Mittwoch, 12. August 2015

Brief 48 vom 14./15.8.1940


Mein lieber Ernst!                                                                         Konstanz, 14.8.40.

Heute kamen gleich 2 Briefe von Dir an, vom 7. und 8. August und ich habe mit Erleichterung und großer Freude festgestellt, daß Du mir gar nicht mehr böse bist. Ich bin so froh darüber. 
Das einzelne Päckchen von Dir ist ja angekommen, ich habe es Dir schon bestätigt. Das war auch eine große Freude.  Siegfried ist ja nun schon über eine Woche fort, bzw. ist es heute gerade eine Woche. Ich muß nun sagen, daß ich den Abschied überhaupt nicht schlimm empfunden habe. Ich habe mich über seinen Besuch gefreut, aber wir haben tatsächlich so wenig gemeinsames. Wir haben uns über vieles unterhalten und ich habe feststellen müssen, daß ich nach hause zu den Eltern überhaupt nicht mehr passe. Ich weiß nicht, habe ich mich so geändert? Vielleicht kannst Du mit Siegfried einmal selber über alles reden, schreiben möchte ich nichts davon, nur kann ich sagen, ich bin froh, daß ich bei Dir sein kann.
Wenn Deine weiteren Päckchen eintreffen, werde ich sie Dir sofort wieder bestätigen. Die Postkarten besorge ich Dir und schicke sie Dir mit, ebenso erhältst Du in den nächsten Tagen die Rasierklingen. Ich werde auch sehen, daß ich Dir das Gesetz über die Wehrmachtsbeamten besorgen kann.  Über den Kragen, den Du mir mitgeschickt hast, habe ich mich sehr gefreut. Den kann man zu verschiedenen Sachen verwenden. Ich danke Dir recht sehr dafür. 
Warst Du bei dem Schweizer? Was sind es für Leute? Den Artikel in der Zeitung von Dir über die Thurgauer Zeitung habe ich gelesen. Er hat mich sehr interessiert. Aber die Schweizer werden doch nicht gescheit, die sind große Maulhelden und dahinter steckt nichts. Vater hat die Zeitung gestern mitgenommen, er liest sie immer noch genau durch.
Jetzt wirst Du ja öfter unsere angreifenden Flugzeuge sehen, denn in den letzten Tagen haben sie doch ungeheuere Leistungen vollbracht. Jetzt wird es den Engländern  schon ein bißchen anders zu Mut werden. 
Jetzt komme ich nun auf das unumgängliche Gartenthema. Ich habe nun einen Topf Senfgurken gemacht, wenn Du später mal auf Urlaub kommst, kannst Du sicher welche essen. Wenn wieder Gurken groß sind, werde ich einen weiteren Topf Senfgurken fertig machen. Bei den oberen Kartoffeln habe ich die eine Reihe, die gleich hinter dem Kraut stand, rausgemacht. Da kann sich jetzt das Kraut noch entwickeln. Es hat 20 Pfund Kartoffeln gegeben, schöne mehlige. Das macht Freude. Auch drei Pfund Falläpfel habe ich wieder verarbeitet.  Gestern habe ich von der Frau in der Molkerei wieder 3000g Brotmarken bekommen. Die habe ich sehr gut gebrauchen können. 
Jetzt ist wieder meist ganz schönes Wetter, nur ist es früh ziemlich kühl, aber es regnet wenigstens nicht.  An Frau Diez habe ich übrigens auch geschrieben. Ich schicke Dir den Durchschlag mit. Ist es recht, wie ich geschrieben habe?  Seid Ihr nun am Samstag mit dem Auto fortgewesen? Es ist ja richtig, wenn Ihr Euch die wichtigen Kampfstätten anseht, denn später habt Ihr vielleicht doch nie Gelegenheit, so weit nach Frankreich hinein zu kommen. 
Wegen Resi hast Du recht. Sie hat es ja genau so weit zu mir. Außerdem habe ich jetzt anderes zu tun und wenn ich einmal Zeit habe, da gehe ich auch nicht gerade zu ihr, da ruhe ich mich lieber aus. 
Lieber Ernst! Ich danke Dir immer wieder, daß Du mir so regelmäßig schreibst. Das ist mir immer eine große Freude und Erholung.  Nun will ich schließen.  Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.  Ich habe Dir gerade noch einige Postkarten besorgt. Ich weiß ja nicht, ob es das Richtige ist, aber vielleicht gefallen Dir doch ein paar davon.  Nochmals viele Grüße und Küsse von Deiner Annie.


