Sonntag, 26. März 2017

Brief 298 vom 24.3.1942


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 24.3.42           

Wir sind gerade heimgekommen und ich will dir gleich schreiben. Vorher bin ich nicht dazu gekommen, da wir schon um 2 Uhr fortgegangen sind, erstens um die Lichtrechnung für Vater zu bezahlen und um rechtzeitig zum Arzt zu kommen. Jörg musste ja noch mal zum Nachsehen hinkommen. Es hat sich aber keine Wirkung nach dem Einreiben der Salbe gezeigt, was ja gut ist.
Hinterher haben wir auf dem Heimweg eine Weile den Tauchern zugesehen. Einer hat einen Schuh verloren und kam plötzlich mit dem Schuh in der Hand an die Oberfläche des Wassers geschwommen. Das sah ulkig aus, wie eine Gummipuppe. Wir sind dann noch einkaufen gegangen und auch die Vergrößerungen von meinem Bild wollte ich abholen. Ich bekam sie auch. Aber bei dem Entwickler muß Staub drauf gewesen sein und das Bild war voller Flecken. Ich habe sie darum gar nicht angenommen und sie wollen bis morgen neue machen.
Ich hatte dir doch geschrieben, dass wir wahrscheinlich kein Mehl mehr bekommen. Wie nun gestern in der Zeitung stand, ist es nicht ganz so schlimm. Wenn auch nicht in dem Maße, wie früher, so bekommen wir doch auf einige Brotmarken Mehl, wenn auch Roggenmehr. Einmal im Monat kann man statt 50 g Fleisch, ½ Pfund Mehl bekommen. Die Marke ist mit „M“ gezeichnet. Das ist dann Weizenmehl. Also ganz verlassen sie uns nicht.
Heute erhielt ich den Brief, den Siegfried am 17.3. an dich geschrieben hatte. Ich schicke ihn mit. Da du die neue Adresse ja weißt, habe ich den Umschlag gleich hier behalten.
Einen Brief habe ich heute nicht von Dir erhalten. Ich hoffe aber morgen wieder darauf, denn ich freue mich ja immer auf Nachricht von Dir.
Heute hat es einen Rückschlag in der Witterung gegeben. Nach den sonnigen, warmen Tagen, war es heute so kühl, dass man Handschuhe vertragen konnte. Der Frühling kommt eben doch erst langsam.
Nun laß mich für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen