Mein lieber Ernst! 1.August 1940
Nachdem ich jetzt 2 Tage keine Post von Dir erhalten habe, kam
heute Dein lieber Brief vom 22. bez. 23.7. Und was für ein langer Brief. Da
habe ich mich fest, ganz fest gefreut. Nun kann ich mich auch erst richtig über
Deine lieben Päckchen freuen. Ich danke Dir auch für Deinen ausführlichen
Bericht Deiner Sonntagsfahrt. Dafür daß
ich geschrieben habe, Du würdest Dich zuhause wahrscheinlich gar nicht mehr
wohlfühlen, hast Du mich ja schön runtergeputzt. Aber ich habe daraus gemerkt,
daß Du Dich auch auf ein späteres Wiederkommen freust.
Hoffentlich ist es Dir recht, daß
ich mir ein Kostüm gekauft habe. Wenn Du nun Stoff für ein weiteres hast, so
bin ich Dir gar nicht böse, dann kann ich doch eins nur für Sonntags nehmen und
eins wenn ich so in die Stadt gehe. Ich danke Dir auch recht sehr für Deine
Liebe, mit der Du immer bei Deinen Käufen an mich denkst.
Die sechs Päckchen von Dir sind nun
alle angekommen, ebenso die zwei Taschentücher in den Briefen. Lieber Ernst,
ich kann Dir ja nur immer wieder für alles danken. Vielleicht weißt Du aber
auch so, trotz der wenigen Worte, die ich darüber schreiben kann, wie sehr ich
mich über alles freue.
Elsa Legler hat mir auch wieder
geschrieben. Gerhard ist in Freiberg i.Sa. und ist am vergangenen Freitag ganz
unverhofft auf Sonntagsurlaub gekommen. Am Montag gegen 18 Uhr ist er wieder
fort. Er hofft aber, daß er bald seinen 14-tägigen Urlaub erhält. Helmut Legler
ist jetzt in Orleans. Er hat es scheinbar ganz schön dort. Ich hatte heute Wäsche, denn der erste ist
wieder mal da. Es ist strahlender Sonnenschein. Auf Wunsch der Kinder hat es
heute Spätzle gegeben. Sie haben mich schon so lange darum gequält. Als ich im
Waschhaus war, kamen beide runter gerannt. „Mutterle, die Äpfelfrau, wo wir
voriges Mal welche gekauft haben, ist wieder da.“ Da sie 20 Pfennig kosteten,
habe ich 4 Pfund gekauft. Nun ging´s aber los. “Mutterle, Äpfel schmecken soo
gut, kriegen wir keinen?„ So ging´s drei mal. Beim vierten Mal habe ich gesagt:
“Nun ist aber Schluß, Jörg, hol noch für jeden einen, dann hat jeder 4 Stück,
das langt.“ Da kam er und sagte: „Weißt, ich habe lieber gleich 2 große geholt,
das ist besser.“ Wie Du siehst, ist er nicht zu bescheiden.
Heute hat‘s bei Helga auch Gewissensbisse
gegeben. “Mutterle, die Kinder wollten erst mit Kindergarten spielen anfangen,
wenn ich draußen bin, aber ich sollte doch ans Vaterle schreiben. Er tut mir so
leid, wenn er warten muß.“ Ich habe ihr gesagt, ich werde bei Dir ein gutes
Wort einlegen, weil heute so schönes Wetter ist. Sei also bitte nicht böse,
wenn sie heute nicht schreibt. Dein
Brief an Jörg ist auch angekommen. Er hat ganz gejauchzt als sein Name drauf
stand. Ich habe Jörg den Brief vorgelesen und jetzt muß ich ihn mit auf den
Geburtstagstisch tun, denn den will er sich ganz lange aufheben.
Die Taschentücher, die Du mir
geschickt hast, gefallen mir alle sehr gut. Die Pralinenschachtel aus Bast habe
ich jetzt als Taschentuchbehälter in Gebrauch, da liegen jetzt alle guten Taschentücher
drin, auch die schönen bunten, die Du mir hier einmal geschenkt hast. Das fleißige Lieschen das Du mal mitgebracht
hast, steht ganz voll Blüten und statt der zwei Zweigle sind es jetzt fünf. Mit
den vielen Blüten macht der Blumentopf einen freundlichen Eindruck. An dem
Kinderzimmerfenster hat Jörg gestern Abend selber die Kakteen hereingenommen
und heute früh hat er sie gleich wieder rausgestellt. Er hat mir auch gesagt,
daß ich das ja nicht machen darf. Mal sehen, wie lange dieser Eifer anhält.
Ich habe Dir ja schon oft
geschrieben, wie alles gut im Garten wächst. Da muß ich Dir auch noch
schreiben, daß es dieses Jahr aber nicht viel Bohnen gibt. Aber nicht nur bei
uns, sondern überall. Wie ich gehört habe, soll es von dem vielen Wind kommen,
das könnten Bohnen nicht vertragen. Ich weiß ja nicht, ob es Tatsache ist. Wir
haben ja ziemlich viel Stangenbohnen angepflanzt, da langen sie für uns schon,
aber kannst Du Dich erinnern, wie viele es voriges Jahr gegeben hat?
Nun möchte ich Dir auch noch
danken, daß Du mir Deinen Tageslauf beschrieben hast. Jetzt kann ich mir doch
immer ein bißchen vorstellen, wo Du bist.
Nun schließe ich für heute und danke Dir noch vielmals für Deinen lieben
Brief. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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