morgen Schlitten gefahren. Jetzt sind die Trainingshosen aber ganz naß, da der Schnee so locker ist und überall anhängt.
Ich habe Helga die letzten Tage etwas häkeln lassen, damit sie auch in der Schule mitkommt; sie hat nun ein ganze Stück geschafft und hat es auch gut gemacht. Am Montag geht es ja nun wieder in die Schule. Sie freut sich schon.
Bei Herrn Kuster war ich gestern wegen den Briefmarken. Er war aber nicht da. Da gehe ich bei Gelegenheit nochmals vorbei.
Es ist nun bereits 1/2 4 Uhr geworden und ich will den Brief noch wegschaffen, der heute ja nicht besonders lang geworden ist. Aber durch das backen ist der Vormittag so schnell vergangen. Du wirst mir aber sicher nicht böse sein, daß ich so wenig geschrieben habe. Das Päckchen an Dich nehme ich auch gleich mit. Sei Du, mein lieber, lieber Mann, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                                                                Konstanz, 18.1.41

Gestern Abend habe ich den Brief an Papa zum Geburtstag geschrieben. Die Kinder haben auch einen Gruß beigefügt. In dem Brief wird Dir wohl etwas recht spanisch vorkommen. Aber das tut doch wohl nichts, nicht wahr?
Das Päckchen habe ich vorhin gepackt. Ich habe das selber gebackene Gebäck, ein kleines Päckchen Lebkuchen, sieben Zigarren und Kakao und Ölsardinen geschickt. Ich weiß wirklich nicht, was ich hätte sonst schicken sollen. Evtl. Wein, aber da bekomme ich jetzt so schlecht die Verpackung dazu.
Von den Eltern habe ich bis jetzt noch keine Nachricht. Vielleicht ist ein Zeitungspaket unterwegs.
Vergiß es bitte nicht, wenn Dir Papa bis Ende dieses Monats keinen Kalender geschickt hat, möchte ich Dir einen schenken.
Mein Rad hat jetzt ziemlich Ruhe. Ich laufe meist zu Fuß und fahre die Kinder mit dem Schlitten, wenn ich den Brief fortbringe. Es läßt sich bei dem Schnee so schlecht fahren.
Ich ziehe mir immer die hohen, schweren Schuhe an. Da bekomme ich nie so kalte Füße.
Einen Brief habe ich heute früh von Dir nicht bekommen. Da muß ich wieder auf morgen hoffen, denn ich glaube kaum, daß mir der Briefträger am Nachmittag noch einen bringt. Ich weiß ja, daß Du immer an mich schreibst. Dann kann ich doch hoffen, daß bald wieder ein Brief kommt, wenn auch einmal eine kurze Pause eintritt.
Das ist so etwas für unseren Jörg, daß er in der Stube auf dem Boden spielen kann. Den ganzen Tag sitzt und liegt er unten. Die Soldaten hat er jetzt mal rausgeräumt, dafür sind aber alle Züge in der Stube. Auf den Zügen transportiert er seine Autos und Motorräder. Er hat also immer eine Beschäftigung und langweilig wird es ihm nicht.
Jetzt putzen sich gerade Helga und Jörg die Schuhe, denn sie wollen sich zum Fortgehen anziehen. Die Frage war vorhin schon: „Ziehst Du uns wieder?“
Ich habe Jörg vorhin angekündigt, daß ich ihm die Haare schneiden muß. Das hat ihm wieder das ganze Vergnügen verdorben, denn Du weißt ja, Haare schneiden ist bei ihm so eine Sache.
Gestern Abend bracht mir Frau Kuster die Briefmarken. Die ungestempelte Behringsmarke hat sie mir statt zwei Mal, vier Mal gebracht. Ich weiß nicht, ob ich sie zurückgeben soll. Hingehen kann ich jetzt nicht gut, denn Herr Kuster ist schon wieder krank. Er hat Fieber und liegt im Bett, wie mir seine Frau sagte. Evtl. werde ich die Marken eben behalten.
Nun will ich schließen. Bleib immer gesund und sei recht vielmals gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 116 vom 15./16.1.1941


Mein liebster Ernst!                                                                      15.Januar 1941 abends         

Heute haben wir den Brief an Dich schon am Morgen mitgenommen, so daß ich Deinen Brief vom 7.1. noch nicht beantworten konnte. Er war im Briefkasten, als wir heimkamen.
Zu arbeiten hast du also wirklich genug. Aber es ist wirklich schlimm, daß es immer wieder so nette Kameraden gibt, die einem das Leben schwer machen. Gerade im Feindesland sollte so etwas doch nicht sein. Ich glaube, Du wirst sehr froh sein, daß inzwischen Dein Kamerad Graser wiedergekommen ist. Wenn Du den Brief erhältst, wird wahrscheinlich auch Dr. Thomas wieder da sein. Hoffentlich bleibt Ihr immer zusammen. Wenn du Ärger hast, so schreibe es mir nur. Es ist besser, als wenn man allen Ärger in sich hinein frißt.
Mit den Marken haben wir es also jetzt doch viel besser als die Franzosen. Denn was uns zusteht, bekommen wir auch. Da hat es bisher noch keine Not.
Nachdem wir jetzt immer in der Stube sind, brauche ich nicht so viel Feuerung. Ich glaube, daß ich mit dem vorhandenen Heizmaterial gut auskommen werde. In der Stube haben auch die Kinder warme Füße und sie können auch auf dem Boden spielen, ohne sich zu erkälten. Ich war jetzt schon oft froh, daß wir die kleine Stube haben. Die Küche ist ganz vereinsamt. Ich mache höchstens am Samstag oder Sonntag mal draußen Feuer.
Du hast mir mal erzählt, daß dort schon alle wissen, daß die grünen Briefe für Dich sind. Die müssen sich also umstellen, jetzt kommen bald (nicht bald, sondern schon heute. Ich habe gar keine grünen mehr) blaue Umschläge. Grüne konnte ich nicht bekommen.
Heute Vormittag waren wir beim Zahnarzt. Helga und Jörg haben je einen Defekt. Bei Jörg wird er am nächsten Mittwoch gemacht, da der Zahnarzt heute keine Zeit hatte. Es waren schon mehrere Leute bestellt. Bei Helga hat es scheinbar ziemlich weh getan. Sie hat ihre Hände in meinen Händen ganz fest verkrampft und hat die Knie angezogen, aber keinen Laut hat sie von sich gegeben. Das war doch tapfer, nicht wahr?
Ich habe den Kindern heute jedem 2,- auf´s Sparbuch getan. Am Nachmittag haben wir noch die Sparbüchsen aufgemacht. Die vorhandene Summe habe ich auch wieder auf 2,- aufgerundet, so daß sie im ganzen 4,- Mk diesen Monat sparen können. Da sind sie ganz stolz.
Jetzt ist Vater da. Er will auch noch ein paar Zeilen dazuschreiben.

Lieber Ernst! Wie mir Anni heute sagte, bist Du vor einigen Tagen gefallen und hast den Arm aufgeschlagen. Hoffentlich ist es bald wieder gut und ich wünsche Dir gute Besserung. Von Kurt haben wir immer noch keine Nachricht, ob auch die Päckchen angekommen sind. Am Sonntag zum Montag hatten wir mal wieder Alarm, zwei Mal.  Ich war erst kurz vorher zu Bett und bin dann auch nicht aufgestanden. Wir haben hier andauernd kalt, da ist man froh, wenn der Winter vorbei ist, wo ich es noch mehr verspüre mit den Gliedern. Die letzte Woche viel im Freien und auch Anfang dieser Woche. Seit gestern habe ich mit zwei Gefangenen im Neuwerk etwas Beschäftigung, ungefähr eine Woche. Die Päckchen sind sehr lange unterwegs. Danke noch bestens für den Tabak. Am 4.1. war auch Walters Geburtstag. Gesund sind wir so weit alle und geht noch alles denselben Gang, wenn es einem auch nicht zusagt. Nun wünsche ich Dir nochmals gute Besserung und sei Du herzlichst gegrüßt von Deinem Vater.

Eben ist Vater wieder fortgegangen. Es ist 1/4 12 Uhr und ich gehe nun schlafen. Vater hat wieder ein paar Brötchen mitgebracht, damit ich für die ersparten Marken Mehl kaufen kann. Er ist immer ganz besorgt.
Nun gute Nacht, mein lieber, lieber Mann, schlaf gut und wach gesund wieder auf.  

 Lieber Schatz!                                                                                                     16.1.

