Mein lieber
Ernst! Konstanz,
28.8.40
Heute ging kein Brief von Dir ein, was ich ja
schließlich auch nicht verlangen kann, nachdem ich gestern gleich vier Stück
erhalten habe.
Geschafft habe ich
heute wieder im Garten, wenn auch nicht ganz soviel, als ich eigentlich vor
hatte. Immerhin habe ich das Stück, wo die Erdbeeren hinkommen sollen,
umgegraben. Morgen setze ich die
Erdbeeren. Es regnet heute, d.h. eigentlich ist es Hochnebel und es rieselt so.
Zur Not könnte ich also schon noch weiterschaffen, aber, nachdem es nicht so
sehr eilt, habe ich für heute aufgehört.
Es waren gestern ½
Ztr. Kartoffeln, die ich raus gemacht habe, schöne, ziemlich große. Ich habe
sie in den Keller getan. Wir werden sie bald verdrückt haben. 2 Pfund Brombeeren
habe ich gestern noch geerntet und 4 Pfund Falläpfel, früh 2 Pfund und
nachmittags 2 Pfund. Heute hat es wieder 3 Pfund gegeben. Im Ganzen habe ich
bis jetzt 70 Pfund Äpdel gehabt und dabei hängt der Baum noch dick voll. Ich
esse fast jeden Tag eine ziemliche Schüssel Apfelmus, außer dem, was wir auf‘s
Brot schmieren. Da brauche ich gar nicht so viel Obst zu kaufen, wenigstens für
mich nicht. Helga ißt ja Apfelmus nicht so gern, sie ißt lieber Äpfel roh, was
ja auch für ihre Zähne gut ist. Jörg ißt beides gern, da habe ich keine Sorge.
Heute Mittag haben
wir die beliebten rohen Kartoffelpuffer gehabt. Jetzt wünschen die Kinder sich
schon wieder Quarkkeulchen. Die muß ich also auch bald machen. Sultaninen gibt
es ja jetzt auch wieder, da kann ich welche rein tun.
Ich weiß nicht, ob‘s
Dich interessiert. Der Verein Konstanzer Paddler ist aufgelöst, er tritt
geschlossen in die Paddlerabteilung des Turnvereins über, der auch das
Bootshaus übernimmt und herrichten läßt. Übrigens habe ich von den Paddlern in den
letzten Tagen wieder jemand gesehen. Da war doch früher so ein langer Kerl
dabei, er war, soviel ich weiß, aus München. Er war viel mit dem Geo und dem
Haisch zusammen. Ich weiß nicht, ob Du Dich erinnern kannst. Sein Vater hatte
eine Motorradfabrik oder sowas? Jedenfalls
grüßte er mich, als ich auf dem Rad vorbei fuhr. Er hatte seine Braut oder Frau
bei sich. Er hat sich gar nicht viel verändert. Ich habe gerade im Photoalbum nachgesehen. Der war ja mit auf
unserer großen Fahrt nach Karlsruhe.
Jetzt weißt Du vielleicht schon, wen ich meine. Das war doch auch eine
schöne Fahrt damals.
Überhaupt das ganze
Paddelbootfahren war schön.
Den Butgereit habe
ich jetzt auch mal gesehen. Das ist auch immer noch derselbe Lottel. Das habe ich übrigens gestern noch
vergessen. Vater werde ich ausrichten, daß er öfter mal schreiben soll. Er hat
eben auch immer zu tun. Augenblicklich macht er Jagd auf Mottenmaden, von denen
er bisher schon über zweihundert vernichtet hat, wie er mir sagte. So, jetzt will ich mal wieder losfahren,
damit ich zum Abendessen wieder da bin, wir essen immer zwischen 5 und ½ 6
Uhr. Sei Du, lieber Ernst, für heute
wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Lieber Ernst! Konstanz, 28.8.40. abends
Heute schreibe ich
Dir nochmals, nachdem ich heute Nachmittag schon einen Brief weggeschafft habe.
Es handelt sich nämlich um die Besorgung des Gesetzes über Wehrmachtsbeamte.
