Mein lieber Ernst!
Konstanz, 19.Sept.40
Heute erhielt ich
Deinen lieben Brief vom 13.9. Ich danke Dir vielmals dafür. Ich beschäftige mich jetzt immer mit der
Frage, ob Du auf Urlaub kommst. Ich würde Dir gern noch den Apfelbaum zeigen, wenn
er so viele Äpfel hat. Gegessen haben
wir dieses Jahr wirklich schon viele Äpfel bzw. Apfelmus. Du weißt ja, für
Äpfel bin ich immer zu haben und unsere schmecken dazu wirklich gut.
Das kannst Du Dir denken, daß ich, wie Du schreibst,
ziemlich verärgert war, als ich zwei Briefe an einem Tag von Dir erhielt. Ich
glaube, ich könnte sechs Stück bekommen und ich würde mich nicht ärgern. Im
Gegenteil, je mehr, je lieber.
Bezüglich Wolle und allem anderen habe ich gar keine
Wünsche. Nur den einen Wunsch habe ich, daß Du recht bald zu uns kommst. Es muß
doch einmal Wahrheit werden. Du
schreibst, daß es Dir unerklärlich ist, wie Jörg am Auge wildes Fleisch
bekommen konnte. Der Arzt sagt, das sei nichts Schlimmes. Das müßte man
wahrscheinlich noch ein paar Mal wegschneiden. Es könnte aber auch sein, daß es
einmal so schnell von selbst weggeht, wie es gekommen ist. Gefährlich ist es
nicht.
Wenn Du auf Urlaub kommst, wirst Du ja selbst sehen, wie es
aussieht. Mit dem parieren von Jörg hat
es so manchmal seinen Haken. Ich muß öfter mal dazwischen fahren. Du weißt ja
selbst, wie so Lausbuben sind. Oder warst Du ganz brav? Helga folgt ja eher,
sie ist eben ein Mädchen und die sind immer brav, nicht wahr.
Lieber Ernst, ich würde Dir im Garten auch gern einmal zeigen,
wie schön unser Kraut wird. Es ist eben manches, woran ich auch eine noch mal
so große Freude hätte, wenn ich es Dir zeigen könnte.
Weißt Du, das Wort „Urlaub“ ist einfach ein Zauberwort, kaum
hört man´s, so fängt man gleich an zu träumen und viele Wünsche werden laut.
Wenn ich mir auch noch so viel Mühe gebe, nicht an den Urlaub zu denken, weil‘s
ja noch gar nicht sicher ist, ob Du welchen bekommst, so stiehlt sich doch
immer so eine leise Hoffnung durch, daß es doch wahr sein möge.
Gestern habe ich doch Deine Briefmarken fertig gemacht und
sie, soweit ich es verstanden habe, in
die einzelnen Seiten reingelegt. Zwei oder drei Stück sind nicht einwandfrei.
Eine, die aufgeklebt war, war ein ganzes Stück eingerissen. Es ist aber sicher
keine wichtige. Ich lege sie bei. Übrigens hat es viel weniger Arbeit gemacht
als ich dachte. Es hat mich sogar interessiert. Bei manchen bin ich ja nicht
ganz zu recht gekommen, auf welche Seite sie gehören. Aber, das wirst Du dann
schon machen. Nun will ich wieder für
heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, 20.9.40
Post habe ich heute keine von Dir erhalten. Heute ist nun
der 20zigste und es könnte der 1.Tag Deines Urlaubs sein. Ich weiß ja nun gar nicht,
ob Du welchen bekommst. Ich denke immer, Du müßtest jede Minute kommen,
andernteils kann ich es mir noch gar nicht vorstellen, daß Du wirklich Urlaub
bekommst. Es ist halt so eigenartig, wenn man gar nicht weiß, woran man ist.
Lieber Ernst, wenn Du doch kämst, wir würden uns so
freuen. Heute ist wieder ein etwas
stürmischer Tag. Da sind wieder ziemlich viele Äpfel runter gefallen. Die
werden aber alle verdrückt, da kommt nichts um. Runter müssen die Äpfel aber
bald, denn die Runtergefallenen waren meist gar nicht madig, sondern nur
reif.
