Donnerstag, 23. März 2017

Brief 291 vom 18.03.1942


Konstanz, 18.3.42           
Mein liebster Ernst !

Nun ist gleich eine halbe Woche vorbei, seit Du von uns weggefahren bist. Du fehlst uns, und besonders mir, sehr. Es dauert eben immer eine ganze Zeit, bis man sich wieder daran gewöhnt hat, allein zu sein. Ich habe mich wieder in die Arbeit gestürzt, damit die Tage schneller vergehen.
Gestern Abend bin ich schon um 9 Uhr in´s Bett gegangen, denn ich war sehr müde. Aber heute Morgen war ich doch noch nicht ausgeschlafen, genau wie Helga, die auch noch sehr verschlafen aus dem Bett kam. Das zeitige Aufstehen ist man eben noch nicht gewöhnt. Fast den ganzen Winter über konnten wir ja lange im Bett bleiben. Helga muss ja jetzt immer um 8 Uhr zur Schule, und bei Jörg gilt seit gestern der Stundenplan auch nicht mehr. Heute musste er um 9:50 Uhr und morgen um 8:50 Uhr in die Schule.
Du wolltest noch Samen besorgen. Ich habe nun nachgesehen, was ich noch da habe und was ich bisher bekommen konnte:
Vom vorigen Jahr habe ich             2 Weißkraut, da bräuchte ich noch 2-3 Packungen
                                                1 Wirsing                                                3
                                                1 Rotkraut                                              3
Erhalten konnte ich bisher            4 Spinat                                      keinen mehr
                                                2 lange Gurken
                                                2 kurze Gurken
Ich bräuchte noch                 Kohlrabi                                             2-3 Packungen
                                                Möhren (2 verschiedene Sorten) 3-4
                                                Erbsen   (2 verschiedene Sorten) 2-3
                                                Grünkohl                                             2-3
und vor allem Zwiebelsamen. Auch Rosenkohl könnte ich noch gebrauchen. Das wäre soweit alles. Den Samen von Spinat und Gurken konnte ich heute bei Webers bekommen. Ich habe alle Packungen, die ich brauche, reichlich angegeben, denn vielmals muss man ja nachsäen, wenn einem die Vögel viel wegfressen. Ich weiß nun nicht, ob du das alles besorgen kannst. Schreibst mir deshalb bitte, damit ich mich evtl. noch beim Gaugel umsehe. Bei Wirsing und Erbsen hätte ich gern frühe und späte.
Heute erhielt ich Bescheid vom Dr. Nast, dass ich zu der Untersuchung von der Krankenkasse aus am Samstag mit Jörg hinkommen soll, und zwar um 10 Uhr. Da muss ich sehen, dass Jörg frei bekommt von der Schule.
Unsere Stare lassen sich jetzt den ganzen Nachmittag nicht auf dem Baum blicken. Nur jeden Morgen sitzt eine ganze Versammlung vor dem Häuschen und macht einen ziemlichen Krach. Es sieht aus, als sollte es doch Frühling werden. Heute ist es wieder mal ziemlich warm und die Sonne scheint. Auch weht ein warmer Wind. Frau Leimenstoll meinte, man könnte schon mit der Gartenarbeit beginnen, aber ich glaube, es wird noch mancher kalte Tag kommen. Vor Anfang April, wie wir´s besprochen haben, fange ich nicht an.
Nun laß mich schließen, mein lieber Ernst,und sei herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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