Ich wollte erst nicht gern ins Geschäft, d.h. aufs Amt gehen und habe versucht,
das Gesetz durch eine Buchhandlung zu bekommen. Das ging aber nicht, da diese
auch das Datum haben müssen, an dem das
Gesetz herausgegeben wurde. Ich bin da
nun heute aufs Amt gegangen. Herr Wolf
hat Ferien, da bin ich zu Herrn Schilling gegangen. Ich habe ihm was von Kameraden
erzählt, die das Gesetz brauchen, die aber keine Gelegenheit haben, es sich
besorgen zu lassen und daß Du Dich dazu erboten hast. Er ist dann mit mir
zu Herrn Maier gegangen, da die Gesetze
und die Nachweise dort liegen. Ich habe dann nachgesehen, habe aber nichts
finden können. Dann kam Herr Schilling wieder runter und hat sich erkundigt, ob
ich was gefunden habe. Er hat dann auf dem Wehramt angerufen und hat sich dort
erkundigt. Die haben gesagt, daß es ein besonderes Gesetz für Wehrmachtsangehörige
nicht gibt, sondern daß dafür das Deutsche Beamtengesetz vom 26.1.37 vom Verlag
Ph. Reklam, Leipzig, maßgebend ist. Was soll ich nun machen? Ich weiß nicht,
habe ich mich nun recht dumm angestellt?
Nachdem diese
Angelegenheit erledigt war, haben mich Herr Maier und Schilling nach Dir
gefragt. Dann hat Herr Maier angefangen vom Krieg zu erzählen. Wie es im Weltkrieg war und wie es diesmal
war. Demnach haben wir diesmal einen Spaziergang nach Frankreich gemacht.
Von Lille hat er auch erzählt. Daß dort
ziemlich miese Bevölkerung wäre, weil es meist Grubenarbeiter seien, aber sonst
die Franzosen wären sehr gastfreundlich, daß dort so viele Mädels krank wären.
Schon im vorigen Krieg hätten sie die Mädels in den Städten zusammengezogen,
damit recht viel Soldaten angesteckt würden. Sie hätten sie aber nur angesehen.
Darauf habe ich gesagt, daß ich das nicht ganz glaube. Darauf sagte Herr
Schilling: Tatsächlich, es ist so, in allem Ernst. Wir hatten zuviel Respekt
davor, daß wir uns anstecken und krank machen. Das hätte sich nicht gelohnt.
Dann sagte er noch zu Herrn Maier, er solle mir nicht solche Sachen erzählen,
sonst bekäme ich Angst um Dich. Ich antwortete darauf, daß ich dazu zuviel
Vertrauen zu Dir habe. Ich habe mich
dann aber gleich verabschiedet, denn Du weißt ja, für solche Gespräche bin ich
nicht zu haben. Herr Maier hat auch
noch mal den Senf aufgewärmt von wegen, wie die Franzosen die badischen Regimenter
gemocht haben und die preußischen nicht leiden konnten.
Also weißt Du, so
Männer reden doch manchmal einen Stuß zusammen, wenn ich mir das jeden Tag
anhören sollte, um Himmels willen. Nun
mal Schluß damit.
Da muß ich Dir auch
noch was erzählen, über das ich hab lachen müssen. Vorhin sagt Jörg: Gell, wenn
Helga wieder in die Schule muß, haben wir‘s wieder schön. Darauf fing Helga
natürlich an zu heulen und ich habe sie trösten müssen. Dann fingen die Kinder
an, sich verschiedenes zu erzählen, u.a.
auch davon, daß Helga mal länger in der Schule sein mußte und Jörg
umsonst hingegangen war und allein heimgehen mußte. Eine Weile nachher fing
Jörg auf einmal jämmerlich an zu heulen. Ich wußte gar nicht, was los war und
fragte ihn darum. Was kam da raus. „Ich weine halt, weil ich soo alleine hab
heimgehen müssen.“ Trotz der vielen Tränen, die geflossen waren, habe ich doch
so lachen müssen. Jörg ist doch manchmal ein Kerl. Damals hat er nicht geheult,
und jetzt, bald ½ Jahr später, gehts‘s los. So habe ich manchmal meine kleinen
Erlebnisse mit den Kindern.
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