Mein lieber Ernst!
Konstanz, 1.Okt.40.
Heute bekam ich
Deine beiden lieben Briefe vom 24. und 25.Sept. Das war wieder schön. Da ist
der Tag gleich noch Mal so schön. Bei
uns ist es sehr kalt geworden. Das macht der Wind.
Ich bin wirklich sehr froh, daß die Äpfel vom Baum sind. Aus
Deinem Brief sehe ich, daß du gegen den Verkauf von Äpfeln, wie ich es gemacht
habe, nichts einzuwenden hast.
Heute Abend gehe ich nun ins Kino. Vater war gestern Abend
noch da. Er will heute bei den Kindern bleiben. Ich schreibe Dir morgen, ob
mir‘s gefallen hat.
Für den Militär-Regenumhang habe ich auf jeden Fall
Verwendung. Da brauchst Du keine Sorge haben. Du weißt ja, für so etwas bin ich
immer Abnehmer.
Wie Du ja nun inzwischen gelesen hast bzw. haben wirst,
(manchmal ist es ja mit den Briefen verdreht) ist die Apfelernte ohne Unfall
verlaufen ist, Gott sei dank, denn das hätte sich noch gelohnt. Ich hatte auch
deshalb Bedenken, aber die Mutter des Jungen sagte, er wäre schon öfter bei der
Ernte auf den Bäumen gewesen.
Es hat mich recht gefreut, daß Dir der Kuchen geschmeckt
hat. Also wirst Du über das Ausnahmepäckchen nicht mehr böse sein. Eigentlich
bist Du‘s ja auch nicht gewesen. Nur ein bißchen spotten hast Du müssen, Du
lieber Kerl.
Der Helga kann ich jetzt mal keinen Kuß geben. Sie hat vom
Schnupfen einen Ausschlag an der Nase und um den Mund rum bekommen Es wird aber
schon etwas besser. Lieblich sieht sie ja aus.
Ich habe heute meine Wäsche hinter mir. Da bin ich auch
froh. Die Arbeit von letzter Woche an hat mich doch etwas kaputt gemacht. Jetzt
muß ich erst mal ein paar faule Tage einschieben. Da kann ich dann vielleicht
gleich den 2. Filzschuh für Jörg fertig
machen, denn die alten Schuhe sind futsch. Ich muß mir nächstens auch einen
Bezugschein für ein paar Filzschuhe holen.
Ab heute braucht man doch am Rad noch einen neuen
Rückstrahler, der am Dynamo angeschlossen wird. Ich wollte gestern zwei Stück
kaufen, aber es kommen erst am Freitag welche. Sie sind ja ziemlich teuer. Im
Laden sagten sie, daß ein Rückstrahler ca. 2,-M kosten wird.
Gestern habe ich mich einmal gewogen. Ich wiege 136
Pfund.
Heute Nachmittag ist Helga wieder in der Schule und Jörg
spielt draußen. Er geht jetzt immer mächtig gerüstet hinaus, denn meist spielen
sie doch Soldaten. Da nimmt er seine zwei Gewehre, seinen Holzsäbel, die
Botanisiertrommel und meist noch seine große Schaufel mit.
Helga ist ein kleiner Leseratz. Immer hat sie ihre
Märchenbücher beim Wickel. Es ist direkt ein Wunder, daß sie noch zum spielen
an die Luft geht.
Ich lege Dir zwei kleine Zeitungsausschnitte bei, die Dich
sicher interessieren werden. Da ist es doch schön, daß wir diesmal eigene Äpfel
haben. Nun, mein lieber Mann, will ich
wieder schließen. Sei für heute recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber
Mann! Konstanz, 2.Okt. 40.
Heute habe ich keine
Post von Dir erhalten. Scheinbar wird die Post wieder mal bummelig. Aber ich
weiß ja, daß Du immer schreibst.
Um 7 Uhr ist heute früh Kurt in Konstanz angekommen. Er hat
10 Tage Urlaub. Bis einschließlich Freitag über 8 Tage ist Kurt hier. Er hätte
sich sehr gefreut, wenn Du auch da gewesen wärst. Ich soll Dir ausrichten, Du
sollst sofort Urlaub nehmen, daß Ihr Euch noch sehen könnt. Soeben ist Kurt dabei, auf seiner
Schreibmaschine zu üben. Wie er sagt, gehts‘s fast nicht mehr.
Gestern Abend war ich nun im Film. Es hat mir sehr gut
gefallen. So näher erzählen kann ich es
im Brief ja nicht. Nach hause bin ich mit dem Postomnibus gefahren.
Heute Vormittag haben wir gebadet. Das war wieder eine
Erholung. Jetzt, wo es kälter ist, tut
ein warmes Bad ganz gut. Ich komme gar nicht
recht zum schreiben heute. Gerade eben habe ich Kurt die Photografien von Dir
gezeigt. Er hat sich auch dafür interessiert.
Mein lieber Ernst! Nun mußt Du auch unbedingt einmal auf
Urlaub kommen. Das geht doch einfach nicht, daß immer andere auf Besuch kommen,
nur Du nicht. Du schreibst ja in einem Brief, daß Du auch das Heimweh
kennengelernt hast. Da verstehst Du ja auch, daß ich mich auf ein Wiedersehen
riesig freue und daß ich Sehnsucht nach Dir habe.
Manchmal muß man doch bei den Kindern über ihre Aussprüche
lachen. Ich habe Jörg ein Papierschiff gemacht. Da stellte er sich heute davor,
beschaute es mit wichtiger Miene und meinte: „Mutterle, das Schiff ist wirklich
schön, ich könnte nicht sagen, daß es nicht schön wär.“ Dazu sein
Lausbubengesicht, na, Du kennst es ja.
Lieber Ernst! Laß mich für heute schließen. Wenn am Tisch
die Schreibmaschine klappert, kann ich einfach nicht die Gedanken
zusammenhalten. Sei nun für heute recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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