Mein liebster Ernst ! Konstanz,
24.3.42
Wir sind gerade heimgekommen und ich will dir gleich
schreiben. Vorher bin ich nicht dazu gekommen, da wir schon um 2 Uhr
fortgegangen sind, erstens um die Lichtrechnung für Vater zu bezahlen und um
rechtzeitig zum Arzt zu kommen. Jörg musste ja noch mal zum Nachsehen
hinkommen. Es hat sich aber keine Wirkung nach dem Einreiben der Salbe gezeigt,
was ja gut ist.
Hinterher haben wir auf dem Heimweg eine Weile den Tauchern
zugesehen. Einer hat einen Schuh verloren und kam plötzlich mit dem Schuh in
der Hand an die Oberfläche des Wassers geschwommen. Das sah ulkig aus, wie eine
Gummipuppe. Wir sind dann noch einkaufen gegangen und auch die Vergrößerungen
von meinem Bild wollte ich abholen. Ich bekam sie auch. Aber bei dem Entwickler
muß Staub drauf gewesen sein und das Bild war voller Flecken. Ich habe sie
darum gar nicht angenommen und sie wollen bis morgen neue machen.
Ich hatte dir doch geschrieben, dass wir wahrscheinlich kein
Mehl mehr bekommen. Wie nun gestern in der Zeitung stand, ist es nicht ganz so
schlimm. Wenn auch nicht in dem Maße, wie früher, so bekommen wir doch auf
einige Brotmarken Mehl, wenn auch Roggenmehr. Einmal im Monat kann man statt 50
g Fleisch, ½ Pfund Mehl bekommen. Die Marke ist mit „M“ gezeichnet. Das ist
dann Weizenmehl. Also ganz verlassen sie uns nicht.
Heute erhielt ich den Brief, den Siegfried am 17.3. an dich
geschrieben hatte. Ich schicke ihn mit. Da du die neue Adresse ja weißt, habe
ich den Umschlag gleich hier behalten.
Einen Brief habe ich heute nicht von Dir erhalten. Ich hoffe
aber morgen wieder darauf, denn ich freue mich ja immer auf Nachricht von Dir.
Heute hat es einen Rückschlag in der Witterung gegeben. Nach
den sonnigen, warmen Tagen, war es heute so kühl, dass man Handschuhe vertragen
konnte. Der Frühling kommt eben doch erst langsam.
Nun laß mich für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt
und geküsst von Deiner Annie.
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