Mittwoch, 12. August 2015

Brief 52 vom 21./23.8.1940


Mein lieber Mann!                                                   Konstanz, 21.Aug.40   abends

 Ich habe heute Abend nochmals meine Finanzen überrechnet und mit Freude gesehen, daß ich Dir statt 30,- 40.-Mk schicken kann. Du bist mir doch nicht böse darüber. Sieh mal, das Geld, das ich hier bekomme, ist doch eigentlich Dein Geld, welches ich als Deine Frau verwalte. Und weißt Du, so richtig froh bin ich doch nur, wenn ich weiß, daß Du auch keine Sorgen hast, während es uns hier auch gut geht. So hast Du doch Deinen Anzug gleich gezahlt und kannst über Dein Geld, das Du noch bekommst, frei verfügen. Ich wäre sehr froh, wenn du Dich über das Geld, welches ich Dir schicke, ein bißchen freuen würdest.
Nun will ich erst mal schlafen gehen.  morgen Vormittag schreibe ich weiter.
Gute Nacht, mein lieb er Ernst! 
22. August   
Mein lieber Ernst! Heute kam keine Post und ich habe auch keine erwartet, denn ich bin ja in den letzten Tagen so sehr verwöhnt worden. Vier Briefe und sieben Pakete, was sagst Du dazu? 
Heute ist wieder, wie die letzten Tage, Regenwetter und kühl ist es dabei, puh, da ist man schon ganz gern in der Wohnung. 
Mit den Bohnen geht es jetzt bald zu Ende. Ich habe noch einen halben Topf Salzbohnen einmachen können. Feuerbohnen hat es noch ein paar, aber die will ich so zum Mittagessen kochen. Bis jetzt habe ich im ganzen 34 Pfund Kartoffeln raus gemacht. Die sind so schön mehlig, daß ich jetzt schon Kartoffelbrei und Kartoffelpuffer davon machen kann. Das freut mich deshalb besonders, weil ich dadurch zum Abendbrot etwas Brot sparen kann, denn wenn wir nur Brot essen würden, dann reichte es ja nicht, denn vor allen Dingen Jörg haut fest rein.  Kaum habe ich geschrieben, daß heute kein Brief von Dir kam, traf heute Nachmittag doch noch einer ein, vom 16. 
Übrigens mußt Du entschuldigen, ich habe mich noch gar nicht für das Persil und Lux bedankt. Auch darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich sehe immer wieder, daß Du jederzeit an uns denkst. Sehr leid tut es mir, daß Du so sehr unregelmäßig Post erhältst, denn ich schreibe ja eigentlich deshalb jeden Tag, damit Du jeden Tag einen Gruß erhältst. 
Ich habe auch gelesen, daß Ihr dort Fliegerbesuch hattet. Sei nur vorsichtig, daß Dir durch solche Sprengstücke, wie sie bei Dir durch die Bäume geflogen sind, nicht einmal etwas passiert. Heute erhielt ich von den Eltern eine Karte, daß sie auf einen Brief warten, und daß sie gern wüßten, was wir alles unternommen haben, als Siegfried hier war. Ich habe nun heute gleich geschrieben, ebenso an Siegfried. Die Durchschläge füge ich bei. 
Ebenso bekam ich eine Trauerkarte von Frau Diez, daß ihr Mann am 11.August gestorben ist, nach vollendetem 80. Lebensjahr. Ich besorge mir heute noch eine Beileidskarte.
Ich habe heute mal ein bißchen Feuer gemacht, nicht viel , aber es ist gleich sehr gemütlich. Der starke Wind macht es so kühl, denn es zieht überall durch. Außerdem wirft er natürlich auch Äpfel runter, der schlechte Kerl. Heute habe ich wieder 4 Pfund aufgelesen.  
Da Vater die ganze Woche noch nicht da war, fahre ich nachher, wenn ich den Brief fortgebracht habe, zu ihm hin und bringe ihm die Zigarren und den Kaffee. Er wird sich sicher freuen.  Nun mache ich für heute Schluß. Morgen schreibe ich Dir ja wieder, mein lieber Mann, denn ich vergesse Dich ja gar nie, im Gegenteil, ich denke ja immer an Dich. Sei nun recht herzlich gegrüßt  und geküßt von Deiner Annie.  Heute sind‘s die dritten 5,-Mk. 



Mein lieber Ernst!                                                                      Konstanz, 23.8.40.

Heute kam Dein lieber Brief vom 18.8 an. Das ist jedes Mal eine große Freude. Ich muß feststellen, daß Du wirklich immer sehr stiefmütterlich mit Post versorgt wirst, trotzdem ich ja wirklich nicht dafür kann. 
Bei dem Kameradschaftsabend habt Ihr ja gut gelebt. Aber, es muß bei allen ein Aber dabei sein, da hast Du nun so einen Schnupfen und Katarrh. Ich weiß ja, wie Dir das immer anhängt. Ist es inzwischen wieder besser geworden?
Mit dem Bad habt Ihr‘s ja jetzt dort nobel. Verstehst Du dich mit dem Dr. Thoma gut? Wie meine, so war es auch Vaters erste Frage, wer hält Euch denn die Wohnungen sauber? Wenn Ihr Euch jemand anstellt, kostet das nicht zuviel? Aber das werde Ihr ja dort besser wissen. 
Es freut mich sehr, daß ich Dir in dem neuen Kostüm gefalle, das ist mir nämlich die Hauptsache, denn jetzt ziehe ich es doch noch nicht an. Ich habe ja auch keine Gelegenheit dazu, denn ich gehe doch nie fort. Ich lebe mit allem in der Hoffnung auf Dein Wiederkommen, mit den Sachen die Du mit geschenkt hast und die ich mir selber gekauft habe. 
Heute früh hat einmal ein bißchen die Sonnen geschienen, aber jetzt ist es schon wieder bewölkt und windig. In der Küche ist, trotz dem Kochen, nur 15 Grad Wärme.
Vorhin habe ich Himbeerruten raus gerissen, da wir so viel nicht brauchen. Die Blätter verwende ich zu Tee. Das ergibt wieder einen ganz schönen Teil. Unseren beiden Stromern habe ich wieder Küsse von Dir gegeben. Sie haben sich‘s gern gefallen lassen. 
Gestern Nachmittag bin ich zum Vater runter gegangen und habe ihm die Zigarren und Kaffee gebracht. Ich habe gemerkt, wie er sich gefreut hat, wenn er mir erst auch unbedingt den Kaffee bezahlen wollte. Als ich wieder fort ging, hat er mir verschiedene Holzstücke gegeben, zum Anfeuerholz machen. Kaum hatte die zuhause Jörg gesehen, als er sich schon darauf stürzte und sagte, er könnte sie gebrauchen. Er baute gleich ein Haus davon und hat sie mir vorläufig wirklich abgebettelt. Ich möchte wissen, was er mal nicht brauchen könnte.  Heute wird der Brief ein bißchen kürzer.  Ich will heute nämlich mal mit den Kindern in die Stadt gehen.  Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Anbei die vierten 5,- Mk.

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