Lieber Ernst! 1.September.
Nun ist unser 9. Hochzeitstag da. Du wirst
heute sicher auch besonders an mich denken, wie ich dies ja auch tue. Diese 9
Jahre sind doch so schnell herumgegangen und es waren schöne Jahre. Was wirst
Du heute tun? Heute früh kam Dein
lieber Brief vom 26.8. mit der Beschreibung Eurer Autofahrt. Solche Berichte
interessieren mich immer sehr und ich freue mich, daß Du Gelegenheit hast, so
viel zu sehen.
Ich glaube gern, daß
unsere Stuka-Angriffe furchtbar sind, denn umsonst haben unsere Feinde auch
nicht solche Furcht davor. Das ist
eigenartig, daß es in Belgien so viel sauberer ist als in Frankreich. Ich hatte
gemeint, da wäre gar kein Unterschied.
Gleichzeitig kam
heute Dein Geburtstagsbrief an mich an. Das ist wieder ein so lieber Brief, den
werde ich mir jeden Abend durchlesen und dann kommt er auf den
Geburtstagstisch. Ich danke Dir für Deine guten Wünsche, die ja auch die meinen
sind, daß wir gesund bleiben und daß wir uns bald einmal wieder sehen.
Gleichzeitig danke ich Dir auch für das Lob, das Du mir wieder gespendet hast.
Ich werde es immer wieder zu rechtfertigen suchen.
Daß Du nicht gleich
für immer heim kommen kannst, sehe ich vollkommen ein, denn dazu ist die Zeit
noch nicht gekommen. Aber über einen Urlaub würde ich mich sehr freuen, wenn
auch der Abschied dann wieder sehr schwer wär. Wir könnten uns dann doch auch
wieder einmal richtig aussprechen.
Dein
Geburtstagsgeschenk für mich ist ja, wie ich schon schrieb, angekommen und ich
habe mich sehr darüber gefreut. Wie ich aus Deinem Brief ersehe, hast Du ja
schon wieder weitere Sachen für mich gekauft. Du denkst immer an mich, vergiß
Dich nur selber darüber nicht. Du sollst auch keinen Mangel leiden.
Wenn Du mir noch
zwei Blusen und zwei Schürzen schenkst, so freue ich mich sehr darüber. Ich
hatte nämlich vorgehabt, mir noch ein paar Schürzen zu kaufen, nur muß ich erst
auf die neue Kleiderkarte warten.
Die kupferrote Wolle
gefällt mir ebenfalls. Es ist ja nicht unbedingt nötig, daß es blaue ist.
Kupferrot macht wahrscheinlich sogar noch ein frischeres Aussehen.
An meinem Geburtstag
werden wir auch noch besonders an Dich denken, denn an diesem Tag sind ja Deine
Gedanken auch bei uns.
Heute Nachmittag
gehen wir mit Vater auf die Messe. Wir holen ihn um 4 Uhr ab. Da staunst Du,
nicht wahr? Ja, ich bezahle sogar morgen für ihn die Miete beim Fischer. Da
braucht er nicht in die Stadt laufen und kann dafür im Garten schaffen. Du
siehst aber sicher auch daraus, daß wir ganz gut miteinander auskommen. Das wird
Dir doch sicher nur recht sein. Wenn Vater manchmal rauf kommt, lese ich ihm
die Briefe von Dir vor, natürlich nur, was ihn auch angeht.
Z.B. von unserem
Hochzeitstag oder den Geburtstagsbrief, den lese ich nicht vor, denn das ist ja
nur für mich bestimmt. Aber Deine
Fahrtenbriefe die hört er auch gern.
