Mein lieber
Ernst! Konstanz,
14.8.40.
Heute kamen gleich 2
Briefe von Dir an, vom 7. und 8. August und ich habe mit Erleichterung und
großer Freude festgestellt, daß Du mir gar nicht mehr böse bist. Ich bin so
froh darüber.
Das einzelne
Päckchen von Dir ist ja angekommen, ich habe es Dir schon bestätigt. Das war
auch eine große Freude. Siegfried ist
ja nun schon über eine Woche fort, bzw. ist es heute gerade eine Woche. Ich muß
nun sagen, daß ich den Abschied überhaupt nicht schlimm empfunden habe. Ich
habe mich über seinen Besuch gefreut, aber wir haben tatsächlich so wenig
gemeinsames. Wir haben uns über vieles unterhalten und ich habe feststellen
müssen, daß ich nach hause zu den Eltern überhaupt nicht mehr passe. Ich weiß
nicht, habe ich mich so geändert? Vielleicht kannst Du mit Siegfried einmal
selber über alles reden, schreiben möchte ich nichts davon, nur kann ich sagen,
ich bin froh, daß ich bei Dir sein kann.
Wenn Deine weiteren
Päckchen eintreffen, werde ich sie Dir sofort wieder bestätigen. Die Postkarten
besorge ich Dir und schicke sie Dir mit, ebenso erhältst Du in den nächsten
Tagen die Rasierklingen. Ich werde auch sehen, daß ich Dir das Gesetz über die
Wehrmachtsbeamten besorgen kann. Über
den Kragen, den Du mir mitgeschickt hast, habe ich mich sehr gefreut. Den kann
man zu verschiedenen Sachen verwenden. Ich danke Dir recht sehr dafür.
Warst Du bei dem
Schweizer? Was sind es für Leute? Den Artikel in der Zeitung von Dir über die
Thurgauer Zeitung habe ich gelesen. Er hat mich sehr interessiert. Aber die
Schweizer werden doch nicht gescheit, die sind große Maulhelden und dahinter
steckt nichts. Vater hat die Zeitung gestern mitgenommen, er liest sie immer
noch genau durch.
Jetzt wirst Du ja
öfter unsere angreifenden Flugzeuge sehen, denn in den letzten Tagen haben sie
doch ungeheuere Leistungen vollbracht. Jetzt wird es den Engländern schon ein bißchen anders zu Mut werden.
Jetzt komme ich nun
auf das unumgängliche Gartenthema. Ich habe nun einen Topf Senfgurken gemacht,
wenn Du später mal auf Urlaub kommst, kannst Du sicher welche essen. Wenn
wieder Gurken groß sind, werde ich einen weiteren Topf Senfgurken fertig
machen. Bei den oberen Kartoffeln habe ich die eine Reihe, die gleich hinter
dem Kraut stand, rausgemacht. Da kann sich jetzt das Kraut noch entwickeln. Es
hat 20 Pfund Kartoffeln gegeben, schöne mehlige. Das macht Freude. Auch drei
Pfund Falläpfel habe ich wieder verarbeitet.
Gestern habe ich von der Frau in der Molkerei wieder 3000g Brotmarken
bekommen. Die habe ich sehr gut gebrauchen können.
Jetzt ist wieder
meist ganz schönes Wetter, nur ist es früh ziemlich kühl, aber es regnet
wenigstens nicht. An Frau Diez habe ich
übrigens auch geschrieben. Ich schicke Dir den Durchschlag mit. Ist es recht,
wie ich geschrieben habe? Seid Ihr nun
am Samstag mit dem Auto fortgewesen? Es ist ja richtig, wenn Ihr Euch die
wichtigen Kampfstätten anseht, denn später habt Ihr vielleicht doch nie
Gelegenheit, so weit nach Frankreich hinein zu kommen.
Wegen Resi hast Du
recht. Sie hat es ja genau so weit zu mir. Außerdem habe ich jetzt anderes zu
tun und wenn ich einmal Zeit habe, da gehe ich auch nicht gerade zu ihr, da
ruhe ich mich lieber aus.
