Mittwoch, 12. August 2015

Brief 51 vom 20./21.8.1940


Mein lieber Mann!                                                   Konstanz, 20.8.40.

 Heute, nach 9 Tagen, kam Dein lieber Brief vom 11. und 12.Augugst, sowie 3 Päckchen an. Das ist wieder ein schöner Tag. Ich habe mich riesig gefreut.  Hab recht, recht vielen Dank für all die schönen Sachen. Es ist also alles angekommen, bis auf das Päckchen, in dem Kaffee ist. Das kommt sicher auch noch. 
Da ich Dir etwas Geld senden soll, tut es mir leid, daß der Brief so lange unterwegs war, denn nun wirst Du so lange vergeblich gewartet haben. Ich sende das Geld in ein paar Briefen verteilt, damit nicht alles verloren geht, wenn ein Brief mal verloren gehen sollte. Bist Du mir eigentlich böse, wenn ich Dir 25,- statt 20,- schicke? Wenn ich noch 5,-RM entbehren kann, schicke ich sie später noch, denn Du sollst Dich nun nicht ganz und gar einschränken müssen, um alles bezahlen zu können.
Deinen Bericht über Eure Autofahrt habe ich wieder mit großem Interesse gelesen. Es ist für Dich später auch eine Erinnerung, wenn Du so überall gewesen bist. Die eine Karte mit dem Christus ist auch typisch. Da gehen sie doch auch mit Greueln hausieren. Ich will mal sehen, ob ich die Karten Herrn Wolf selber gebe. Evtl. kannst Du dies später tun. 
Lieber Ernst, wenn Du eine Bluse für mich nicht kaufen kannst, da Du nicht mehr so viel Geld bekommst, so macht das nichts, denn Du hast mir schon so viel gekauft und hast mich so verwöhnt.
Du schreibst bei den Erdbeeren, daß man sie im Winter mit Mist abdeckt. Da soll ich also ein paar Schubkarren Mist holen? 
Mit den Kohlen komme ich schon aus. Es wird ja nicht gleich wieder so kalt werden, wie vorigen Winter. 
Soll ich Herrn Kuster die Marken verkaufen, die Du geschickt hast, oder soll er welche bestellen? Ich bin mir nicht ganz klar darüber. 
Ich glaube, in Deinem Brief vom 13. habe ich auch etwas falsch verstanden. Ich hatte gemeint, Du kämst vom Amt in ein anderes Arbeitszimmer, aber ich glaube nun, nach nochmaligem Durchlesen, daß Du das Zimmer meinst, wo Du wohnst. Wer bringt dann aber das Haus in Ordnung, wenn Ihr allein darin wohnt?  
Lieber Ernst! Nun nochmals zu Deinen lieben Päckchen. Die Stoffe und der Schal haben mir gut gefallen. Du hast wirklich einen guten Geschmack, das muß ich Dir nochmals ausdrücklich bestätigen. Zu dem Stoff für mich passen die Kragen gut, die Du mir geschickt hast. Verarbeiten tue ich den Stoff noch nicht, denn jetzt habe ich noch Kleider, die Mode ändert sich auch, da mache ich mir später wieder ein modernes Kleid.
Für den Kakao und den Kaffee danke ich Dir auch recht sehr. Da können wir jetzt öfter mal Kakao trinken. Ich hatte in letzter Zeit keinen, da ich für die Marken Milchschokolade zum Geburtstag genommen hatte.
Auch über die Seife freue ich mich. Ich brauche mich jetzt wirklich nicht einsparen. Zwei Stück Toilettenseife habe ich noch von den Eltern da, ein Stück von Siegfried (eins habe ich Vater gegeben) und nun zwei Stück von Dir. Es ist ja gut, wenn Seife etwas liegt und so bin ich über diesen kleinen Vorrat froh.
Die Zigarren gebe ich heute Vater, wenn er rauf kommt. Daß Vater nicht oft was dazu schreibt kommt daher, weil er meist nicht da ist, wenn ich schreibe. 
Gestern Abend hat es noch ein Gewitter gegeben mit ausgiebigem Regen. Das tut dem Kraut gut. 
Übrigens habe ich heute Deinen zweiten Fahrradschlüssel gefunden. Weißt Du wo? In Deiner blauen Jacke. Da hatte ich beim Suchen nicht dran gedacht, weil Du die Jacke nur einmal angehabt hast. Als ich nun nochmals den ganzen Schrank in Ordnung gebracht habe und dabei auch Deine Jacke rausgenommen habe, fiel mir´s ein. Tatsächlich steckte er in einer Tasche. Man muß nur lange genug suchen, dann findet man auch. 
Jetzt fängt es gerade wieder an zu regnen, nachdem es schon den ganzen Vormittag trüb war.  Die Kinder haben wieder ein neues Spiel: „Verwundete“. Helga und Margret sind die Krankenschwestern, sie haben weiße Hauben auf, da habe ich ein rotes Kreuz drauf gestickt, Jörg und Richard sind die Verwundeten. Da unterhalten sie sich den ganzen Tag. 
Nun will ich schließen, lieber Ernst. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

