Konstanz,
21.3.42
Mein liebster, liebster Ernst !
Gerade komme ich aus der Stadt, wo wir Siegfried auf die
Bahn gebracht und dann beim Arzt waren. Hier zu hause fand ich deinen lieben
Brief vom 16. vor. Ich habe mich sehr gefreut, wieder Nachricht von dir zu
bekommen, aber es hat mir sehr weh getan, zu lesen, dass du nun so bald dort
fortkommen sollst. Ich habe heimlich doch immer noch gehofft, es könnte sich
noch ein Weilchen hinziehen. Ich weiß, daß es nicht anders geht, aber ich lasse
dich so schwer nach dem Osten fahren. Ich habe dich ja so lieb, und würde gern
vieles, vieles opfern, um dich von dort zurückhalten zu können. Ich warte mit
Ungeduld auf deinen nächsten Brief, in dem du mir vielleicht schreiben kannst,
wenn Du wegfahren musst.
Während der Urlaubstage habe ich ja nichts geopfert und du
brauchst mir dafür nicht danken. Es war ja ein Geschenk für mich, dich wieder
einmal für kurze Zeit umsorgen zu dürfen. Ich hätte es ja gern noch in viel
größerem Maße getan. Es ist ja die Erfüllung aller Gedanken während vieler
Monate, wenn ich dich wieder einmal bei uns haben kann. Alles, alle Gedanken
und Pläne, laufen ja darauf hinaus „wenn Du wieder einmal daheim bist“. Wir
haben dich ja alle am meisten lieb, und am fröhlichsten und am sonnigsten ist es
bei uns, wenn du da bist. Es ist dann erst das richtige Leben. Ach ernst, ich
möchte dich jetzt gern hier haben und möchte dein liebes Gesicht streicheln und
möchte dein Lächeln sehen und möchte dir sagen, wie sehr lieb ich dich habe.
Ich habe so Heimweh nach dir, du mein lieber, lieber Ernst. Wenn ich dich doch
hier festhalten könnte. Ich würde es mit ganzem Herzen tun, du lieber, lieber
Ernst. Was sind all die kleinen Kümmernisse gegen die große Sorge um dich.
Bleib mir gesund Ernst, bleib gesund. Ich will auch ganz,
ganz tapfer sein, ganz bestimmt. Nur komm mir gesund wieder. Hoffentlich bist
du nicht gestern schon fortgekommen. Wir haben ja gestern oft von dir
gesprochen, aber dass du schon dort fortfahren könntest, daran habe ich noch
nicht gedacht. Wie schäme ich mich, dass ich dir noch im gestrigen Brief
großartig wegen der Lebensmittelkürzungen geschrieben habe. Das ist doch alles
gar nicht so wichtig. Du hast jetzt ganz andere Sorgen und ich komme mit
solchem Kleinkram. Sei mir nicht böse deshalb.
Wenn Du nach dem Osten kommst, so werden meine Gedanken auf
immer dich führen und bei dir sein. Ich gehöre ja immer zu dir.
Wenn ich deinen Brief lese, so ist es mir, als stündest du
vor mir, als brauchte ich nur meine Hand auszustrecken und könnte dich fassen.
Deine Worte sind wie das streicheln meines Herzens, dass es deine Liebe fühlt.
Ich fühle mich beschämt durch deinen Dank für meine Liebe, die du durch deine
Liebe ja in so reichem Maße vergiltst. Ich bin ja so glücklich darüber, dass du
mein Mann bist und dass du mich lieb hast. Was kann es noch schöneres geben?
Für mich nichts. Und du weißt ja auch, wie sehr lieb dich die Kinder haben und
dass auch ihr größter Wunsch darin gipfelt, dich für immer wieder bei uns zu
haben. Vielleicht verschönt dir das Bewusstsein, dass du für uns das liebste
auf Erden bist, manche schwere Stunde und auch manche einsame Stunde, die du
noch während dieses Krieges erlebst. Ich möchte dir alles gern erleichtern und
kann doch nichts tun. Nur das eine kann ich dir sagen, dass du immer auf mich
vertrauen kannst und dass ich auch nach dem Kriege gern überall mit dir hingehe,
wo du hingehen wirst.
Ich hab dir heute vieles geschrieben, was mir auf dem Herzen
lag und das man sich vielmals auszusprechen scheut. Aber ich musste es dir einmal
schreiben. Nun küsse ich dich noch vielmals und wünsche, dass es dir nicht zu
schwer wird und dass du auch weiterhin gesund bleibst. Deine Annie.
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