Samstag, 1. August 2015

Brief 43 vom 2./3./4.8.1940


Mein lieber Ernst!                                                  Konstanz, 2. August 40   

Nachdem ich erst drei Tage auf Post habe warten müssen, was ja nicht an Dir, sondern an der Post lag, werde ich nun gestern und heute direkt verwöhnt. Gestern kam Dein langer Brief und heute habe ich gleich zwei erhalten, vom 25. und 26. Juli. Ich danke Dir recht herzlich dafür. 
Es ist ja schön, daß bei Euch für Unterhaltung gesorgt wird. Da Du ja schon immer für Opern und dergleichen begeistert warst, ist da ja das Richtige für Dich. 
Du schreibst, daß Du einen Schweizer mit ins Kino genommen hast und daß Du auch für unsere Sache aufklärend wirkst. Das haben gerade auch die Schweizer besonders nötig. Ich schicke Dir in den nächsten Tagen gerade darüber einen interessanten Artikel mit. Augenblicklich hat Vater die Zeitung noch unten. 
Aus Deinem Brief entnehme ich, daß Du Dich darüber freust, daß ich mir ein Kostüm gekauft habe. Ich lasse mich schon einmal darin photografieren, das ist nur ein bißchen mit Schwierigkeiten verbunden, da ich nicht gleich jemand dazu habe. Aber einmal wird es bestimmt. 
Für die Bilder von Köln danke ich Dir noch recht sehr. Das war schon eine Überraschung. Die Filme dazu habe ich nicht erhalten. 
Inzwischen habe ich ja nun alle sechs Päckchen erhalten, wie ich Dir schon geschrieben habe.  Es hat mir alles so gut gefallen und es paßt auch alles.  Wegen Deines Urlaubs habe ich mich jetzt ein bißchen abgefunden, nur habe ich manchmal sehr großes Heimweh nach Dir. Auch Helga hat erst Vorgestern geweint, weil Du fort bist. Sie hat Dich sehr gern. Jörg auch, aber Du weißt ja, er ist ein kleiner Rauhbauz.
Ich muß mir immer wieder vorstellen, daß wir uns bestimmt wiedersehen und muß an Deine Liebe zu uns denken, damit das Heimweh nach Dir nicht zu übermächtig wird. Du glaubst ja gar nicht, wie sehr ich mich immer über Deine lieben Briefe freue. Erst durch Deine lieben Grüße wird ein Tag froh und hell. 
Heute habe ich den Geburtstagstisch für Jörg aufgebaut und die Stube abgeschlossen. Jetzt ist die Freude groß. Jeden Tag guckt er am Kalender, wie oft er noch schlafen muß. Vor allen Dingen hat er sich auch viele Blumen gewünscht.
Heute ist wieder ein sonniger Tag, nur ist es wieder sehr windig. Da haben wir schon wieder 2 Pfund Äpfel auflesen können.  Ich habe gestern Abend an die Eltern, Siegfried und Kurt geschrieben. die Durchschläge lege ich bei. Nachdem ich gestern Deinen langen Brief erhalten hatte, war ich so voll Freude, daß ich richtig Lust zum schreiben bekam. Da siehst Du erst mal, was Deine Briefe alles bewirken. Sie verschönen mir auch alle Tage. 
An Kurt habe ich auch wegen der Briefmarken geschrieben.  Meinst Du, er wird sehr zornig sein wegen der 6,-Mark. Ich habe auch nicht gewußt, wie ich es recht mache.  Übrigens sind die Briefbogen mit Deinem Namensaufdruck auch alle, unbedruckte sind noch da. Die ich Dir geschickt habe, das sind die letzten. Mit den Durchschlägen, die ich mitschicke, hast Du ja viel zu lesen. Drum will ich lieber schließen, sonst wirst Du auch ärgerlich auf mich, daß Du dauernd lesen mußt.  Sei also für heute herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
 
 Mein lieber Ernst!                                                  Konstanz, 3.August 1940

Heute, am Samstag, habe ich gleich früh gebacken und zwar Kleingebäck zum Geburtstag. Einen Quarkkuchen backe ich später noch. Davon können wir Dir ja leider nichts schicken, aber von dem Gebäck sollst Du doch ein bißchen bekommen, wenn Du auch weit fort bist. Du sollst doch auch am Geburtstag ein bißchen teilhaben.  Laß Dir das wenige bitte gut schmecken. 
Ich schreibe diesen Brief gleich heute früh, da ich jetzt in die Stadt fahre. Heute Nachmittag möchten wir baden, da kann ich schlecht noch einmal fortfahren.  Denk Dir, was für eine großartige Mahlzeit sich Jörg zu seinem Geburtstag gewünscht hat. Milchreis. Das kann man ihm doch schon erfüllen. 
Ich habe Dir einen Zeitungsausschnitt über eine Sondermarke beigelegt. Ich soll sie doch sicher nehmen. Von Kurt werde ich noch den Bescheid abwarten.
Ich habe Resi jetzt mal in der Stadt getroffen und habe gefragt, wie es ihrem Mann im Elsaß bezw. in Colmar gefällt. Sie war ziemlich verdutzt und fragte, woher ich das weiß. Es gefiele ihm ganz gut.
Lieber Ernst! Sei mir bitte nicht böse, wenn der Brief heute sehr kurz ist. Ich habe heute so viel zu tun und muß mich beeilen, sonst ist es gleich Mittag und die Läden werden geschlossen. Morgen schreibe ich wieder einen längeren Brief.  Jörg hat Margret wieder eingeladen. Sie hat schon ganz stolz erklärt, daß sie ihm auch was bringt. Mein lieber, lieber Ernst, sein nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                 Konstanz, 4.Aug.1940

 Gestern Mittag gegen ½ 1 Uhr klingelt es und als ich aufmache, steht Siegfried draußen. Ich habe mich sehr gefreut. Er hat sechs Tage Urlaub. Wir wollen heute Nachmittag ein bißchen spazieren gehen und heute Abend ins Kino. Vater bleibt bei den Kindern. Wahrscheinlich gehen wir auch einmal baden. Am Mittwochnachmittag muß Siegfried wieder fortfahren. Was sagst Du zu der Überraschung? Siegfried hat mich heute auch in dem Kostüm photografiert. Es ist mit dem photografieren also schneller gegangen als ich gedacht habe. 
Jörg hat sich heute früh sehr gefreut. Er sitzt jetzt die ganze Zeit bei seinen Geburtstagssachen. Von Frau Dietz ist ein hellblaues Polohemd für Jörg gekommen. Sie schreibt dazu, daß ihr Mann eine Lungenentzündung hat und am 1. August ins Göppinger Krankenhaus gekommen ist. Sie schreibt, es will ihr scheinen, als ob sie ihren Mann nicht mehr nach hause bringen dürfte, da er so schwach und elend sei. Ihr Sohn Gerhard ist auch verheiratet und Vater einer kleinen Ursel. Wenn ich den Brief beantwortet habe, schicke ich ihn Dir mit. Sie fragt auch nach Dir, ob Du bei den Soldaten bist. Vielleicht kannst Du ihr mal schreiben.  Adresse ist: J.A. Diez, Boll-Ort über Göppingen, Badstr. 295.
Von Frau Nußbaumer hat Jörg einen schönen Blumenstrauß bekommen, über den er sich auch sehr gefreut hat.  Vor Dir habe ich gestern und heute wieder keinen Brief erhalten. Vielleicht kommen dann wieder gleich ein paar zusammen.  Seit ein paar Tagen haben wir sonniges Wetter, so daß es Siegfried gerade gut getroffen hat.  Du hattest mir doch gesagt, ich sollte die zwei letzten Reihen Bohnen auf ihr Wachstum besonders beobachten. Ich habe nun festgestellt, daß sie schon jetzt ziemlich gut tragen, während die vier Reihen in der Mitte erst blühen, trotzdem wir sie zur gleichen Zeit gestupft haben. Nächste Woche sterilisiere ich wieder welche.
Lieber Ernst! Ich wollte Dir eigentlich einen langen Brief schreiben. Damit ist es nun nichts, denn ich habe noch zu tun, weil wir ziemlich zeitig fort wollen. Du wirst es mir bitte nicht übel nehmen.  Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. 
Lieber Ernst! Ich bin nun nach hier gekommen und habe mich gefreut, daß es doch nun mal geklappt hat. Wenn es auch nicht lange dauert, so bin ich doch froh, daß es mir überhaupt möglich war. Fahrgeld habe ich nicht zu zahlen brauchen und da ist es schon leichter, hierher zu kommen. Über die beiden Wildlinge habe ich mich sehr gefreut und könnte mich nur den ganzen Tag mit ihnen abgeben. Wie lange willst Du denn in Lille bleiben? Du hast es Dir wohl vorgenommen, in Lille noch Stadtkommandant zu werden? Also lieber Ernst, laß es Dir gut gehen und sei herzlich gegrüßt von Deinem Schwager Siegfried. 
Sende zum Schluß noch Herzliche Grüße Dein Vater!

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