Heute wurde mir eine große Freude dadurch zuteil, daß ich gleich  2 Briefe von Dir erhielt, vom 6. und 8.1., der letztere war der erste Brief von Dir, der von der Prüfstelle geöffnet wurde. Ich habe mich wieder über beide Briefe sehr gefreut, sind sie doch ein lieber Gruß von Dir und auch eine Verbindung zwischen uns. Das sind die schönsten Tage, wo ich Briefe von Dir bekomme. Ich hab Dich ja so lieb.
Du brauchst Dich nicht zu ärgern, daß Du Vater nicht gesagt hast, er soll mich nicht auf seine Art über den Abschied zu trösten versuchen. Es ist ja jetzt vorbei und er meint es ja  gut. Er kann eben auch nicht aus seiner Haut.
Ich hoffe, daß Du Deine Kameraden nun wieder bei Dir hast und ich bin sehr froh, daß Du dort jemand hast, mit dem Du Dich gut verstehst. Ich glaube, die Woche, wo Du ganz allein warst, wird die schwerste Woche für Dich dort gewesen sein.
Ich habe tatsächlich einen Brief am 4.1. geschrieben. Vielleicht hast Du ihn inzwischen doch noch bekommen. Von den Eltern habe ich bisher noch keine Nachricht bekommen. Vielleicht haben sie am Sonntag geschrieben. Ich werde ja sehen, ob sie Zeitungen mitschicken.
Inzwischen habe ich ja alle Päckchen von Dir erhalten und es ist kein einziges weggekommen. Es wäre ja sehr schade drum gewesen.
Bei uns ist es immer gleich kalt. Wenn es mal ein wenig wärmer würde, könnte es nichts schaden. Wir nehmen es aber so wie es kommt. Wie ich Dir ja schon schrieb, brauchen wir in der kleinen Stube ja nicht zu frieren.
Heute war in der Zeitung die Todesanzeige von Herrn Olkiewicz. Er ist nun also doch noch gestorben.
Nachher werde ich noch bei Herrn Kuster vorbeigehen um die Briefmarken abzuholen. Die Behring-Marke werde ich ungestempelt noch mitbringen.
Dieses Jahr bzw. vergangenes Jahr habe ich auf mein Sparkassenbuch 3,41 Zinsen bekommen. Das ist doch ganz schön, nicht wahr?
Ich glaube, mit dem Max und Moritzbuch haben wir zu Weihnachten das richtige getroffen. Helga hat es mindestens schon zehn Mal durchgelesen und immer gefällt es ihr wieder.
Nun will ich mich zum Fortgehen fertig machen. Wir schaffen den Brief fort und dann gehen wir noch zum Bäcker.
Lieber Ernst, ich denke immer an Dich und hoffe, daß Du nun nicht mehr allein bist und daß es Dir mit Deinen Kameraden zusammen wieder besser gefällt. Hoffentlich ist auch Dein Arm wieder soweit in Ordnung.
Vergiß uns nicht, behalte uns lieb und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Lieber Vater! Wir danken Dir für Deine Grüße. Ist Dein Arm bald wieder ganz gesund? Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Brief 115 vom 13./14./15.1.1941


Mein lieber, lieber Ernst!                                                            Konstanz, 13.1.41 abends          

Auch am Nachmittag war mein Hoffen auf einen Brief von Dir vergeblich. Ach, wenn doch morgen einer käme, ich meine manchmal, ich kann es gar nicht mehr erwarten. Hoffentlich bist Du gesund und munter.
Als ich heute mit den Kindern in die Stadt ging, traf ich Resi. Im Laufe des Gesprächs erwähnte ich dann, es hätte Dir jemand gesagt, sie gingen nach Colmar. Da war sie ganz empört. Sie dächten gar nicht daran. Er wäre doch hier auch als Inspektor und mehr könnte er dort auch nicht sein usw.
Jetzt weiß ich doch tatsächlich nicht, wer gelogen hat. Was meinst Du? Sie hat mich auch soundso viele Male wieder eingeladen, sie doch zu besuchen. Ich habe gesagt, ich hätte so viel zu tun, daß ich schlecht fort käme.
Ich gehe heute wieder etwas zeitiger schlafen. Erstens bin ich von gestern noch müd´ und außerdem kann es ja sein, daß wir wieder gestört werden. Gute Nacht Du bester Schatz, wach auch ganz gesund wieder auf.

Lieber, lieber Ernst!                                                                                  14.1.

