Sonntag, 9. August 2015

Brief 46 vom 9./10./11.8.1940


Mein lieber Ernst!                                                                      Konstanz, 9.8.40

Vorhin kam Dein lieber Brief vom 2.8. Ich habe mich wieder sehr darüber gefreut. Ich habe mit Freude daraus gelesen, daß Du glaubst, daß es Dir später schon wieder bei uns gefallen wird. Ich bin so froh darüber.
Weiß Du, lieber Ernst, ich habe eben manchmal großes Heimweh nach Dir. 
Heute muß ich noch ins Zollamt. Da kommt der Koffer von Kurt zurück. Ich weiß gar nicht, warum das diesmal über die Zollstelle geht. 
Gestern Abend habe ich noch im Garten  über 10 Pfund Bohnen abgemacht. Die will ich heute noch sterilisieren. Darum wird auch der Brief ein bißchen kürzer, denn der Tag  geht bei dieser Arbeit  so schnell herum. Ich habe auch an der Längsseite die Erdbeeren herausgenommen und den Boden soweit es ging, umgegraben. Morgen werde ich wahrscheinlich nochmals 10 Gläser sterilisieren, denn sonst werden die Bohnen zu groß und sind nicht mehr so zart. 
Ich schicke heute wieder ein paar Zeitungen mit. Morgen folgen weitere.  Das wollte ich auch noch fragen. Wenn ich die neuen Erdbeeren setze, muß ich da vorher irgendwelchen Dünger in den Boden tun? 
Lieber Ernst! Es ist zwar heute nur ein kurzer Gruß, den Du bekommst, aber ganz ohne einen solchen sollst Du doch nicht bleiben.  Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


 Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz. 10.Aug. 1940

 Schon wieder ist eine Woche vorbei. Siegfried ist nun auch schon wieder ½ Woche fort. 
Heute habe ich einen Pflaumenkuchen gebacken. Den ißt  Du doch auch gern, nicht wahr? Schade, daß ich Dir davon nichts hinschicken kann.  Nachdem heute früh ganz schönes Wetter war, gießt es jetzt, was vom Himmel runter will. Ich muß aber trotzdem noch in die Stadt zum Einkaufen. Vormittags habe ich wieder fünf Gläser Bohnen sterilisiert und außerdem habe ich gebacken. Da kannst Du Dir denken, was für eine Hitze in der Küche war. Es ist gut, daß morgen Sonntag ist. Ich hatte die letzten Tage ziemlich zu tun, außerdem bin ich, als Siegfried da war, immer so spät ins Bett gekommen, denn wir waren am Sonntag und Dienstag im Kino und am Montag war Vater bis 1 Uhr da. Da muß ich mich erst wieder mal ein bißchen ausruhen. 
Wir haben bis jetzt 28 Pfund Falläpfel aufgelesen und zu Apfelmus verarbeitet. Das essen wir jeden Tag zum Frühstück auf‘s Brot. Da können wir schon Marmelade sparen, denn soviel haben wir dieses Jahr doch nicht. Von den Stangenbohnen habe ich bis jetzt 27 ½ Pfund abgemacht. Die zwei unteren Reihen Bohnen, auf die ich besonders achten soll, sind schöne fadenlose Bohnen. Sie tragen auch gut.  Gestern habe ich den einen Ast vom Apfelbaum, der über die Brombeeren hängt, abgestützt, denn er drückt direkt die Brombeeren zusammen. Er ist so schwer, daß er ganz runter hängt. 
Ein Brief ist heute von Dir nicht gekommen. Ich glaube, der Briefträger ist auch heute Nachmittag schon vorbei.  Der gesammelte Lindenblütentee hat 3 ½ Dosen voll ergeben. Da haben wir doch wieder ein bißchen was.  Über meine Holzschuhe freue ich mich immer noch, denn sie sehen schön aus und passen zu den hellen Kleidern gut.  Ich freue mich schon sehr, wenn Du einmal Urlaub erhältst. Wenn ich Dich schon überhaupt sehen kann, Dein liebes Gesicht und Dein liebes Lächeln. 
Lieber, lieber Ernst! Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner, immer an dich denkenden, Annie.

 Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 11.August 40. 

Was sagst Du dazu? Heute habe ich nicht einmal einen Brief an Dich abgeschickt, trotzdem es eigentlich besonders nötig war. Ich bin nämlich heute sehr verwöhnt worden, ich habe Deinen lieben Brief vom 4.August erhalten und außerdem Dein Päckchen bekommen.
Du wirst mir aber sicher nicht böse sein, wenn ich Dir schreibe, daß ich deshalb nicht zu einem Brief für Dich gekommen bin, weil wir baden waren. Ich komme sonst immer nicht dazu und heute war mal ein bißchen schönes Wetter. Ich bin wieder ein schönes Stück geschwommen, wenn auch nicht so weit wie mit Dir. Es hat mir gut gefallen. Warm ist das Wasser aber nicht besonders. 
Nun habe ich also heute Dein Päckchen erhalten. Das war eine Überraschung. So schön hatte ich mir das Nachthemd nicht vorgestellt. Die Form ist sehr schön und auch der Tricot ist sehr fest. Ich habe es gleich mal probiert und ich muß feststellen, daß es wie angegossen paßt. Auch das Hemdchen und die Strümpfe sind sehr schön. Das mit den Socken für die Kinder hast Du fein gemacht. Sie hatten nämlich gar keine mehr. Sie haben eine große Freude darüber gehabt und haben sie gleich heute angezogen. Sie passen richtig. Kleiner dürften sie nicht sein, es ist gerade die richtige Größe.  Wir danken Dir alle Drei für Deine schönen Geschenke und für Deine Liebe, mit der Du alles besorgt hast. Du hast uns eine große Freude gemacht. 
Nun möchte ich Deinen lieben Brief vom 4.8. beantworten. Inzwischen weißt Du ja, daß Siegfried am Geburtstag von Jörg da war. Ich glaube Dir gern, daß Du an diesem Tag besonders an uns gedacht hast. Wir waren an den Geburtstagen ja sonst immer zusammen. Dieses Jahr ist es zum ersten Mal anders. Vielleicht können wir nächstes Jahr an den Geburtstagen zusammen sein. Meinen Geburtstag feiere ich dieses Jahr mit Helga zusammen, denn wenn Du nicht da bist, habe ich doch nicht viel davon, es machte mich höchstens wehmütig. Und das wollen wir doch nicht.
Lieber Ernst! Wenn ich weiß, Du behältst uns die ganze Zeit, wenn es auch noch so lange dauert, lieb und vergißt auch mich nicht, so will ich gern die lange Trennung freudig ertragen, ich habe dann doch die Hoffnung, daß wir wieder, wie früher, schön miteinander leben können. Ich habe Dich ja so lieb und wie lieb Dich die Kinder haben, wirst Du ja aus Helgas Brief und dem Päckchen von Jörg ersehen haben. Wenn Du auch nicht da bist, so hat er Dich doch auch am Geburtstag nicht vergessen. 
Wenn du nichts dagegen hast, werde ich von dem Bohnenkaffee, den Du schicken willst, Vater etwas abgeben. Der freut sich sicher auch darüber. 
Die Äpfel auf dem Baum sind schon schön groß und es hängen viel drauf. Es wird wahrscheinlich eine schöne Ernte geben. Wenn sie nicht madig sind, werde ich sie einlagern. Ich habe heute wieder drei Pfund Falläpfel aufgelesen. Zwei Pfund Brombeeren koche ich morgen auch wieder zu Marmelade ein.  Mit dem Beutewein war das so gemeint.  Ich habe Dir, leider erst nachträglich, ein Bild mitgeschickt, darauf war ein Zug mit Wein abgebildet, den wir erbeutet haben. Nun hatte ich gefragt, ob das Euer Beutewein ist, den Ihr bekommt. 
Mit dem Wetter ist das dieses Jahr so eine Sache. Wir haben auch nicht so viele regenfreie Tage. Die letzten Tage ging es ja, da war es ziemlich sonnig.

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