Lieber Ernst! Ich
danke Dir immer wieder, daß Du mir so regelmäßig schreibst. Das ist mir immer
eine große Freude und Erholung. Nun
will ich schließen. Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Ich habe Dir gerade noch einige Postkarten besorgt. Ich weiß ja nicht,
ob es das Richtige ist, aber vielleicht gefallen Dir doch ein paar davon. Nochmals viele Grüße und Küsse von Deiner
Annie.
Lieber Ernst! Konstanz,15.8.40
Heute kam Dein
lieber Brief vom 9.Aug. Du siehst, ich werde jetzt ziemlich regelmäßig von der
Post mit Deinen Briefen versorgt. Ich will es aber nicht beschreien, sonst
überlegt sie sich‘s gleich anders. Ich danke Dir wieder vielmals für Deinen
lieben Brief. Leider habe ich lesen müssen, daß Du wieder zwei Tage umsonst auf
einen Brief von mit gewartet hast. Ich kann aber wirklich nichts dafür.
Da hast Du also auch
ein Bild von Kurt erhalten. Nicht wahr, da guckt er das erste Mal nicht so
miesepetrig in die Welt. Heute erhielt ich auch von Siegfried einen Brief mit den Photografien, die er hier
gemacht hat. Er hatte mir versprochen, Dir auch welche zu schicken. Schreib mir
bitte, ob Du welche erhalten hast.
Heute bekam ich auch wieder einen Gehaltszettel, nachdem ich vorigen
Monat keinen erhalten hatte. Ich schreibe Dir einmal auf, wie das Gehalt und
die Abzüge diesmal sind und wie sie erst waren.
Jetzt, erst Gehalt,
240,11; 234,45 Kriegszuschlag zur Eink. Steuer 3,90; 3,51 Eink.Steuer 7,80;
7,o2 Bürgerst. 2; 2, Miete 37,70; 37,70 Angestelltenvers. 6, 6; 177,25; 172,76.
Ich habe Helga zum
Geburtstag zwei Bücher gekauft, da sie sich so sehr Bücher gewünscht hat. Sie
wollte gern noch einen großen Ball, aber jetzt gibt es ja keine Gummibälle, da
muß sie sich etwas anderes dafür wünschen.
Da hast Du ja wieder eine schöne Aufgabe bekommen, die Autos zu
kontrollieren. Das glaube ich, daß Du Dir dabei keine Freunde erwirbst. Aber
weißt Du, ich finde, den Franzosen geht es doch unter unserer Herrschaft noch
ziemlich gut. Die sollten einmal so behandelt werden, wie sie uns nach dem
Weltkrieg behandelt haben. Das sieht man auch hier bei den Gefangenen. Denen
geht es doch so gut, dabei sind sie meist so faul, wenn sie mitschaffen müssen.
Heute habe ich
einmal einen Ruhetag eingelegt. Wir gehen heute Nachmittag in die Stadt und kaufen
verschiedenes ein. Morgen werde ich wahrscheinlich Pflaumen und auch Brombeeren
sterilisieren. Es ist heute auch wieder schön sonnig, nur sind eben die Nächte
und die Morgenstunden so kalt. Ich habe
mir bei meinen Holzschuhen Gummistücke drunter genagelt. Das machen die
Schuster jetzt auch, denn sonst läuft sich das Holz so schnell ab. Ich laufe
gerne in den Schuhen, sie sind so bequem und luftig und sehen so freundlich
aus.
Mein lieber Ernst!
Ich denke immer an Dich. Auch abends gehen meine letzten Gedanken zu Dir und
früh, wenn ich aufwache, habe ich auch gleich Dein Bild vor mir. Du bist doch
mein lieber, lieber Mann. Ich schließe nun für heute. Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie und denke immer an mich.
Sei ganz ganz vielmals gegrüßt und geküßt von Deiner Helga. Weißt Du,
Du bist doch der liebste von der Welt.
Jörg. 15.8.40
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