Nachdem ich die letzten Tage im Garten geschafft habe, ist
heute bei mir ein etwas fauler Tag. Aber das muß auch einmal sein.
Gestern Abend habe ich noch die Briefmarken abgeweicht und
einsortiert, die mit dem gestrigen Brief gekommen sind. Nur bei Herrn Kuster
war ich noch nicht wegen den Briefmarken, die er evtl. bei Dir bestellen soll. Ich werde es aber
bald nachholen. Ich weiß nicht, ob ich
Dir‘s gestern schon geschrieben habe, daß ich die Halbhohen und die Buschbohnen
gestern abgemacht habe. Sie sind dürr. Bei Gelegenheit werde ich sie auskernen.
Eigentlich weiß ich gar nichts mehr zu schreiben. Ich habe immer die Hoffnung,
daß ich vielleicht bald mit Dir reden kann. Das wär natürlich noch viel schöner
als schreiben. So mache ich einstweilen
für heute Schluß. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie, die
sich schon sehr auf Dein Kommen freut.
Mein lieber Ernst!
Konstanz,.21.Sept. 40
Heute erhielt ich gleich 2 Briefe von Dir, vom 16. und 17. September. Ob Du nun wirklich Urlaub
bekommst, steht ja noch nicht drin. Ich will aber die Hoffnung noch nicht
verlieren, daß es doch etwas wird. Wenn Du auch ohne Anmeldung kommst, das ist
doch gleich. Die Hauptsache, Du bist da.
Siehst Du, morgen haben wir gerade den von Dir gewünschten
Pflaumenkuchen. Selbstverständlich backe ich Dir gern, sogar sehr gern, wieder
einen Pflaumenkuchen, wenn Du kommst. Wenn Du nur schon da wärst. Ich freue
mich ja schon so auf ein Wiedersehen. Jetzt bist Du ja schon 18 ½ Woche fort.
Da dürften sie Dir schon einmal Urlaub
geben.
Für die Bilder danke ich Dir recht sehr. Sie gefallen mir
gut, vor allem die, auf denen Du mit drauf bist. Auf dem einen, wo Du so fest
lachst, hätte ich Dich fast nicht erkannt. Es ist selten, daß Du auf einem Bild
mal so lachst. . Die mitgesandten Briefmarken werde ich wieder versorgen. Den
Durchschlag Deines Urlaubsgesuches hast Du beizulegen vergessen. Wahrscheinlich
ist er im nächsten Brief drin.
Jetzt müssen die Äpfel bald runter, sie sind gut reif. Heute
sind ganze 15 Pfund runter gefallen und die wenigsten sind madig. Vielleicht
kommst Du doch noch so in Urlaub, daß Du sie runter holen kannst. Sonst müßte
ich eben doch die Hilfe der Hausbewohner in Anspruch nehmen.
Lieber Ernst! Ich habe ganz gewaltige Sehnsucht nach Dir,
vor allem deshalb, weil ich weiß, daß Du evtl. Urlaub bekommst. Sonst
beschäftigt man sich gar nicht so intensiv mit dem Wiedersehen, denn man machte
sich sonst nur das Leben schwer. Aber bei dem Wort „Urlaub“ wird die
Wiedersehensfreude plötzlich munter.
Wir hatten die letzten Tage auch ziemlich föhniges Wetter.
Man merkt´s aber gleich, man hat Kopfweh und ist ziemlich müd´. Heute ist es
wieder etwas besser.
Bei uns ist es hier noch ziemlich warm. Wenn es natürlich
Regenwetter ist, da wird es gleich kühl. Es ist ja auch schon Ende September.
Den alten Muselik hast Du doch auch dem Namen nach gekannt. Der ist am 15.
September gestorben. Vielleicht
interessiert es Dich. Dann
schicke ich Dir heute noch einen Artikel vom Lämmel mit. Ich dachte, daß es für Dich von Interesse ist. Nun, lieber Ernst, will ich schließen. Komm
recht bald auf Urlaub. Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Annie.
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