Mein lieber Ernst!
Konstanz, 28.Sept. 40.
Kaum war es eine kleine Weile schön, schon ist es wieder
vorbei. Jetzt regnet es schon wieder
den ganzen Nachmittag. Ich bin so froh, daß die Äpfel runter sind. Ich hatte
Dir gestern geschrieben, daß ich noch 30 Pfund abgenommen habe und die anderen
drauf lassen werde. Nun kam gestern ½ 6 Uhr noch der Bob von Leimenstolls, oder
war es um 6 Uhr. Also, jedenfalls gerade als ich mit dem Rad fortfahren wollte.
Er wollte nochmals auf den Baum. Er ist dann ganz außen rumgeklettert und
später hat er die Leiter noch auf den Baum raufgezogen und hat sie auf den
Stamm gestellt, wo die Zweige anfangen und hat sie ganz oben an der Spitze
fast, aufgehängt. Das hat ganz gefährlich ausgesehen. Er hat mir aber dadurch
noch 50 Pfund Äpfel abgenommen und 10 Pfund sind runtergefallen. Wir haben
jetzt gerade 5 Ztr. Äpfel (gepflückte)
und 3 Ztr. Falläpfel geerntet.
Ich sage Dir, überall liegen jetzt Äpfel. Im Keller, auf den
Schränken, auf den Nachttischchen, auf dem Speiseschränkchen, auf dem Nähtisch,
in zwei Kartons unterm Bett, auf Tellern, im Korridor und noch die Zinkwanne
voll mit solchen, die schadhaft sind. Außerdem liegt im Ausguß alles voll
Falläpfeln und 1 Sack mit 20 Pfund Falläpfel steht auch noch da. Ich kann Dir
sagen, das war eine Arbeit, das Auslesen und Versorgen. Ich bin jetzt abends
immer schrecklich müde gewesen. Ich bin aber doch sehr froh, daß jetzt das
meiste geschafft ist. Heute Abend muß ich noch backen, natürlich wieder
Apfelkuchen. Morgen bleiben wir daheim, da mache ich wieder Apfelringe zum
Trocknen fertig.
Lieber Ernst! Heute
wird der Brief einmal kürzer und ich habe Dir eigentlich nur von Äpfeln
erzählt. Aber das wird Dir sicher
einmal nichts ausmachen. Ich muß nämlich jetzt fortfahren, denn es ist schon 5
Uhr und wenn ich noch backen will, wird es heute doch spät. Einen Brief habe ich heute nicht
erhalten.
Mein lieber Mann! Sei für heute recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz 30.Sept.40.
Gestern, am Sonntag,
habe ich gar nicht an Dich geschrieben. Ich habe auch gestern sehr viel zu tun
gehabt, denn die Äpfel warten einfach nicht, bis man Lust hat, sondern werden
gleich faulig. Später haben wir die Bohnen noch ausgekernt. Es war gut, daß ich
sie abgemacht habe, denn von dem vielen Regen werden sie ganz matschig, und
einzelne Bohnen hatten schon neue Keime. Vorige Woche ist mir die Arbeit bald
über den Kopf gewachsen und hätte ich gestern nicht geschafft, so hätte ich
heute mächtig viel zu tun gehabt und das wollte ich nicht, weil morgen Waschtag
ist. Da wollte ich mich heute noch ein bißchen ausruhen.
Also weißt Du, die Gartenarbeit ist direkt ein
Erholungsurlaub gegen eine Apfelernte. Vater will mir noch ein kleineres
Gestell zusammenbauen, auf dem ich noch Äpfel unterbringen kann, damit nicht zu
viel in der Wohnung herumliegt. Du bist mir doch sicher nicht böse, daß ich
gestern nicht geschrieben habe, nachdem ich Dir die Gründe dafür dargelegt
habe.
Von Dir habe ich seit Freitag keine Post mehr erhalten. Ob
heute Nachmittag noch was kommt, kann ich noch nicht sagen. Es ist allerdings
bereits ½ 4 Uhr. Bei uns ist heute wieder
stürmisches Wetter. Gestern Vormittag hat es auch geregnet, nachdem es schon am
Samstag gegossen hat. An Regen fehlt es also nicht. Wir haben infolge dieses
schönen Wetters alle drei Husten und Schnupfen.
Soeben ist der Briefträger vorbei gefahren und hat wieder
nichts für uns. Gedulden wir uns also bis morgen. Vielleicht nehme ich mir heute Abend wieder einmal die
Briefmarken vor. Die letzten Tage bin ich nicht dazu gekommen.
Evtl. gehe ich diese Woche einmal ins Kino. Es wird der Film
„Achtung, der Feind hört mit“ gespielt. Genau weiß ich es aber noch nicht. Es
wäre das erste Mal, daß ich abends allein fortgehe, der Weg ist eben ziemlich
weit. Als ich sagte, daß ich einmal fortgehen wollte, hieß es: „Oooch, das ist
so schön, wenn Du da bist.“ Sogar ein bißchen heulen wollten sie.
Nachdem im Garten hinterm Haus der ganze Spinat von den
Regenwürmern in die Erde gezogen worden ist, werde ich nochmals im großen
Garten welchen säen, nachdem die ersten zwei Reihen bis jetzt ganz gut
rausgekommen sind. Es regnet einfach zu viel. Die kleinen Salatsetzlinge, die
ich ausgesät hatte, sind ganz an den Boden hingeklatscht. Nun fängt morgen der Oktober an. Ob in
diesem Monat der Urlaub einmal Wirklichkeit wird? Wir wollen es hoffen. Nun,
lieber Ernst, sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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