Mein lieber Ernst!
Konstanz, 16.Sept. 40
Heute erhielt ich
Deinen lieben Brief vom 12. September. Du schreibst, daß Du unser Päckchen mit
den Sachen vom Geburtstag erhalten hast. Du brauchst keine Angst zu haben, daß
diese Sendungen eine Gewohnheit werden, denn wir haben ja nur vier Geburtstage
im Jahr.
Ich erinnere mich auch noch an das Baden im vorigen Jahr.
Dieses Jahr wäre es schon zu kühl. Ich
habe wohl dieses Jahr den Garten ziemlich allein versorgt, aber glaube mir, es
ist mir nicht zu viel geworden. Ich habe immer dran gedacht, wie Du Dich freuen
wirst, wenn alles in Ordnung ist, da ist mir alles leicht geworden.
Heute bekommst Du einmal einen sehr kurzen Brief, denn die
Zeit ist mir sehr knapp. Früh habe ich etwas gewaschen und habe Dein Päckchen
weggeschickt und eingekauft. Da ich Kartoffeln brauche, habe ich nachmittags
welche raus gemacht. Die muß ich nun nach dem Abtrocknen noch in den Keller
tun. Außerdem ist vorhin für um 7 Uhr eine Luftschutzübung angesagt worden. Da
muß ich mich ziemlich beeilen.
Du warst ja schon einmal so lieb und hast dich mit einer
Karte zufrieden gegeben. Da nehme ich heute Deine Nachsicht nochmals in
Anspruch und bitte Dich, mir wegen des kurzen Briefes nicht böse zu sein.
Lieber Ernst! Ich schließe also für heute. Du sollst aber
wenigstens wissen, daß ich immer an Dich denke, wenn ich auch nicht viel
schreiben kann. Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber
Ernst! Konstanz, 17.Sept. 40
Heute erhielt ich Deine
lieben Briefe vom 10. und 11.
September. Ich danke Dir vielmals dafür.
Du schreibst nochmals, daß ich Dir keine Zeitungen schicken brauche.
Inzwischen wirst Du ja nun doch noch die letzten Zeitungen von mir erhalten
habe, denn Dein erster Brief kam ja einen Tag später an, als ich die Zeitungen
schon weggeschickt hatte.
Über die Bilder habe ich mich wieder sehr gefreut. Ich werde
sie einstweilen mit ins Album legen. Da hast Du ja dort schon allerhand
gesehen. Wie ich Dir schon schrieb, freue ich mich auf Dein Kommen v o r h e r noch nicht so sehr, damit ich dann nicht so enttäuscht bin, wenn
es nicht klappt. Den Kindern habe ich noch gar nichts gesagt. Sonst habe ich
vor lauter Fragen überhaupt keine Ruhe mehr und die Beiden wären sonst, wenn Du
nicht kommen könntest, auch schrecklich enttäuscht. Du schreibst, ich hätte Dir
gar nichts geschrieben, daß Jörg wegen wildem Fleisch geschnitten worden ist.
Sollte ich das wirklich vergessen haben?
Das war doch so. An dem Auge von Jörg sah es immer aus, als
wenn er ein Gerstenkorn bekommen sollte. Im Augenlid drin hat es so eine
Verdickung gegeben. Als nun Helga das entzündete Auge hatte, dachte ich, da
lasse ich gleich beim Buben mal mit nachsehen. Da sagte dann eben der Arzt, daß
sich da wildes Fleisch gebildet hätte, das man raus schneiden sollte, was ja
dann auch geschehen ist. Es muß aber wahrscheinlich nochmals geschnitten
werden. Wenn ich Dir das noch nicht mitgeteilt hatte, so darfst Du mir das
nicht übel nehmen. Das habe ich dann glatt vergessen gehabt.
Ich glaube, Ihr werdet Eurer Wohnungen auch nicht froh. Wenn
Ihr mal drin seid, kommen immer andere Interessenten. Diesen letzten Angriff
habt Ihr ja nochmals abgeschlagen.
Daß die Bedienungen nicht besonders eifrig sind, glaube ich
schon. Das sind doch sicher Französinnen, die haben an den Deutschen doch kein
Interesse und außerdem sind sie doch sicher nicht so sehr von Ordnung besessen.
