Mein lieber Ernst! Konstanz, 29.Oktober 40.
Heute ist es schon ½ 4 Uhr, ehe ich dazu gekommen bin, an
Dich zu schreiben.
Ich habe den ganzen Vormittag Kraut eingehobelt. Nachdem ich
im Garten noch einige Krautköpfe stehen gelassen habe, für Krautwickel usw.,
habe ich doch den ganzen Topf voll Kraut eingehobelt. Dabei habe ich noch
abgeschnittenes Kraut übrig. Ich glaube, das Sauerkraut langt uns.
Eben kam der Briefträger und brachte mir zwei Päckchen von
Dir, aber keinen Brief. Der letzte Brief von Dir war vom 22.10. In den Päckchen,
für die ich Dir herzlich danke, waren Handschuhe, Schokolade, Zucker, Leder,
eine Batterie und Kaffee. Ich habe mich sehr über alles gefreut. Die Handschuhe
passen fein und sie gefallen mir sehr gut.
Lieber Ernst, sind das die zweiten Päckchen? Denn die Bluse,
das Jäckchen und Strümpfe waren nicht drin. Vielleicht kommen diese Päckchen
später, wenn auch wieder ein Brief von Dir kommt.
Ich bin sehr froh, daß ich jetzt wieder eine Batterie habe.
Da brauche ich im Keller nicht immer so im Dunklen tappen. Über das Leder freue ich mich auch sehr. Bei
den Schuhen von Jörg tut‘s not, daß ein paar richtige Absätze drauf kommen. Die
Gummiabsätze sind ja ganz abgetreten. Du bist halt ein ganz lieber Kerl, Du sogst
für alles. Die Schokolade hebe ich noch auf. Ich danke Dir also nochmals für
all die schönen Sachen, auch für die schönen Handschuhe. Sind Deine Handschuhe
auch braun oder grau? Hast Du Dir eigentlich schon eine Schirmmütze gekauft,
oder gibt es dort auch keine? Ich würde mich so freuen, wenn ich wieder einen
Brief von Dir bekäme. Ich hoffe ganz fest auf morgen früh. Das kann doch die
Post gar nicht verantworten, mich solange warten zu lassen, bist Du nicht auch
der Meinung? Deine beiden lieben Päckchen habe ich ja heute erhalten und drum
will ich nicht maulen.
Ich soll Dir auch noch schreiben, daß Jörg mir brav geholfen
hat beim Einhobeln. Er hat die Blätter auf den Komposthaufen geschafft, nachdem
er mir früh schon das ganze Kraut raufgeholt hat. Auch gestampft hat er ein
bißchen mit. War er nicht brav? Die Blätter habe ich vorhin noch richtig auf
den Komposthaufen aufgeschichtet, damit alles ein bißchen ordentlich
aussieht.
Das Wetter hat sich heute ein klein wenig gebessert. Es ist
zwar noch ganz bedeckt, aber wenigstens nicht naß. Wenn sich‘s eine Weile hält, kann ich bald den Garten
umgraben. Ich habe jetzt schon manchmal
gedacht, wie gut es doch war, daß Du Anfang Oktober hier warst und nicht erst
jetzt. Erstens ist es jetzt schon ziemlich kalt und außerdem so unfreundlich.
Von Fahrten nach Immenstaad, Meersburg oder der Mainau
hätten wir jetzt gar nichts mehr. Und gerade diese Fahrten und Spaziergänge
waren doch so schön und man erinnert sich so gern daran.
In Deinem Brief vom 22. schreibst Du, daß Ihr zu einer
Brandstelle gerufen worden seid. Was müßt Ihr da tun? Nun wird es wieder Zeit, daß ich den Brief fortbringe. Ich danke
Dir noch vielmals für Deine lieben Päckchen und grüße und küsse Dich recht
herzlich Deine Annie.
Mein lieber Ernst! 29.10. abends
Ich bin jetzt gerade
mit meinem Tagewerk fertig, es ist 10 Minuten vor 10 Uhr. Jetzt wird im Radio
„Der Lügenlord“ gesungen. Das höre ich doch besonders gern.