 Lieber Ernst!                                                                       Konstanz,15.8.40

Heute kam Dein lieber Brief vom 9.Aug. Du siehst, ich werde jetzt ziemlich regelmäßig von der Post mit Deinen Briefen versorgt. Ich will es aber nicht beschreien, sonst überlegt sie sich‘s gleich anders. Ich danke Dir wieder vielmals für Deinen lieben Brief. Leider habe ich lesen müssen, daß Du wieder zwei Tage umsonst auf einen Brief von mit gewartet hast. Ich kann aber wirklich nichts dafür. 
Da hast Du also auch ein Bild von Kurt erhalten. Nicht wahr, da guckt er das erste Mal nicht so miesepetrig in die Welt. Heute erhielt ich auch  von Siegfried einen Brief mit den Photografien, die er hier gemacht hat. Er hatte mir versprochen, Dir auch welche zu schicken. Schreib mir bitte, ob Du welche erhalten hast.  Heute bekam ich auch wieder einen Gehaltszettel, nachdem ich vorigen Monat keinen erhalten hatte. Ich schreibe Dir einmal auf, wie das Gehalt und die Abzüge diesmal sind und wie sie erst waren.
Jetzt, erst Gehalt, 240,11; 234,45 Kriegszuschlag zur Eink. Steuer 3,90; 3,51 Eink.Steuer 7,80; 7,o2 Bürgerst. 2; 2, Miete 37,70; 37,70 Angestelltenvers. 6, 6; 177,25; 172,76.
Ich habe Helga zum Geburtstag zwei Bücher gekauft, da sie sich so sehr Bücher gewünscht hat. Sie wollte gern noch einen großen Ball, aber jetzt gibt es ja keine Gummibälle, da muß sie sich etwas anderes dafür wünschen.  Da hast Du ja wieder eine schöne Aufgabe bekommen, die Autos zu kontrollieren. Das glaube ich, daß Du Dir dabei keine Freunde erwirbst. Aber weißt Du, ich finde, den Franzosen geht es doch unter unserer Herrschaft noch ziemlich gut. Die sollten einmal so behandelt werden, wie sie uns nach dem Weltkrieg behandelt haben. Das sieht man auch hier bei den Gefangenen. Denen geht es doch so gut, dabei sind sie meist so faul, wenn sie mitschaffen müssen.
Heute habe ich einmal einen Ruhetag eingelegt. Wir gehen heute Nachmittag in die Stadt und kaufen verschiedenes ein. Morgen werde ich wahrscheinlich Pflaumen und auch Brombeeren sterilisieren. Es ist heute auch wieder schön sonnig, nur sind eben die Nächte und die Morgenstunden so kalt.  Ich habe mir bei meinen Holzschuhen Gummistücke drunter genagelt. Das machen die Schuster jetzt auch, denn sonst läuft sich das Holz so schnell ab. Ich laufe gerne in den Schuhen, sie sind so bequem und luftig und sehen so freundlich aus. 
Mein lieber Ernst! Ich denke immer an Dich. Auch abends gehen meine letzten Gedanken zu Dir und früh, wenn ich aufwache, habe ich auch gleich Dein Bild vor mir. Du bist doch mein lieber, lieber Mann. Ich schließe nun für heute. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie und denke immer an mich.
Sei ganz ganz vielmals gegrüßt und geküßt von Deiner Helga. Weißt Du, Du bist doch der liebste von der Welt.         Jörg. 15.8.40

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen