Mein lieber Ernst! Konstanz, 25.Sept. 40.
Heute regnet es nun schon den zweiten Tag und ich kann die
Apfelernte nicht fortsetzen. Es sind die Nacht über wieder 15 Pfund
runtergefallen. Glücklicherweise sind
davon nicht alle Äpfel fest aufgesprungen, da der Boden aufgeweicht ist, so daß
ich sie noch einige Tage aufheben kann. Ich bin direkt froh, daß schon die 3
Ztr. abgenommen worden sind, vor allen Dingen auch die schönsten, die ganz oben
gehangen haben. An manche, die ganz außen hängen, kommt man überhaupt nicht
hin. Ich will mal sehen, ob ich noch
eine größere Stange an den Apfelpflücker machen kann. Es kommt drauf an, ob ich
dann genug Kraft in den Armen habe, um die Stange zu stemmen.
Gestern Abend habe ich mich wieder hinter die Briefmarken
gesetzt. Es macht mir immer große Freude, wenn ich wieder eine ins Album tun
kann, die Du noch nicht hast, oder wie gestern, wo Du die eine Marke schon
hattest, aber es fehlten zwei Zacken und die neue Marke ist einwandfrei. Aber
weißt Du, was ich einfach nicht finde, Jugoslawien. Ist das nicht drin? Heute
Abend werde ich wahrscheinlich weiter machen.
Heute tagsüber habe ich mal mit dem nähen von Jörg‘s
Hausschuhen angefangen. Dazu sind Regentage wieder gut, aber lieber wär mir‘s,
es käme bald wieder die Sonne, schon wegen der Äpfel. Wie Du Dir denken kannst,
essen wir jetzt ziemlich viele Äpfel, natürlich nur Falläpfel. Von den
gepflückten Äpfeln sind sehr wenige madig und auch die in letzter Zeit
gefallenen Äpfel haben fast nie Maden. Bei den früher gefallenen war das
natürlich anders.
Ich schicke Dir heute die zweiten 5,-. Morgen folgen die dritten. Solltest Du noch
mehr Geld brauchen, so könnte ich Dir evtl. noch das Geld schicken, welches ich
für die Äpfel bekommen habe. Es sind dies 8,-Mk für 50 Pfund. (Frau N. hat noch
10 Pfund genommen, die man nicht so lange aufheben kann). Weiteres verfügbares
Geld habe ich diesen Monat nicht, weil ich M 35, für Kartoffeln weggelegt habe.
Höchstens könnte ich von der Sparkasse was holen, das ginge auch. Du schreibst
mir‘s bitte, ob Du noch was brauchst. Die 15,- habe ich aber gut übrig
gehabt.
Post habe ich heute keine von Dir bekommen, aber das ist
auch gar nicht zu verlangen, denn ich habe ja gestern gleich zwei Briefe
bekommen. Nun schließe ich wieder für
heute, mein lieber Ernst.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, 26.Sept. 40. abends 9
Uhr
Denk Dir, ich habe heute nicht einmal an Dich geschrieben.
Du wirst es aber sicher entschuldigen, denn ich habe den ganzen Nachmittag
Äpfel gepflückt. Mir will die Hand beim schreiben scheinbar gar nicht parieren,
denn sie ist mir ziemlich schwer, da ich den ganzen Nachmittag den Obstpflücker
in der Hand gehabt habe. Ich habe oben auf der Leiter gestanden und habe mit
dem Pflücker die Äpfel an d e n Zweigen gepflückt, die ziemlich weit außen
sind. Anders kommt man an diese Äpfel nicht ran. Ich habe 120 Pfund gepflückt
und 25 Pfund Falläpfel hat es gegeben. In der Nacht sind auch wieder 15 Pfund runtergefallen.
Wenn es morgen wieder trocken sein sollte, werde ich weiter pflücken.
Heute früh sah es ganz trüb aus und der Baum war ganz
patschnaß. Ich dachte schon, daß es gleich wieder regnen würde. Dann hat sich
aber ein Wind aufgemacht und hat alles getrocknet. Da dachte ich, die
Gelegenheit nehme ich gleich wahr, wer weiß, wie morgen das Wetter wieder ist.
Wir haben nun über 4 Ztr. gepflückte und rund 3 Ztr. Falläpfel geerntet. 50
Pfund hat Vater haben wollen. Er will sie mir aber bezahlen. Es ist doch fein,
daß wir einmal eine so reiche Ernte haben, nicht wahr?
Du hast Dich also einmal daraufhin angesehen, ob Du dicker
geworden bist. Das macht ja nichts aus, wenn Du zugenommen hast, das wirst Du
Dir schon wieder abarbeiten, wenn Du wieder hier bist später. Ich habe sicher
nicht zugenommen, höchstens etwas abgenommen, aber ich fühle mich sehr wohl
dabei. Jetzt beantworte ich Dir schon Deinen Brief und derweil habe ich Dir
noch gar nicht geschrieben, daß ich heute Deinen lieben Brief vom 21.September
bekommen habe. Der hat mich wieder sehr gefreut.
Daß Dir Deine Frau fehlt, die Dich immer so ärgert, das
glaube ich Dir gleich. Also mußt Du einfach mal auf Urlaub kommen, da kannst Du
den Ärger gleich haben, Du lieber Kerl.