Heute früh hatte ich nun eine große Freude. Deine lieben 2 Briefe vom 3. und 5.1. kamen an. Leider habe ich daraus ersehen, daß Du, lieber Kerl, gleich einen Unfall hattest. Der verstauchte und geprellte Arm wird Dich sicher ziemliche Schmerzen verursachen und langwierig sind diese Sachen ja noch dazu. Das weißt Du ja aus Erfahrung. Das Dumme ist noch dazu, daß Du ja den Arm auch nicht schonen kannst, wenn Du so viel zu arbeiten hast. Ich wünsche Dir recht, recht gute Besserung, und daß Du nicht so viel Schmerzen hast. Ich würde sie Dir gern abnehmen, wenn ich nur könnte.
Nach Deinem Brief zu urteilen, mangelt es Dir nicht an Arbeit. Zu wohl wird es Dir dabei nicht, ganz abgesehen von Deinem Arm. Was hast Du in den drei Päckchen vom Amt usw. bekommen? Du wirst vielleicht denken, ich bin sehr neugierig geworden. Du brauchst mir darauf auch nicht antworten, ehe Dein Arm nicht geheilt ist, denn Du sollst Dich nicht extra wegen mir rumquälen und besonders viel schreiben. Hat Dir der Böhmann von sich aus ein Päckchen geschickt?  Da hast Du recht, wenn auch der  Urlaub schnell vorbei geht, so waren wir doch wenigstens diese Tage zusammen. Darüber bin ich immer wieder froh. Heute bin ich besonders froh auch darüber, daß ich wenigstens Briefe von dir bekommen habe. Am allerschönsten wird es sein, wenn du wieder einmal für immer nach hause kommst.
Dort liegt also jetzt auch Schnee. Bei uns ist es auch immer gleich kalt und Schnee liegt noch immer. Nachdem gestern klares Wetter war, ist es heute ganz neblig und dadurch so feucht und unfreundlich. Da bleibt man am besten zu hause, wenn man nichts draußen zu besorgen hat. Zum Schlittenfahren ist es auch nichts. Die Kinder haben mich schon gebeten, ich soll gegen Abend mit ihnen Mensch ärgere dich nicht spielen. Sie freuen sich schon drauf.
Morgen Vormittag gehe ich Geld holen. Wenn ich die Krankenkasse bezahle, hole ich gleich einen Zahnschein für Helga mit und gehe auch gleich mit ihr zum Beck. Da kann sie dann den ausgefüllten Schein mit in die Schule nehmen. Schreibe mir bitte auch, was ich Dir für Geld schicken soll und kann. 35,-Mk. hast Du ja noch vom Urlaub hier liegen.
Ich schicke Dir noch einen Artikel über den Maler Hans Dieter mit. Vielleicht  interessiert er Dich.
Nun wünsche ich Dir recht gute Besserung für Deinen Arm und grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.

Lieber Vater! Ich tät mich fest freuen, wenn Dein Arm bald wieder gesund würde. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.


Mein liebster Ernst!                                                                 Konstanz, den 14.1.41 abends

Ein paar kurze Zeilen will ich noch an Dich schreiben, bevor ich schlafen gehe. Besonders denke ich immer daran, was wohl Dein Arm macht. Ob er wohl schon wieder ein bißchen besser ist? Hoffentlich hast Du nicht so viel schmerzen.
Du schreibst in Deinem Brief vom 3.1., daß Du ziemlich zu tun hast, bis Du das Gebäck, welches du von den verschiedenen Stellen geschickt bekommen hast, gegessen hast. Nun habe ich Dir ja am Samstag auch welches geschickt. Magst Du das nun nicht? Bis Du es bekommst, sind ja seit Deinem Brief bald drei Wochen verflossen, da wirst du das andere Gebäck doch sicher bald aufgegessen haben?
Heute Abend habe ich mit den Kindern noch Mensch ärgere Dich nicht gespielt. Das macht ihnen viel Freude und sie sind mit Begeisterung  dabei. Vor allem das Rausschmeißen macht ihnen Spaß. Da sind sie jedes Mal ganz aus dem Häuschen.
Wie ich Dir schon schrieb, wollen wir morgen mit Helga zum Zahnarzt. Davon ist sie ja nun weniger begeistert. Aber mit Freude muß ich feststellen, daß sie doch keine Angst vorm Zahnarzt hat. Bei Jörg lasse ich auch gleich mit nachsehen.
Ich möchte Dich noch etwas fragen. Du sagtest doch bei Deinem Hiersein, ich sollte doch die Radiozeitung abbestellen. Hättest Du nun was dagegen, wenn ich dafür für mich die N.S.-Frauenwarte bestellen würde? Es ist da auch ein Schnittmusterbogen mit dabei. Schreibe mir bitte Deine Meinung darüber.
Nun will ich schlafen gehen. Gute Nacht, lieber, guter Ernst!
Wach ganz gesund wieder auf oder werde, wenn Dein Arm noch schlimm ist, recht bald wieder gesund!


Lieber Schatz                                                                               15.1                 1/2 9 Uhr

Wir gehen jetzt in die Stadt und nehmen den Brief gleich mit. Es sind heute wieder 10 Grad Kälte. Da habe ich meine hohen, schweren Schuhe angezogen. Die halten wenigstens warm. In den anderen habe ich doch immer kalte Füße. Hier sieht man jetzt auch viele Frauen und Mädchen mit ganz schweren Schuhen. Es laufen sogar viele im Trainingsanzug, aber das mag ich nun nicht.
Nun will ich für heute schließen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Und recht gute Besserung.

Dienstag, 12. Januar 2016

Brief 114 vom 12.1.1941


Mein liebster Ernst!                                                              Konstanz, 12.Jan.1941                

Nun ist wieder ein Sonntag herangekommen. Ich hatte so auf einen Brief von dir gewartet, aber leider wieder vergeblich. Das hat mir einen ziemlichen Teil der Sonntagsfreude genommen, denn ich habe so Sehnsucht nach Dir. Du kannst ja nichts dafür und ich will nun wieder auf morgen hoffen.
Ich habe dir in meinem gestrigen Brief geschrieben, daß ich ein größeres und ein kleineres Päckchen an Dich abgeschickt habe, das kleine mit der Briefpost. Das stimmt nun nicht ganz. Ich habe das Päckchen gestern von  einem Postbeamten abwiegen lassen, der mir sagte, daß es noch unfrankiert geht. Heute kam nun der Briefträger und verlangte 20 Pfg., da das Päckchen zu schwer sei. Ich habe nun gesagt, wenn es geht, sollen sie es mir zurückbringen, da ich lieber noch was dazupacke. Jetzt werde ich ja sehen, ob ich es zurückbekomme.
Von Elsa bekam ich heute einen Brief. Sie schreibt, daß Gerhard  vom 22.-28.12. zuhause war und daß sie hoffen, daß er bald einmal länger Urlaub erhält. Am 10.1., also als sie den Brief geschrieben hat, habe Tilly sie besucht. Sie soll uns von ihm grüßen. Fliegeralarm haben sie jetzt auch lange nicht gehabt. Da haben also auch die Eltern Ruhe gehabt. Schnee liegt dort auch viel und kalt ist es auch. Ich glaube, es wird bald im ganzen Reich so sein.
Gestern, als Vater da war, habe ich ihm den Tabak gegeben. Er hat sich sehr gefreut. Erst  hat er natürlich gefragt, wie viel er kostet. Ich habe ihm gesagt, daß das noch ein Weihnachtsgeschenk sei. Den Kindern hat er wieder, wie jede Woche, 15 Pfennig gegeben und außerdem noch 1/4 Pfund Pralinen weil sie doch keine Schokolade essen, wie er sagte. Er ist doch immer wieder ein guter Kerl. Eins kann ich aber gar nicht mehr mit ansehen, seinen kleinen, winzigen Schal. Ich glaube, ich werde ihm bald noch einen stricken, der sieht so armselig aus.
Heute früh waren 14 Grad Kälte und alle Bäume, Sträucher und Zäune waren bereift. Es sah alles wunderschön aus. Jetzt scheint die Sonne und es hat sich ein bißchen erwärmt. Nachher wollen die Kinder auch den Brief an Dich wieder fortbringen. Ich bleibe zu hause und ruhe mich ein bißchen aus.
Morgen wird ja sicher Dein Kamerad Graser wiederkommen. Dann bist Du doch nicht mehr so allein. D.h.. wenn Du den Brief bekommst, wird er schon ein paar Tage da sein. Wie wirst Du die acht Tage, wo Du ganz allein warst, verbracht haben? Ich werde es ja in Deinen Briefen lesen. Auf die freue ich mich schon sehr.
Nun will ich schließen. Helga und Jörg wollen auch noch was schreiben.
Sei recht recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. 

