Mein lieber
Ernst! Konstanz,
18.8.40.
Nun vergeht auch der Sonntag, ohne daß ein
Gruß von Dir eingetroffen ist. Nachdem Du mir nun befohlen hast, daß ich nicht
ungeduldig werden und mir auch keine Sorgen machen soll, muß ich ja wohl gehorchen?
Meinst Du nicht auch? Heute früh habe
ich die Briefmarken von Herrn Kuster geholt, die ich doch bestellt hatte. In
ein paar Tagen kommt noch die von Helgoland mit Sonderstempel. Jetzt soll ich
Dich fragen, ob Du die Marke mit dem Stempel „Begegnung Hitler-Mussolini“
willst und die Rote-Kreuz-Marke Böhmen-Mähren. Herr Kuster hat mir die
Umschläge in einen Umschlag getan, auf dem ein Zusammendruck einer 8 + 12
Pfennig Marke ist und er hat mich beschworen, den Umschlag ja nicht
wegzuwerfen, denn die Marken würdest Du sicher sammeln.
Heute früh erhielten
wir ganz überraschend Besuch von Kurt. Er hat bis morgen Nachmittag
Sonderurlaub. Er ist jetzt nur ein paar Stunden von hier. Also nicht in seinem
früheren Ort. Er war nur ein paar Minuten bei uns und ist dann runter zu
Vater. Gestern habe ich noch an die
Eltern und an Elsa Legler geschrieben. Die Durchschläge schicke ich Dir heute
mit.
Du wirst Dich sicher
wundern, daß heute der Umschlag mit der Maschine geschrieben ist. Eigentlich
sollte der Umschlag für meine Eltern sein, aber ehe ich mich‘s versah, stand
Deine Adresse auf dem Umschlag. Das kommt davon, weil ich immer an Dich
denke.
Es ist jetzt 12 Uhr.
Eben war Kurt wieder einen Moment da. Die Kinder geben ihm eben das Geleit bis
zur Paula runter, wo er zum essen geht. Helga hat ihn schon gefragt, ob er
nicht mit baden gehen würde. Wenn er keine Badehose hätte, sollte er halt
Unterhosen anziehen, das ginge auch. Ich weiß noch gar nicht, ob wir zum baden
gehen, denn ich kann leider nicht baden.
Das muß ich Dir auch
noch erzählen. Heute früh beim Frühstück sagt Helga auf einmal: Weißt Du
Mutterle, ich möchte jetzt nicht sterben, weiß Du warum? Dann schreibt Vaterle
ganz umsonst einen Brief an uns und das tut mir leid.“ Ist sie nicht sehr
besorgt um Dich? Auf das sterben ist sie deswegen gekommen, weil durch Bomben
mehrere Zivilpersonen getötet worden sind, wie es im Heeresbericht heißt.
Ich freue mich schon
auf den nächsten Brief von Dir. Die
Tage sind einfach noch mal so schön, wenn ein Gruß von Dir kommt.
Die Hauptsache habe
ich doch noch vergessen, jedenfalls würde Herr Kuster entsetzt sein, daß man
sowas vergessen kann. Es kommen jetzt Marken heraus (oder sind es Stempel)
„Deutsche Post Belgien“, auch von Holland und Lothringen. Wenn Du nun
wenigstens von Belgien die Marken bekommen könntest, wäre Dir Herr Kuster sehr
dankbar. Als ich heute früh 5 Minuten drüben war, hat er mir alle seine Marken
erklären wollen. Mir schwirrt jetzt noch der Kopf. Das war auch noch lustig.
Ich bin ziemlich leise ins Haus bei Kusters gegangen, damit die alte Frau
Kuster nicht weiß, wer kommt. Und siehe da, ich war kaum ein paar Minuten oben,
schon kam sie rauf und guckte, wer da war. Aber so was von Neugierde. Ich hätte
bald losgelacht.
Nun will ich
schließen, lieber Ernst, denn es ist Essenszeit. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
Mein lieber
Mann! Konstanz, 19.8.40.
Hab ich Dir‘s nicht
gestern geschrieben, wenn man 3 Tage so brav, ohne ungeduldig zu werden, auf
Post wartet, muß man doch belohnt werden. Und siehe da, heute kam ein Brief von
Dir, und zwar vom 13.8., nachdem der letzte, den ich erhielt, vom 9.8. war.
Also fehlen sicher inzwischen noch welche. Das geht auch daraus hervor, daß Du
schreibst „....trotz der wesentlichen Herabsetzung unserer Einkünfte ...“ usw.
Davon weiß ich noch gar nichts. Das wird sicher in den anderen Briefen stehen.
Gefreut habe ich
mich, daß ich wieder einen Gruß von Dir erhalten habe. Du fragst, wo wir den
französischen Rotwein her hatten. Ja, da staunst Du, den hat Siegfried aus
Frankreich mitgebracht, eine 1 Ltr.-Flasche. Wir wollten Dir natürlich nicht
den Verbrauch damit schmälern, aber was
hilft das jetzt, getrunken ist er nun schon.
Du ziehst ja in Deinen Arbeitsräumen vielmals umher. Wenn Ihr nun ein
Haus für Euch mit Beschlag belegt, werdet Ihr ja ganz vornehm.
Vorhin 13.20 haben
wir Kurt an den Petershauser Bahnhof gebracht. Er mußte mit dem Personenzug
fahren, wenigstens eine Teilstrecke und dann Schnellzug bis Karlsruhe, wo er
jetzt ist. Er hat nun heute Vater gleich noch gratulieren können. Wir drei
gehen gegen ½ 6 Uhr runter. Deine Päckchen sind leider noch nicht angekommen,
so daß ich die Zigarren ihm nicht geben kann. Ich habe ihm eine Flasche
Weinbrand gekauft. Dann nehmen wir noch Blumen mit.
Ich habe heute im
Garten 7 Pfund Kartoffeln, 2 ½ Pfund Tomaten und Falläpfel geholt. Jetzt merkt
man aber, daß Herbst wird. Überall wird es schon gelb, die Bohnenblätter,
Gurkenblätter und auch die Kartoffeln werden welk. Heute ist es noch dazu
windig und trüb. Es sieht schon richtig herbstlich aus.
Gestern Nacht hatte
es Alarm. Wir runter in den Keller.
Dann hat sich‘s rausgestellt, daß bei uns gar kein Alarm war, sondern
daß man die Schweizer Sirenen so deutlich gehört hat. So im Halbschlaf hat man
das gar nicht unterscheiden können, beim Entwarnen haben wir´s dann gehört. Da
sind wir wegen den Schweizern aus den Betten geholt worden. Die Flugzeuge hat
man aber ganz deutlich gehört. Von
Siegfried habe ich von einer Dienstreise eine Karte aus Berlin erhalten.
Es ist jetzt ¼ 5
Uhr. Ich hatte noch gewartet, ob die Päckchen vielleicht doch noch kommen. Es war aber nichts. Eben habe ich wieder 3
Pfund Brombeeren geholt.
Lieber Ernst! Wenn wir immer wieder Besuch bekommen, wie jetzt
von Kurt, bekomme ich immer größere Sehnsucht nach Dir. Ich stelle mir dann
immer vor, wie wunderschön es wäre, wenn Du da wärst. Ich habe Dich ja so lieb,
mein lieber, lieber Ernst. Für heute
will ich schließen, denn, nachdem ich den Brief weggeschafft habe, wollen wir
zum Vater runter gehen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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