Mein lieber Ernst!
Konstanz, 26.Oktober 40
Heute habe ich wieder die Freude gehabt, einen Brief von Dir
zu bekommen vom 22.10. Deine Briefe sind immer so schön geschrieben, daß ich
mich schon vorher jedes Mal freue.
Es freut mich, daß Dir die Bilder auch gefallen haben. Sie
sind doch eine Erinnerung an Deinen Urlaub.
Wenn Du Fett bekommen hast und es mir schicken willst, bin ich Dir sehr
dankbar. Die fettdichten Honigbehälter sende ich am Montag weg, da mir heute
die Zeit etwas zu knapp dazu ist.
Gestern habe ich mich an das Auftrennen des Mantels von Kurt
gemacht, denn ich will jetzt mit nähen anfangen. Die Maschine habe ich mir
heute schon rausgeholt. Zuerst kommt nur noch das Kraut einhobeln dran.
Gestern wollte doch die Spielschar zu den Verwundeten gehen.
Nun wollen sie erst morgen gehen. Damit aber die Blumen nicht verwelken, es
sind unsere letzten Dahlien, habe ich die Kinder mit den Äpfeln noch dazu,
heute hingeschickt. Jörg ist ganz glücklich, daß er nun mit durfte. Die Frau Synkovis
hatte die Blumen und Äpfel gestern mit heim genommen. Helga sollte sie am
Sonntag wieder bekommen. Da mir das nicht recht war, habe ich sie wieder
geholt. Ich habe gesagt, daß es um die Blumen schade ist. Wenn sie schon
abgeschnitten sind, sollen sie auch Freude machen. Als ich hin kam, lagen sie
noch ohne Wasser da und waren teilweise schon angewelkt. Ich habe auch die
Äpfel geholt, da die Kinder ja schließlich nicht nur mit den Blumen losgehen
können.
Die Frau Synkovis fragte, ob denn Helga am Sonntag dann
nicht mit käme, Frl. Maibrunn käme von der Presse und photografiert würden sie
für die Zeitung auch. Ich antwortete drauf, das wüßte ich noch nicht. Das Photografieren wäre ja schließlich nicht
die Hauptsache bei einem Besuch der Verwundeten, sondern muß man ihnen eine
Freude macht. (Aus den Reden hatte ich gemerkt, daß ihr die Presse und das
Photografieren die Hauptsache ist. Da hat sie sich ziemlich gefuchst und sie
sagte, als ich wegging: „Auf die Blumen käme es ja schließlich nicht an, sie hätten
so viel Blumen bestellt, daß jedes Kind welche bekäme und Äpfel hätten sie
einen ganzen Wagen bestellt“. Darauf habe ich gesagt: „Na, sehen sie, da ist es
ja besser, ich hole sie ab, so machen sie wenigstens eine kleine Freude.“ Ich
habe mich ja heimlich gefreut. Mir ist die Frau nicht sympathisch. Kennst Du
sie?
Wir haben seit ein paar Tagen sehr regnerisches Wetter, so daß
ich noch nicht zum Umgraben des Gartens hinterm Haus gekommen bin. Da ich ja
nun im Haus sein muß, kann ich ja die Hausarbeiten bei Tag alle machen, da bin
ich gegen Abend fertig und lese den Kindern von 6 bis 7 ungefähr etwas vor und zwar aus “Nils Holgerson´s Reise mit
den Wildgänsen“ immer ein Stück. Was noch für die Kinder unverständlich
geschrieben ist, erzähle ich einfach. Helga und Jörg sind ganz begeistert.
Kurt hat an Vater und mich geschrieben, daß er das Notizbuch
bekommen hat und daß er jetzt ganz erleichtert dadurch ist. Heute habe ich mal alle Bohnen versorgt, die
überall herumstanden. Die Äpfel, die Du noch abgenommen hast, sind auch
ziemlich zusammengeschrumpft, so daß auf einmal wieder ziemlich Platz im
Schlafzimmer ist. Nun schließe ich. Es
ist gleich 5 Uhr und ich muß noch einkaufen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber, lieber
Ernst! Konstanz, 26.Oktober
40.
Heute Abend will ich Dir nur noch ein paar Zeilen schreiben,
ehe ich schlafen gehe. Ich freue mich immer, wenn ich noch mit Dir brieflich
wenigstens reden kann.
Nachmittags waren die Kinder doch bei den Verwundeten. Sie
kamen ganz begeistert heim. Die Soldaten hätten sich so gefreut und hätten so
Spaß mit ihnen gemacht. Einen haben sie auch wieder getroffen, den sie schon
einmal besucht haben. Erst sind sie in ein kleines Zimmer gegangen und haben
dem Soldaten die Blumen und etliche Äpfel gegeben. Dann sind sie in einen
größeren Saal gekommen, da sind ungefähr 12 drin gelegen. Da haben sie jedem
einen Apfel gegeben und haben sich unterhalten. Die Soldaten haben dann gesagt,
sie soll mit ihrem Zeugnis nur mal hinkommen. Aber ich lasse sie nicht gehen.
Gegen ¼ 6 Uhr sind sie dann dagewesen. Kurz danach bin ich vom Einkaufen auch
heimgekommen. Wir haben dann gegessen und dann haben sie gleich ihre Stühle
geholt und haben gewartet, daß ich vorlese. Da es schon ½ 7 Uhr war, wollte ich
sie auf morgen vertrösten, aber sie haben so gebettelt, da konnte ich nicht
hartherzig sein. Bis ¼ 8 Uhr habe ich dann gelesen, dann mußten sie sich aber
ausziehen. Ich habe sie noch fest abgeschrubbt,
da ja heute Samstag ist und endlich ¼ 9 Uhr waren sie im Bett. Es ist jetzt um
9 Uhr und ich gehe auch gleich schlafen. Ich bin heute richtig müd.
Ich habe mich so gefreut, daß Du immer an uns denkst und
sogar schon wieder Päckchen schickst, nachdem Du uns und besonders mich doch
gerade erst so verwöhnt hast. Du bist ein ganz lieber Kerl, weißt Du das? Ich habe es damals, als Du fort gefahren
bist, doch gespürt, daß Du noch nicht um ½ 8 Uhr dort warst, denn erst gegen 1o
Uhr ist es mir doch etwas leichter geworden, wie ich Dir schon schrieb.
Ich habe mich hinterher, als ich gelesen habe, daß Du
wirklich ca. 2 Stunden später angekommen bist, gefreut, daß ich in Gedanken so
mit Dir verbunden bin, daß ich das gefühlt habe. Ich denke ja auch den ganzen
Tag an Dich und bis jetzt habe ich jede Nacht von Dir geträumt. Nun will ich aber schlafen gehen, sonst wird
es wieder so spät. Gute Nacht, mein lieber Schatz!
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