Bis ½ 10 Uhr war Vater da. Ich habe bis jetzt gebügelt, da
wir morgen Vormittag zur Sparkasse gehen wollen, da komme ich nicht dazu. Vater
hat den Kindern je 25 Pfennig gegeben, die sie noch mit sparen sollen. Da war
die Freude groß. Morgen Nachmittag soll
ich Vater die Erdbeersetzlinge raus machen. Er holt sie morgen Abend. Heute Abend habe ich den Kindern wieder
vorgelesen. Da solltest Du sehen, wie sie nach dem Abendessen springen, damit
noch Zeit zum Vorlesen bleibt. Eins
macht gleich die Fensterläden zu und deckt die Betten auf, das andere räumt die
Butter, Brot usw. vom Tisch und holt den Verdunklungsvorhang. Inzwischen habe
ich dann abgewaschen. Nun wird noch die Tischlampe geholt, die blendet nicht
so, dann werden die Stühle zu mir an die Seite gerückt, damit auf jeder Seite
einer sitzt und nun wird vorgelesen. Das Märchen gefällt den Kindern sehr.
Immer betteln sie, daß ich noch ein paar Seiten mehr vorlesen soll, bis es dann
höchste Zeit zum schlafen gehen ist.
Die letzten Tage hatte ich immer meine alten Handschuhe angezogen, weil
mir die neuen von Dir zu schade waren. Da es mir aber immer so durch die Ärmel
zog, habe ich heute doch die neuen Handschuhe, die dunkelgrünen, die auch so
schöne hohe Stulpen haben, angezogen. Das war schön warm, einfach prima.
Nun möchte ich Dich noch etwas fragen. Du hast doch eine
Skimütze. Du hast sie ja in den letzten Jahren wenig aufgesetzt. Sie paßt nun
Jörg gerade, Du weißt ja, er hat einen ziemlich dicken Kopf. Da wollte ich Dich
fragen, ob er sie mit aufsetzen darf.
Ich habe heute Vater nochmals gefragt, was Du ihm besorgen
sollst. Vor allen Dingen Kaffee und evtl.
etwas zu rauchen. Aber vor allen Dingen solltest Du uns erst schicken,
sagte er, das wäre am wichtigsten. Aber ich glaube, er freut sich auch, wenn Du
mit an ihn denkst. Heute hat er mir
wieder 1,30 für‘s waschen gegeben, nachdem er mir vorige Woche schon ½ Pfund
Margarine gebracht hat.
Lieber Ernst, ich schreibe Dir gern abends noch ein paar
Zeilen, denn da bin ich mit schaffen fertig und kann ausspannen. Da kommt es auch auf ein paar Minuten mehr
nicht an. Anders bei Tag. Da habe ich meist immer zu tun und bis 5 Uhr sollte
ich fortfahren, da es sonst zum Abendbrot zu spät wird.
Denken tue ich ja den ganzen Tag an Dich und ich habe auch
immer Dein liebes Bild vor mir, ich brauche nur den Kopf zur Seite zu wenden. Ich schrieb Dir heute, daß ich gern an die
Fahrten nach Meersburg, Immenstaad und Mainau denke. Als ich das schrieb, habe
ich mir alles nochmals genau vorgestellt und dabei habe ich gemerkt, daß es
besser ist, ich denke daran nur wie an einen schönen Traum. Wenn ich mir alles
nochmals genau vorstelle, tritt der Unterschied zwischen den schönen Tagen, als
Du hier warst und heute doch zu sehr zu Tage. Es ist besser, man denkt nicht zu
viel nach, sondern tut seine tägliche Pflicht. Da vergehen die Tage auch und
Dein nächster Urlaub kommt näher. Und darauf will ich mich immer freuen.
Es ist nun ¾ 11 Uhr. Vielleicht bist Du auch schon im Bett.
Ich gehe jetzt auch schlafen. Schlaf Du auch gut, mein lieber Mann. Wenn es auch besser ist, wenn man nicht so
viel nachdenkt, an eins denk ich doch immer, daß Du mich auch lieb hast, wie
ich Dich lieb habe. Das ist meine tägliche Freude.
30.10.
Mein lieber Ernst!
Da wir heute früh in der Stadt waren und spät zum essen
gekommen sind, schreibe ich Dir jetzt nur ganz kurz. Heute Abend schreibe ich
Dir wieder. Heute früh kam Dein lieber Brief vom 24.10. und heute Nachmittag
zwei Päckchen mit Seife und Unterwäsche. Ich habe mich fest gefreut. Die ersten
zwei Päckchen sind noch nicht angekommen. Wahrscheinlich sind sie irgendwo
liegen geblieben, wie es ja früher schon einmal der Fall war. Ich danke Dir für
die Päckchen einstweilen recht herzlich. Deinen lieben Brief beantworte ich
heute Abend.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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