ZEITUNGSAUSSCHNITT: Von feindlichen Flugzeugen wurde am 19.8.  auf der Gemarkung Konstanz ein Blindgänger auf freies Gelände geworfen. Es entstand keinerlei Sach- oder Personenschaden. Im Ried am Gottlieberweg liegt er.  Wie Vater sagte, ist dort abgesperrt, wenn die Bombe ja noch explodiert.


Mein liebster Ernst!                                                     Konstanz, 21. August 40.

Du verwöhnst mich aber tatsächlich.  Heute früh kamen Deine beiden lieben Briefe vom 14. und 15.8. an und drei Päckchen mit Kaffee und Schokolade. Gestern Nachmittag kam auch das vierte Päckchen mit dem Kaffee an. Jetzt habe ich also 7 Päckchen erhalten. Über die drei schönen Taschentücher habe ich mich auch sehr gefreut. Ich danke Dir für alles recht sehr. Du hast mir wieder eine große Freude gemacht. 
Über Deine Beschreibung Deiner neuen Wohnung habe ich mich gefreut. Da wohnst Du ja nobel. Du schreibst, ich soll nun nicht gleich denken, Du wolltest dort bleiben. Nein, das denke ich nicht, denn Du hast mir doch einmal geschrieben, daß Du später gern wieder nach Hause kommst. Wenn Du es schreibst, ist es doch auch wahr. 
Jörg hat ganz begeistert gejubelt, als ich ihm vorlas, daß Du sein Päckchen bekommen hast und daß Du Dich gefreut hast.  Du schreibst, daß ich die Sachen, die Du mir geschenkt hast, erst einmal waschen soll, ehe ich sie in Gebrauch nehme.  Das tue ich schon, denn Du weißt ja, ich bin da eigen, ich ziehe nichts an, ehe es nicht gewaschen ist. Ich habe auch schon alles gewaschen, aber in Gebrauch nehme ich es nicht, da warte ich, bis Du heimkommst, jetzt tun es auch meine anderen Sachen noch. 
Von dem Kaffee gebe ich gern etwas an Vater ab, denn er ist doch sonst auch gut und aus Deinem Brief ersehe ich ja, daß Du nichts dagegen hast. 
Gestern haben wir zum ersten Mal Kakao von Dir gekocht. Er hat gut geschmeckt. Von der Schokolade haben wir ein Stück gegessen, welche davon reibe ich den Kindern auf den Gries oder Reisbrei. Das essen sie gern.  Heute sind wir ans Haus gefesselt, denn es regnet wieder den ganzen Tag. Und kalt ist es gleich, man merkt gleich, daß es Herbst wird, wenn die Sonne nicht scheint.
Lieber Ernst, ich schicke Dir nun doch 30,- statt 25,-. Du wirst mir doch nicht böse sein? Da hast Du Deine Sachen schneller bezahlt. Heute schicke ich die zweiten 5,-. Ich habe sie gleich in Wehrgeld umgewechselt, damit Du dort keine Schwierigkeiten hast. War es recht?
Ich schreibe jetzt immer am Schluß des Briefes die wievielten 5,-MK, es sind, damit Du weißt, ob Du alle Briefe erhalten hast.  Die Kinder haben heute Vormittag lauter Bilder für Dich vom Lottospiel abgemalt und wollen Dir damit eine Freude machen.  Am Montag bekomme ich den Zucker für Marmelade bis Januar voraus, das macht ca. 11 Pfund. Da kann ich noch die Brombeeren zu Marmelade kochen, die es noch gibt. Ich brauche in der Woche meist nur ½ Pfund Zucker, das andere habe ich immer für Marmelade verwendet. Man freut sich doch, wenn man im Winter ein bißchen Vorrat hat. 
Helga hat gerade vorhin Deinem Bild 76 Küsse gegeben. Sie hat sie gezählt. Hat sie sich nicht angestrengt? Abends beim schlafen gehen, holen sie sich öfter Dein Bild und geben Dir, wenn auch nur auf dem Bild, Küsse. Sie haben Dich eben auch sehr lieb. Wir reden auch oft von Dir.  Nachher muß ich noch Lebensmittelkarten holen, da nehme ich den Brief gleich mit und schaffe ihn auf die Post. 
Nun schließe ich für heute. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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