Lieber Ernst! 12.Aug,40.
Heute früh erhielt
ich Deinen lieben Brief vom 6.8. und die Zeitung. Es tut mir sehr leid, daß ich
Dich mit meinem Schreiben vom 31.7. so verärgert habe, daß Du mir den
Standpunkt so klar machen mußtest. Ich glaube zwar, daß Du das, was ich
geschrieben habe, falsch aufgefaßt hast, denn Du mußt nicht glauben, daß ich
mich über die Päckchen nicht gefreut habe. Im Gegenteil, meine Freude ist
darüber immer sehr groß. Mein Fehler ist nur, daß ich immer gleich so Sorge um
Dich habe und dadurch war meine Freude etwas gedämpft. Vielleicht habe ich mich
nun wieder falsch ausgedrückt, aber ich weiß nicht, wie ich es sonst schreiben
soll. Ich werde nun versuchen, mir meine übergroße Sorge um Dich etwas
abzugewöhnen. Den Kopf hast Du mir wirklich gründlich gewaschen und ich fühle
mich ziemlich zusammengestaucht. Ich werde mir Mühe geben, daß ich Dir in
Zukunft nicht mehr mit Klagen das Leben schwer mache. Ich schicke Dir heute wieder einige Zeitungen zu. Laß mich nun für heute schließen und sei
bitte nicht mehr über mich verärgert. Es war wirklich nicht meine Absicht, Dich
zu ärgern und Du kannst mir wirklich glauben, daß ich mich über Deine Päckchen
immer sehr freue. Beweisen kann ich es Dir ja jetzt nicht, Du mußt es mir eben
so glauben. Sei recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber, lieber Ernst! Konstanz, 13.8.40.
Heute traf Dein
lieber Brief vom 5.8. ein. Dieser Brief ist so lieb geschrieben. Ich kann nun
erst richtig ermessen, wie Du Dich über meinen Brief vom 31.7. geärgert haben
mußt, daß Du mir am nächsten Tag so den Kopf gewaschen hast. Du hast mir in
Deinem Brief vom 5.8. so viel Lob ausgesprochen. Hättest Du das am nächsten Tag
nicht gern rückgängig gemacht, nachdem ich Dich so geärgert habe? Ich schicke
Dir heute noch einen Brief mit, der mein Verhalten vielleicht etwas erklärt.
Als ich den Brief vom 5.8. vorhin gelesen habe, war ich schon ganz glücklich,
daß Du mir nicht mehr böse bist, bis ich dann gesehen habe, daß der andere
Brief ja vom 6.8. ist, also von einem
Tag später. Ich hoffe aber, daß Du mir, bis Du diesen Brief erhältst, nicht
mehr böse bist, denn das macht mich ganz unglücklich.
Nun will ich Deinen
Brief noch beantworten. Die Kakteen
haben mich nicht so zerstochen. Ich sehe immer viel zerkratzter aus, wenn ich
mit den Brombeeren zu tun habe. Ich bin froh, daß Du Dich über meine Arbeit an
den Kakteen gefreut hast. In der Wohnung haben wir noch nicht viele Schnaken.
Nur, wenn ich Äpfel suche, kommen sie aus den Kartoffelstauden scharweise
herausgestürzt.
Es hat mich gefreut,
daß Du mir schreibst, daß Dich die Bilder in der Wochenschau so weich gestimmt
haben. Sehe ich doch auch hieraus wieder, daß Du an uns hängst. Es ist schön von Dir, daß Du die Pralinen so
ohne Widerrede gegessen hast. Du sollst doch auch Deinen Anteil haben, denn
wenn Du auch nicht hier bist, so gehörst Du doch noch genau so zu uns.
Im Garten habe ich
gestern auch wieder geschafft. Unkraut habe ich von den Erdbeeren entfernt und
einen Teil der Ausläufer abgeschnitten. Dann habe ich das Erbsenreisig neben
den Gurken entfernt. Da haben jetzt die Gurken mehr Platz. Raupen habe ich auch
wieder ein paar abgelesen. Das Kraut macht sich fein heraus. 7 Pfund Rhabarber
habe ich nochmals geerntet, den mache ich in Flaschen ein. Auch 15 große Gurken
habe ich rübergeholt, da mache ich Senfgurken. Gestern hat es auch wieder 3
Pfund Falläpfel und 3 ½ Pfund Tomaten gehabt. Bei Tag essen die Kinder jetzt
öfter Tomaten ohne Brot. Bohnen will ich auch noch einmachen. Ich würde mich
ganz gern einmal ausruhen, aber ich habe es vorige Woche gesehen, als Siegfried
da war. Wenn man ein paar Tage alles liegen läßt, muß man hinterher doppelt so
viel schaffen. Die Gurken werden gelb und die Bohnen hart, wenn man sie nicht
rechtzeitig erntet und verwertet. Im Winter ist man wieder um alles froh.
Das Strickzeug habe
ich, solange jetzt Hochdruck ist, weggelegt. Mit Mutwillen will ich mich nicht
kaputt machen. Am Sonntag hätte ich mich ausruhen sollen, da hat aber das baden
so gelockt.
Inzwischen wirst Du
ja den Brief von Helga erhalten haben. Ich habe ihr ja nicht mit geholfen. Als
ich den Brief durchgelesen habe, habe ich mich freuen müssen. Er ist doch lieb
geschrieben. Die Ferien bekommen Helga gut. Sie fürchtet sich vor der Schule
wegen ihrer Handarbeitslehrerin. Die ist scheinbar ziemlich grob. Helga und
Jörg sind den ganzen Tag im Freien, nur zum essen sehe ich sie obern. Das ist
ja auch richtig so, in der Stube können sie den ganzen Winter sitzen.
Wolle gibt es ja
hier auch noch. Ob es reine Wolle ist, kann ich ja nicht sagen. Wenn Du aber
welche kaufen kannst, bin ich natürlich nicht böse. Vielleicht ein schönes
blau, nicht zu dunkel. Ich würde sie evtl.
zu einer Strickjacke oder Pullover verwenden.
Gestern erhielt ich
von Erna einen Brief. Ich hatte bei einem Brief, den Siegfried geschrieben hat,
etwas mit drunter geschrieben, darauf antwortet sie mir. Ich schicke Dir den
Brief später mit. Ich muß Dir leider
mitteilen, daß meine Ersparnisse an Wirtschaftsgeld durch den Garten nicht sehr
groß sind. Nicht, daß ich an und für sich keine Ersparnisse dadurch hätte, aber
ich gebe das Geld für andere Sachen wieder aus und zwar für Obst. Ich trinke ja
nun keinen Wein, dafür bin ich aber ganz wild auf Obst, jetzt vor allen Dingen
Pflaumen. Wahrscheinlich werde ich auch
noch ein paar sterilisieren. Du siehst also, von Einsparen ist da bei mir keine
Rede. Nun lieber Ernst, will ich schließen.
Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt und denke in Liebe und ohne Ärger an Deine Annie.
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