Donnerstag, 6. August 2015

Brief 44 vom 5./6.8.1940


Mein lieber Ernst!                                                                         Konstanz, 5.8.40 

Heute kommen nun unsere Soldaten nach hause. Unsere Kinder sind schon ganz außerm Häuschen. Wir haben sie gerade noch ein bißchen rausgeschickt, sonst kann ich gar nicht schreiben. Ihre Begeisterung klingt aber bis hier herein. Die Soldaten kommen aber erst in ca. 2 Stunden. Die Fenster sind überall schön geschmückt.  Ein Brief ist heute früh wieder nicht von Dir gekommen. Ich weiß nun nicht, ob der Briefträger heute Nachmittag kommt, weil auch alle Geschäfte geschlossen sind. 
½ 7 Uhr. Nun haben wir den Einmarsch erlebt. Die Menschen sind nur so nach Wollmatingen zu geströmt, mit Körben voll Blumen. Es sind viele Wagen mit Pferden gekommen, alles Beutewagen. Wir haben unsere Fenster auch geschmückt.  Vater ist heute schon heraufgekommen, damit er sich mit Siegfried unterhalten kann.  Wenn morgen schönes Wetter ist, wollen wir nach der Mainau und hinterher zum baden.  Abends will Siegfried mit mir nochmals ins Kino. Das Programm lege ich Dir bei.  Soeben ist der Besuch der Mainau wegen Zeitmangel aufgegeben worden. Wir wollen also nur zum baden gehen.  Gestern waren wir in dem Film „Fahrt ins Leben.“ Er war wirklich sehr schön. Hinterher hat mich Siegfried noch ins Cafe eingeladne, da haben wir noch je zwei Stück Torte gegessen. 
Lieber Ernst! Ich habe heute wieder keinen Brief von Dir bekommen. Ich warte sehr darauf. Vielleicht kommt doch morgen wieder ein lieber Gruß von Dir. Ich hätte sehr den Wunsch, daß Du auch hier wärst. 
Lieber Ernst! Ich schließe für heute. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. 
Lieber Ernst! Nun habe ich schon zwei Tage hier zugebracht und es geht nun bald wieder fort. Ich habe mir nun gestern erlaubt, die gnädige Frau ins Kino und ins Kaffee einzuladen und hoffe, daß Du mir deshalb nicht böse bist. Wir werden nun den morgigen Tag noch recht ausnutzen und vielleicht nochmals morgen ins Kino gehen wo ein Artistenfilm gegeben wird, denn übermorgen geht es ja schon wieder weg. Ich hoffe Dich gesund und wünsche Dir baldige Beförderung zum K.V. Inspektor. In der Hoffnung, daß Du bald wieder mal nach Haus kommst grüße ich Dich Dein Schwager Siegfried. 
Lieber Ernst! Da ich hier bin, will ich Dir auch einige Zeilen dazu schreiben. Heute haben wir um 3 Uhr Schluß gemacht mit arbeiten, da aus Frankreich viele Soldaten zurückgekommen sind. Sonst ist alles beim alten. Gesund sind wir alle, was wir von Dir auch hoffen. Herzliche Grüße sendet Dein Vater.


 Mein lieber Ernst!                                                                     Konstanz, 6.8.40

 Gestern schrieb ich Dir, daß wir baden gehen und der Besuch der Mainau wegen Zeitmangel aufgegeben wird. Nun ist es doch anders gekommen. Heute Nacht kam ein Gewitter und als wir heute früh aufwachten, regnete es noch. Es hört dann wohl auf, aber trüb blieb es doch. Da haben wir aufs baden verzichtet und sind nach der Mainau gegangen. Erst haben wir noch auf den Briefträger gewartet, denn nachdem ich drei Tage keinen Brief von Dir bekommen hatte, hoffte ich, daß heute einer kommt.  Ich wurde auch nicht enttäuscht, denn ich erhielt Deinen lieben Brief vom 30. und 31. Juli, beide am 1.August abgestempelt. Ich beantworte sie Dir ausführlich wahrscheinlich übermorgen.
Heute will ich Dir erst einmal den Tagesverlauf schildern. 1/2 11 Uhr sind wir fort. Wir sind über St. Kathrinen nach der Mainau gelaufen. Da es für jeden 15 Pfennig kostete, sind wir auch hinein gegangen und haben uns die Rosen angesehen. Wir sind noch durch den Park gelaufen, bis 13.10 Uhr das Schiff kam. Da sind wir nach Meersburg gefahren und haben uns nochmals alles angesehen. Später sind wir mit der Fähre nach Staad und von da mit dem Omnibus nach der Marktstätte gefahren. Wir haben die Kinokarten geholt, Siegfried hat sich seinen Zug rausgesucht; er fährt 16.57 Uhr, also mit demselben Zug wie Du. Dann sind wir heim gegangen, haben nun gegessen und gehen ca. ½ 8 Uhr ins Kino. Vater will ½ 8 Uhr da sein. 
Gestern Abend haben wir, Vater, Siegfried und ich, zusammen gesessen und uns unterhalten. Dabei haben wir eine Flasche Rotwein, französischen, getrunken. Jörg hat doch von Vater und Siegfried je 2 Mk.  zum Geburtstag bekommen. Da werde ich ihm für den Winter einen Trainingsanzug kaufen. Ist es Dir recht?
Lieber Ernst! Ich schreibe Dir jeden Tag. Wenn Du die Briefe nicht richtig erhältst, so liegt es nicht an mir und Du darfst mir nicht böse sein. Du siehst ja, ich bekomme jetzt manchmal auch drei Tage lang keine Post, trotzdem Du immer schreibst.  Ich schließe nun für heute, sonst wird es zu spät. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. 
Lieber Ernst! Heute kamen Deine Briefe an und ich bekam Deinen Brief an mich zu Gesicht, ehe ich ihn durch die Post erhalte. Ich werde ihn vom Zug aus beantworten. Jetzt wollen wir noch ins Kino gehen, denn morgen ist der Traum aus. Bleib gesund und sei herzlich gegrüßt von Deinem Schwager Siegfried Michel. 

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