Übrigens hat Kurt noch gar nicht geschrieben, seit er von seinem Urlaub
zurückgefahren ist. Wir haben nicht einmal seine Adresse. Vater fragt auch
immer danach. Jetzt muß ich Dir noch
etwas von Helga erzählen, woran man sieht, wie sie so langsam groß wird. Sie
muß doch wieder in die Schule. Da freut sie sich doch gar nicht auf die
Handarbeitsstunde und so erzählte sie mir gestern wieder: „Weißt Du Mutterle,
Fräulein Meinecke tobt immer so rum. Da
hat sie auch gesagt: Wenn ich doch fort wäre von Euch, ihr seid so dumm. Weißt
Du, Mutterle, da habe ich mir so leise gedacht, wenn sie nur schon fort wäre,
das wäre mir gerade recht, wegen mir braucht sie nicht dazubleiben.“ Man sieht
doch, Helga hat auch schon ihre eigenen Meinungen. Jetzt leeren die Kinder gerade die Sparbüchse. Für einen Teil des
Geldes wollen sie mir zum Geburtstag was kaufen und ein paar Pfennige möchten
sie mit auf die Messe nehmen. Das übrige kommt wieder in die Sparbüchse.
Lieber Ernst! In
Deinem Geburtstagsbrief schreibst Du noch, daß Du keine Stunde einen Zweifel
gehabt hast, daß ich Dir die Treue halte. Da brauchst Du auch keinen Zweifel zu
haben, darauf kannst Du Dich ganz fest verlassen. Nun will ich schließen. Sei recht recht herzlich gegrüßt und
geküßt an unserem Hochzeitstag von Deiner Annie.
Mein lieber
Mann! Konstanz, 2.Sept.40.
Heute erhielt ich
Deinen lieben Brief vom 27.8. Der hat mich auch wieder fest gefreut.
Es ist recht, daß Du
nicht schimpfst, daß ich Dir mehr Geld geschickt habe. Daß Du es zweckmäßig
verwenden wirst, das weiß ich. Daß die beiden Schals teuer gewesen sind, glaube
ich gern, sie sind auch sehr schön. Umgetan habe ich noch keinen. Du weißt ja,
daß ich alles aufhebe, außer den Blusen, die werde ich schon mit anziehen. Du musst
nun nicht etwa denken, daß ich das als selbstverständlich erwarte, daß Du immer
etwas schickst. Ich bitte Dich, denke auch an Dich. Gefreut habe ich mich über
die Geschenke von Dir aber sehr, denn Du hast mir wirklich immer schöne Sachen
geschenkt.
Den Mist für die
Erdbeeren werde ich nun also nicht besorgen, wenn Du denkst, vor Eintritt des
Winters noch Urlaub zu bekommen.
Wegen den
Briefmarken gehe ich einmal zu Kusters und werde fragen, ob er dafür Interesse
hat. Es freut mich, daß es recht war,
daß ich das Geld gleich in Wehrmachtsgeld umgewechselt habe. So hast Du doch
keine Umstände damit gehabt und ich habe Dir eine Freude machen können.
Daß unsere beiden
Kinder sehr an Dir hängen, kannst Du wirklich glauben. Sie reden ja immer von
Dir und möchten Dir auch immer eine Freude machen.
Heute Vormittag habe
ich Wäsche gehabt. Es ist strahlender Sonnenschein. Vorhin habe ich gleich noch
gebadet. Wenn es so schön warm ist, kann man ja hinterher gut wieder ins Freie.
Die Kinder kommen dran, wenn Helga von der Schule wieder da ist.
Die vergangene Nacht
waren wir von ¾ 1 bis ¾ 2 Uhr im
Keller. Ich bin munter geworden, weil ich einen Flieger brummen hörte. Da habe
ich am Fenster geguckt, da war es ganz hell von Scheinwerfern und in dem Moment
fing die Sirene an zu heulen. Später, als wir im Keller waren, hörte man erst
gar nichts mehr, auf einmal fing es in der Ferne an zu schießen. Frau Nußbaumer
ging in den Vorraum und rief mich dann. Da habe ich doch ein wunderbares Bild
gesehen. Von der anderen Seeseite waren ganze Scheinwerferbündel am Himmel und
dazwischen schoß die Flak lauter silberne Sterne. Als die Scheinwerfer mehr
nach uns fingerten, sind wir aber gleich wieder in den Keller. Gar nicht lange
darauf war Entwarnung. Ob sie den Flieger wohl abgeschossen haben?
Heute wird der Brief
einmal kürzer, denn ich möchte nicht so spät heimkommen, damit ich die Kinder
baden kann. Das Päckchen mit Gebäck nehme ich heute mit auf die Post.
Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt, lieber Ernst, von Deiner Annie.
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