Konstanz,
15.3.42
Mein liebster, bester Ernst !
Es ist dies nun wieder der erste Brief, den ich an Dich
schreibe. Es ist abends ¾ 10 Uhr. Wir haben vorhin bei Deiner Ankunft und bei
Deiner Abfahrt von Stuttgart auf die Uhr gesehen. Unsere Gedanken gehen ja
immer zu Dir hin.
Als wir von der Bahn kamen, sind wir mit Vater ins Kino
gegangen. Vater hat 2.-Mk. dazu gezahlt. Anders tat er´s nicht. Den Kindern hat
der Film viel Freude gemacht. Ich hab diesmal nicht wieder so darüber lachen
können. Eine neue Wochenschau war da, in der auch die bombardierten Häuser von
Paris gezeigt wurden. Da haben die Bomben schwer gehaust. Vater hat der ganze
Film, bzw. die Wochenschau wohl ziemlich beeindruckt, denn er sagte, man müsse
nur staunen, wie solche Aufnahmen gemacht werden könnten. Wir sind auf dem
Heimweg bis zur Schneckenburgstraße
mitgegangen und sind dann heim. Da war und ist es ja sehr einsam. Helga sagte
uns dann unter Tränen, dass sie uns was zeigen müsste. Sie brachte dann aus
ihrer Tasche zwei Stückchen Draht zum Vorschein. „Die habe ich noch vom
Vaterle, wo ich ihm im Garten bei den Brombeeren geholfen habe. Die hat er noch
mit seinen lieben Händen angefasst. Da habe ich sie mir aufgehoben.“ Vorhin
haben wir noch Abendbrot gegessen und nun sind die Kinder im Bett. Sie waren
sehr müde. Kaum, dass sie sich noch ausziehen konnten. Ich gehe nun auch ins
Bett, denn auch ich bin sehr müd. Ich hoffe, dass wir fest schlafen können. Auf
½ 5 Uhr stelle ich mir den Wecker, damit ich bei deiner Ankunft in Köln mit
meinen Gedanken bei Dir sein kann. Hoffentlich hast Du einen Platz bekommen,
auf dem Du ein bisschen schlafen kannst.
Es waren doch schöne Tage, die wir wieder zusammen verlebt
haben. Und die beiden Spaziergänge in den Wald haben uns ja allen gefallen. Die
schöne Rangelei im Schnee haben wir ja in einigen Bildern festgehalten. Sie
werden immer wieder dazu beitragen, uns diesen Tag zu vergegenwärtigen.
Ich gehe nun ins Bett. Es ist zu einsam und still hier. Wie
schön waren doch dagegen die vergangenen Abende, wenn ich mit dir zusammen
sitzen konnte. Da hat man erst wieder gemerkt, wie schön ein Feierabend sein
kann, und man fühlt dann so recht den Unterschied zu diesem einsam herumsitzen.
Nun gute Nacht, mein lieber, lieber Ernst. Bleib ganz
gesund!
16.3.
Guten Morgen, mein lieber Mann! Wenn du pünktlich angekommen
bist, musst Du jetzt in Maastricht sein. Auch heute Morgen von ½ 5 bis um 5 war
ich munter und habe an Dich gedacht. Heute mussten wir ja zeitiger aufstehen,
da die Kinder zur Schule müssen. Unsere Beiden waren ziemlich verschlafen und
Helga wünschte sich, dass sie wieder heimgehen könnten und keinen Unterricht
hätten. Damit wird es aber nichts sein.
Gestern Abend sind die Kinder gleich eingeschlafen. Kein
einziges Wort haben sie geredet. Das ist doch bestimmt eine Seltenheit.
Es ist mir heute wieder ganz fremd vorgekommen, dass niemand
neben mir geatmet hat, als ich heute aufwachte. Es war in den vergangenen Tagen
mein erstes, darauf zu hören, und es war so schön, zu wissen, du bist da.
Ich gebe diesen Brief nun Helga mit, damit sie ihn noch zur
Post bringt und Du ihn bald erhältst. Ich gebe Dir für heute recht, recht viele
Küsse und grüße dich vielmals, Deine Annie.
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