Lieber Vater! Wir schaffen wieder den Brief für Dich fort. Wir haben schon auf einen Brief von Dir gewartet aber keinen gekriegt. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Mein lieber Mann!                                                             Konstanz, 12.Jan.41

 Der Sonntag ist auch wieder einmal vorbei. Die Kinder sind, als sie den Brief fortgeschafft hatte, noch eine Weile Schlitten gefahren. Dann haben wir gegessen. Hinterher habe ich noch ein paar Märchen vorgelesen und schließlich haben wir noch Mensch ärgere Dich nicht gespielt. Das war der besondere Wunsch von Jörg. Nun sind beide im Bett und mir ist recht einsam zu Mute. Ich weiß nicht, soll ich stricken, lesen oder ins Bett gehen. Ich habe zu  nichts rechte Lust. Aber große Sehnsucht nach dir habe ich. Hoffentlich bekomme ich morgen einen Brief von Dir. Der Urlaub war so schön, daß ich mich in das andere Leben immer noch nicht rein finden kann. Wenn Du da bist, ist alles noch mal so schön. Du fehlst mir überall. Eine Weile habe ich mich heute ausgeruht, aber lange halte ich das nicht aus. Ich muß etwas zu tun haben. Da ist es mir am wohlsten. Wenn Du wieder Urlaub hast, ruhe ich mich aus. Das sind dann meine Ferien. So habe ich es ja die letzten Male auch gehalten.
Ob Du heute beim Wunschkonzert wohl auch zugehört hast? Wenn ich Dich doch jetzt sehen und mit Dir reden könnte. Du bist aber so weit fort. Bleib mir gesund, lieber Ernst, daß wir Dich wiedersehen und behalte uns lieb.
Ich habe mir noch die Nachrichten angehört und gehe nun schlafen. Vorhin habe ich mir noch ein Buch raussuchen wollen und bin auf „Till Eulenspiegel“ gestoßen. Darin habe ich noch ein bißchen gelesen. 
Nun gute Nacht, mein lieber Schatz. 
Mein lieber Ernst! Diese Nacht haben wir uns so ziemlich um die Ohren geschlagen. Von 3/4 2 bis 1/4 4 Uhr, von 3/4 5 - 5 Uhr und von 1/4 6 - 3/4 6 Uhr Alarm. Das erste Mal waren wir im Keller, die beiden nächsten Mal nicht mehr. Da habe ich die Kinder in die warme Stube gesetzt und ich hab am Schlafzimmerfenster gestanden. Wenn Flieger näher zu hören gewesen wären, hätten wir gleich runter gehen können. Heute früh haben wir alle bis um 9 Uhr geschlafen.
Vorhin erhielt ich vom Briefträger Deine restlichen vier Päckchen, 12, 13, 16, 17. Nun habe ich also alles bekommen. Ein Brief von Dir war aber leider wieder nicht dabei, nur einer von Siegfried. Er schreibt, daß er am 9. meinen Brief vom vergangenen Montag erhalten hat, den ich ihm zu Weihnachten geschickt habe. Das hat auch lang gebraucht. Siegfried ist noch an seinem alten Platz. Es hat dort auch ziemlich Schnee und er fährt mit seinen Kameraden fast täglich Bob. Er will sich in den nächsten Tagen noch Ski kaufen und auch das lernen. Ich soll dich von Siegfried grüßen.
Nachdem wir erst so spät aufgestanden sind, ist der Vormittag ziemlich kurz. Ich will nun gleich Essen kochen. Am Nachmittag gehe ich mit den Kindern in die Stadt einkaufen und den Brief wegschaffen.
Das kleine Päckchen an Dich habe ich übrigens nicht mehr zurück bekommen. Es ist also so an Dich abgegangen. Bei den Päckchen von Dir war ja auch noch mal Schokolade dabei. Da kann ich ja die Lücken wieder auffüllen, die ich in meinen Bestand gerissen hatte. Ich habe nämlich schon ein paar Tafeln gegessen. Auch über die Seife freue ich mich sowie über die Konserven. Da ist ja noch eine Dose von den feinen Pilzen dabei. Die letzte Dose hat doch so fein geschmeckt.
Heute ist es uns so zumute, wie an dem zweiten Tag, wo Du da warst. Wir sind alle ein bißchen verschlafen von heute Nacht.
Vielleicht kommt heute Nachmittag doch noch ein Brief von Dir. Ich würde mich so freuen. Sei nun für heute recht oft und fest gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.