Mich hat es gefreut, daß Du den Kuchen gerade am Samstag erhalten hast.
Vielleicht hast Du Dir was für den Sonntag aufheben können. War er noch
ziemlich ganz?
Gestern habe ich wieder die Briefmarken vorgeholt und viele
einsortiert. Ich hatte eigentlich vor, heute weiter zu machen. Aber nun habe ich lieber an Dich, mein
lieber Ernst, noch geschrieben. Die Briefmarken laufen mir ja nicht davon und
ich bin einfach mit dem Tag nicht zufrieden, wenn ich Dir nicht geschrieben
habe.
Nun will ich aber doch Schluß machen, es ist gerade um 10
Uhr. Ich schicke Dir im Brief die dritten 5,-M mit. Gute Nacht, mein lieber Ernst.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Lieber Ernst! Da ich
heute Abend gerade hier bin, schreibe ich Dir einige Zeilen dazu, was schon
lange meine Absicht war. Zuerst noch meinen besten Dank für Gratulation zum
Geburtstag und Zigarren. Es war mir leider nicht möglich, Dir zu Deinem
Geburtstage zu gratulieren, da wir nicht wußte, wie lange Du in C. noch
verbleiben würdest.
Wir haben aber Deiner
gedacht hier zusammen an dem Tage und wünsche noch nachträglich alles Gute und
vor allen Dingen, daß wir alle gesund bleiben.
Hier in Konstanz sind auch verschiedentlich Gefangene gekommen, auch bei
St. Meinen Urlaub habe ich auch noch zu gut und werde denselben in nächster
Zeit noch machen. Im Allgemeinen ist alles das gleiche. Bei dem letzten
Fliegerangriff hier, wo Kurt gerade hier war, ist ein Blindgänger am
Gottlieberweg herunter, denselben weißt Du ja, es war eine zeitlang gesperrt.
Hoffentlich kommst Du bald mal auf Urlaub. Herzliche Grüße von Deinem Vater.
Mein lieber
Ernst! Konstanz,
27.9.40
Auch heute komme ich
erst um 5 Uhr dazu, an Dich zu schreiben.
Früh war ich erst in der Stadt, heute Nachmittag habe ich erst 30 Pfund
Äpfel abgenommen und dann noch ein Stück umgegraben, denn ich habe die
restlichen Bohnenstangen raus nehmen können. Äpfel werde ich entweder überhaupt
nicht mehr oder nur noch ein paar abnehmen. Sie hängen nämlich so weit außen
und so zwischen kleinen Ästen, daß man einfach nicht dazu kommt. Den Hals
brechen möchte ich mir nun auch nicht gerade dabei. Schütteln will ich sie
jetzt auch noch nicht, denn ich habe noch ziemlich Falläpfel da. Sonst werden
mir nur zuviel schlecht. Wenn nach und nach welche runter fallen, ist es auch
ganz recht. Ich lese sie ja immer sorgfältig auf. Umkommen tun sie auf keinen
Fall. Ernst, das war eine feine Ernte, das hat mir gefallen. Glaubst Du
das?
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 23. September. Ich
danke Dir recht sehr dafür. Ich sehe aus dem Brief, daß Du keine Angst hast,
ich könnte Dir an den Briefmarken etwas verderben und daß Du es auch verstehst,
wenn ich vielleicht nicht alles richtig einsortiere. Die größte Mühe gebe ich
mir jedenfalls, daß ich es soweit als möglich richtig mache. Bei den belgischen
Marken waren verschiedene, die dünne Stellen hatten, während das bei den
anderen nur vereinzelt vorgekommen ist.
Wenn Du Dich noch nicht so nach meinem Befinden erkundigt
hast, so bist Du deswegen nicht selbstsüchtig. Ich habe Dir ja immer
geschrieben, was ich so tue und schaffe und Du wirst Dir sicher auch gedacht
haben, wenn ich nicht auf der Höhe wäre, könnte ich im Garten auch nicht so
schaffen. Also, mir geht es gut. Augenblicklich bin ich mal stark heiser, aber das
hat nichts zu sagen. Die Kinder haben auch Schnupfen. Das kommt vom Wetter.
Heute erhielt ich von den Eltern die Mitteilung, daß Hans Krall aus Rosenberg
von einem Feindflug nicht zurückgekehrt ist. Kralls haben gleich
Nachforschungen anstellen lassen, aber sie haben nicht viel Hoffnung. Für meine
Tante ist es auch schlimm. Vor ein paar Jahren Maria und jetzt evtl. Hans. Dem
Vater wird es sicher nicht so nahe gehen, denn für ihn war ja Hans immer der
Prügelknabe.
Von Kurt habe ich gestern auch einen Brief erhalten. Er wird
in nächster Zeit einen 10tägigen Urlaub bekommen. Er hat, soviel ich aus dem
Brief lese, auch Dir davon geschrieben.
Es ist jetzt ¾ 6 Uhr und ich will Schluß machen, sonst
kommen die Kinder zu spät ins Bett, denn ich will den Brief noch
wegschaffen.
Nun, mein lieber, lieber Ernst, sei für heute recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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