Jedenfalls habe ich das aus verschiedenen Schilderungen entnommen. Wie kommt es, daß die Badeöfen immer explodieren. Sind die so lange nicht gesäubert worden.
Sie Dich nur vor, daß Dir dabei mal nichts passiert.
Heute haben wir mal wieder schönes Wetter. Man glaubt es
noch gar nicht richtig. Aber den Säntis sieht man schon wieder ganz deutlich.
Da wird es wahrscheinlich nicht sehr lang anhalten.
Gestern brauchte Vater einen Brief von Kurt mit rauf. So hat
er also endlich mal geschrieben. Es wurde Zeit. Eine Weile kann er jetzt aber
auch warten.
Von Siegfried und den Eltern habe ich heute auch eine kurze
Karte erhalten. Deine Briefmarken habe
ich noch nicht abgeweicht.
Ich möchte vorher wieder Filzschuhe für die Kinder nähen. Es
kann schnell einmal kalt werden, da haben sie dann etwas Rechtes zum Anziehen.
Ich werde für mich wahrscheinlich später welche kaufen. Nun will ich schließen. Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Die Karte von Siegfried ist vom 14.9. Auf der Karte vom
15.9. von den Eltern hat er dann mit drauf geschrieben, daß er in Leipzig ist
und ein paar Tage Urlaub macht. Ich habe das erst jetzt entdeckt, weil es auf
der Rückseite geschrieben ist.
Mein lieber Mann!
Konstanz, 18.9.40
Trotzdem ich mich noch nicht vorher freuen soll, bin ich
doch sehr gespannt, ob Du Urlaub bekommst. Das wäre ja wunderschön. Ich kann es
mir gar nicht ausdenken, wie schön das wär.
Einen Brief habe ich heute nicht bekommen, aber die Brüsseler Zeitung,
die Du mir geschickt hast. Ich werde sie heute noch gründlich durchlesen.
Ich habe heute früh wieder ein bißchen im Garten geschafft,
mal wieder ein bißchen Ordnung gemacht. Es wollte erst regnen, aber nun hat es
sich richtig aufgehellt. Regen haben wir jetzt wirklich genug, es dürfte
richtig mal wieder eine Weile schön werden.
Ich habe mir nochmals Deinen lieben Brief durchgelesen, in dem Du vom
Baden im vorigen Herbst schriebst. Ja, das war wirklich schön damals. Da man
immer damit rechnete, daß Du bald fort müßtest, haben wir es doppelt schön
empfunden. Dieses Jahr sind wir ja nicht viel zum baden gekommen. Zum laufen
ist der Weg doch ziemlich weit. Aber das macht nichts. Du hast ja auch nicht
oft im Freien baden können. Vielleicht geht es später wieder. Die Hauptsache
ist, daß wir alle gesund sind.
Jetzt werden unsere Äpfel schon gelb. Sie sind nicht mehr so
grasgrün. Sie leuchten jetzt richtig. Unsere Stare sind auch schon längere Zeit
wieder da. Ich habe nochmals Spinatsamen kaufen müssen, denn die Hälfte des
gesäten und auch aufgegangenen ist wieder verschwunden. Ich glaube, das waren
die Regenwürmer. Webers ist es auch so gegangen. Auch ein bißchen Ackersalat
werde ich noch säen. Zu Kartoffelsalat schmeckt er ganz gut. Mit den Brombeeren
geht es jetzt auch zu Ende. Die paar letzten, die noch dran sind, lasse ich die
Kinder gleich vom Busch essen. Da ist bei ihnen auch die Freude groß. Auch mit
den Tomaten ist nicht mehr viel. Drei Stöcke habe ich schon raus tun können.
Man merkt eben doch, daß es Herbst wird. An unseren Beerensträuchern habe ich
nichts gemacht, das kannst Du besser. Davon verstehe ich noch nicht viel. Du
siehst also, daß ich immer wieder Arbeit für Dich übrig habe.
Lieber Ernst! Ich hoffe so sehr, daß Du wirklich Urlaub
erhältst. Das wär so schön. Ich hoffe, daß ich Dir bald wirkliche Küsse geben
kann. Inzwischen grüße und küsse ich Dich noch schriftlich recht herzlich Deine
Annie.
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