Mein lieber
Ernst! Konstanz, 3.9.40
Heute früh erhielt
ich Dein Wollpäckchen mit dem Kaffee und nachmittags Deinen lieben Brief vom
29.8. Ich habe mich über beides recht sehr gefreut. Die Wolle gefällt mir sehr
gut, dafür noch meinen besonderen Dank.
Nun hast Du ja Deinen Anzug bezahlt. Das ist ja gut so, denn ich weiß,
Du hast auch nicht gern Schulden. Da kannst Du dann doch über das Geld, das Du
bekommst, frei verfügen. Einen Anzug hast Du schon gebraucht, denn wenn man
immer nur auf einen angewiesen ist, das ist auch nicht das Richtige.
Nun ziehst Du also
wahrscheinlich wieder um. Das kommt mir als Laien direkt komisch vor, daß man
Euer Haus einfach gewaltsam geöffnet hat, aber Du schreibst ja, daß im Krieg
anderes Gesetze gelten. Die Urkunde,
die Du mir mitgeschickt hast, lege ich zu den anderen Akten.
Heute Nacht haben
wir dem Keller wieder auf eine Stunde unseren Besuch abgestattet. Die
englischen Flieger kommen immer über die Schweiz. Vorgestern sind sie über St.
Gallen gekommen. Wer weiß, ob die Schweizer nicht damit einverstanden sind,
denen ist alles zuzutrauen. Habe ich schon geschrieben, daß der kleine
Grenzverkehr nach der Schweiz wieder eröffnet ist?
Gestern haben wir
die meisten Falläpfel bisher aufgelesen. 8 Pfund. Ob das von dem Nebel früh
morgens kommt? Helga kann ihren
Geburtstag schon gar nicht mehr erwarten. Sie geht ja seit gestern wieder in
die Schule. Sie hat sich schon wieder ganz schön reingefunden. Gestern habe ich übrigens wieder 4 Pfund und
heute 1 Pfund Tomaten geerntet. Die Gurken wachsen jetzt nicht mehr so schnell.
Das ist mir aber ganz recht. So kann ich nach und nach eine zum Rohessen holen,
denn ich habe jetzt 2 Töpfe Senfgurken eingemacht, das langt mir über den
Winter.
Da Du schon
geschrieben hast, daß Du noch vor dem Winter evtl. in Urlaub kommen kannst, da
will ich Dich gleich auf etwas vorbereiten, damit Du Dich nicht gleich ärgerst.
Den Garten habe ich ja soweit in Ordnung, ich bilde es mir jedenfalls ein,
aber, aber, mit dem Komposthaufen werde ich nicht fertig, der ist bestimmt
nicht so, wie er sein soll. Bist Du da sehr böse deshalb? Der bedarf Deiner
ordnenden Hand. Du siehst also, ein richtiger Gärtner bin ich doch nicht, denn
der legt doch großen Wert auf einen richtigen Komposthaufen.
Nun will ich für
heute wieder Schluß machen. Helga ist gerade aus der Schule gekommen und ich
fahre noch schnell in die Stadt. Ich
danke Dir nochmals recht sehr für die schöne Wolle, die Du mir geschickt hast
und grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.
Mein lieber
Mann! Konstanz, 4.Sept.40.
Heute kam Dein
lieber Brief vom 31.8. an, für den ich Dir recht herzlich danke. Ich habe
daraus ersehen, daß Du nun das Geld vollständig erhalten hast. Die geschenkte Bluse paßt gut zu dem Kostüm.
Zu Dunkelblau paßt eigentlich alles. Ein Paket Wolle habe ich ja schon
erhalten. Wie Du heute schreibst, schickst Du noch ein weiteres Wollpaket ab.
Es ist schon richtig, wenn Du die Wolle schickst und nicht später mitbringst,
denn wenn Du auf Urlaub nur 20 Pfund frei mitnehmen darfst, kannst Du evtl.
lieber den Anzug mitbringen. Es freut mich, daß Dir dieser so gut paßt.
Inzwischen hast Du
ja wieder eine Sonntagsfahrt hinter Dir. Den Bericht davon schickst Du mir ja
auch wieder. Heute haben wir schon
Vorbereitungen zum Geburtstag getroffen. Ich habe einen Pflaumen- und einen
Apfelkuchen gebacken. Wenn morgen von dem Apfelkuchen etwas übrig bleibt, heben
wir es bis zu meinem Geburtstag auf.
Helga hat mir auch geholfen, sie hat die Pflaumen ausgesteint.
In der Schule hat
man gesagt, wenn die Kinder um 8 Uhr Schule haben und es war in der Nacht
Fliegeralarm, so brauchen sie erst um 9 Uhr kommen. Jetzt wünscht Helga ganz
fest, daß Alarm wäre, damit sie an ihrem Geburtstag früh mehr Zeit hätte. Überhaupt geht Jörg sehr gern in den Keller.
Vorgestern hättest Du ihn mal hören sollen, als Entwarnung war. „Ich gehe nicht
nauf, wir müssen sicher doch wieder runter. Grade wo‘s so schön ist, müssen wir
wieder rauf.“ Er hätte bald geheult. Kinder verstehen halt den Ernst eines
Alarms noch nicht und das Ungewohnte macht ihnen Freude. Gestern Nacht haben
wir durchschlafen können.
Helga bekommt morgen
zwei Bücher, davon ist eins ein Märchenbuch und eins eine Kindergeschichte.
Dann ein Nähkörbchen (das braucht sie für die Schule) und eine Puppenbadewanne.
Dazu noch ein paar Pralinen und Bonbon. Den Stoff von Dir habe ich natürlich
auch auf den Tisch gelegt und Deinen lieben Brief ebenfalls.
Ich habe mir auch
einen Geburtstagstisch aufgebaut und zwar auf der Maschine, damit, wenn jemand
kommen sollte, nicht jeder alles sieht, denn da liegen alle die Sachen drauf,
die Du mir geschenkt hast. Da ist die Maschine gleich voll. Dein lieber
Geburtstagsbrief liegt auch dabei.
Gestern habe ich für
Dich 3 Päckchen Rasierklingen gekauft. Eins will Vater zahlen, eins die Kinder
und eins ich. Jeder möchte Dir gern eine Freude machen und da Du sonst nichts
benötigst, haben wir uns in diese Kleinigkeit geteilt.
Ich habe bis jetzt
18 ¾-ltr.-Gläser 4 1/2ltr.Gläser 9Eein-Pfund Honiggläser und 3 ¼ ltr. Geleegläser voll Marmelade
gekocht. In die ¾ ltr.-Gläser geht ca. 1 ½ Pfund Marmelade. Nachdem wir nicht
so viel Zucker haben, ist das doch ganz schön.
Nun will ich schließen.
Lieber Ernst,
behalte uns drei recht lieb und sei recht oft gegrüßt und ganz fest geküßt von
Deiner Annie.
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