Mittwoch, 12. August 2015

Brief 54 vom 27.8.1940


Mein lieber, lieber Ernst!                                                     Konstanz, 27.8.40. 

Heute habe ich mal wieder fest im Garten geschafft. Ich glaube, das muß Du geahnt haben, oder eigentlich die Post, denn ich habe zur Belohnung von Dir vier, ja, Du liest schon richtig, 4 Briefe erhalten. Vom 19., 21., 22. und 23.  Den vom 20. habe ich ja gestern bekommen. War das eine Freude. Nun will ich sie Dir einmal nach und nach beantworten. 
Also, durch Deine Anforderung von 20, hast Du mich nicht überansprucht. Das wirst Du ja aus den vorhergehenden Briefen ersehen haben. Da brauchst du Dir also keine Gedanken zu machen. 
Daß Du Dich über die Postkarten gefreut hast, ist mir sehr recht. Habe ich Dir doch damit eine kleine Freude machen können. Wir sehen das hier doch als selbstverständlich an, daß alles sauber und ordentlich ist und können es uns gar nicht anders vorstellen. 
Wenn man den Engländern nichts Gutes wünscht, ist das wahrhaftig kein verblendeter Haß. Das haben die Engländer schon 100 mal verdient, daß sie mal richtig geduckt werden, denn durch sie ist ja eigentlich der Krieg nur gekommen und auch bei allen anderen Sachen haben sie ihre schmutzigen Finger dazwischen. 
Wie ich Dir gestern schon schrieb, ist die Bluse angekommen. Daß ein Knopf fehlt ist nicht schlimm. Ich werde mir einen passenden dazu besorgen. Das ist das wenigste. 
Na, Ihr macht ja schöne Sachen. Jetzt explodiert sogar der Badeofen. Nur gut, daß Dir nichts dabei passiert ist. Schön ist es ja, daß Du nun einen Radioapparat hast. Man hat doch dadurch immer Verbindung mit der Heimat.  Ja, morgen ist nun schon der 16. Mittwoch seit Du fort bist. Wie doch die Wochen und Monate vergehen.
Wenn ich hier immer die vielen Urlauber sehe, meine ich immer, Du müßtest auch einmal dabei sein. Na, wir wollen Geduld haben und es uns nicht unnötig schwer machen. Wir tun inzwischen beide unsere Pflicht. Wie groß wird die Freude sein, wenn wir uns wiedersehen. 
Nun zu dem Brief von meinen Eltern. Ja, es ist so, man könnte auch sagen „zwei Welten“. Ich bin meinen Eltern ganz entfremdet, so leid es mir tut, daß ich das sagen muß.  Gerade wegen dem Kaffee. Als Siegfried hier war, sagte ich mal so im Gespräch, daß es mir leid tue, daß ich nichts mehr schicken kann, aber ich brauchte meine Sachen jetzt selbst. Weißt Du, was er da sagte?
„Mach bloß keinen Blödsinn und schicke was. Die Eltern können sich wirklich nicht beklagen. Ich habe ihnen von meinen Fahrten Kaffee, Kakao, Lebensmittel, Seife, ja sogar Speck und Fleisch mitgebracht. Die Eltern haben mehr als manche anderen.“    Was sagst Du nun?
I c h  schicke keinen Kaffee. Ich habe Vater einen ganzen Teil gegeben, der verdient es, denn er ist immer sehr gut und wir kommen gut zusammen aus. Er hat auch die Kinder sehr gern. Und im Übrigen kann ich mir auch mal was zugute tun.
Lieber Ernst. es ist eben doch so, daß wir zwei uns nur verstehen. Wenn Du jetzt auch fort bist, das macht dabei gar nichts. Wie ich schon schrieb, ich bin so froh, daß ich Deine Frau bin und nicht zu hause sein muß. 
Helga schenke ich den Stoff von Dir zum Geburtstag. Sie wird sich sicher sehr freuen. Ich muß Dir leider gestehen, daß ich noch keinen Ständer für Dein Rad habe. Ich pumpe die Reifen aber immer wieder auf und drehe auch die Räder, damit sie nicht immer auf dem gleichen Stück stehen. Ich bitte Dich, lieber Ernst, sei mir nicht böse, daß ich noch keinen Ständer besorgt habe. Ich pflege Dein Rad aber bestimmt so, daß nichts daran kaputt geht.
Die Briefmarken, die Du gern willst, werde ich besorgen lassen.  Meinen Irrtum, Ihr wäret mit Euren Arbeitsräumen umgezogen, habe ich ja inzwischen berichtigt. Jetzt bin ich schon richtig im Bilde. Weiß Du, manchmal ist man ein bißchen schwer von Begriff. 
Von Herbst, wie es vorige Woche war, ist augenblicklich nichts mehr zu spüren, wenn man von den Morgennebeln absieht. Bei meiner Arbeit im Garten bin ich heute ganz rot verbrannt im Gesicht. Ich habe im kleinen Garten an der Seite bei den Stachelbeerbäumen die Erdbeeren raus gemacht, habe umgegraben. Im großen Garten habe ich umgegraben, wo die Zwiebeln standen. Dann habe ich die unteren Kartoffeln raus gemacht. Sie liegen noch drüben zum Abtrocknen.  Ich weiß also noch nicht, wie viele es sind.
Dann habe ich noch das ganze Kraut gehackt und die welken Blätter entfernt. Morgen werde ich das Kartoffelfeld umgraben und Erdbeeren setzen. Hoffentlich ist wieder schönes Wetter.
Heute Abend werde ich auch wieder Brombeeren abmachen.
Jetzt habe ich Dir wieder einen kleinen Einblick in die Gartenarbeit gegeben, damit Du nicht, wie Du im Brief vom 20.8. schreibst, „ganz und gar versimpelst“, was ich mir übrigens bei Dir gar nicht gut vorstellen kann. 
Es freut mich, daß Herr Gloger Dir wieder geschrieben hat. Ich dachte schon, der Briefwechsel wäre aus.  Es war schön, daß Du an Frau Diez geschrieben hast. Inzwischen ist ja Herr Diez nun gestorben. 8o Jahre ist ja immerhin ein schönes Alter. Nun lieber Ernst, will ich schließen, denn ich will den Brief noch wegschaffen und es ist bereits ¾ 5 Uhr. Ich schicke Dir heute die achten und damit letzten 5,-Mk.  Hoffentlich erhältst Du alles richtig.  Sei nun für heute herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


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