Konstanz, 16.3.42
Mein lieber, lieber Ernst !
Dieser Tag geht nun auch bald zu Ende, und heute empfinde
ich noch mehr als gestern, wie sehr du mir fehlst. Gestern kamen wir spät heim
und sind bald ins Bett gegangen, aber heute bin ich den ganzen Abend allein.
Das ist sehr einsam. Sonst warst Du in der Stube, lagst auf dem Sofa und ich
konnte mich nach meiner Arbeit zu Dir setzen. Das geht nun vorläufig nicht
mehr. Aber sehr schön war´s, dass Du auf Urlaub da warst und wir ein paar
schöne Tage zusammen verleben konnten. Diese Tage sind immer Lichtblicke im
Alltag.
Nun wirst Du ja wieder an deinem Bestimmungsort sein.
Hoffentlich ist die Fahrt soweit gut verlaufen. Um 6 haben wir daran gedacht,
dass du dort sein wirst. Es fragt sich natürlich, ob der Zug pünktlich war.
Heute Nachmittag waren wir beim Arzt. Er ist mit dem
Fortschritt zufrieden und meinte, es sei aus dem Stadium heraus, wo es
vereitert. Wir müssen weiter einreiben. Auf dem Heimweg sagte Helga: “Das habe
ich Dir zu verdanken, dass es nicht geeitert hat, weil du gleich mit mir zum
Doktor gegangen bist. Aber wenn Du mal in Gefahr bist, dann helfe ich dir
auch.“ Ist das nicht ein kleiner Lauser? Ich hoffe ja, dass die harte Knolle
bald ganz weg geht. Es wäre mir eine Beruhigung. Die Sache war also doch nicht
so einfach.
Du sagtest ja, ich könnte mir ein Buch oder irgendetwas zum
Lesen kaufen. Ich habe mir nun heute drei kleine Reklambücher gekauft. Wenn ich
die gelesen habe, schicke ich sie dir mal mit, wenn es mit dem Gewicht langt.
Den Film habe ich heute weggeschafft. Auch von den anderen
Filmen, von dir dort, lasse ich die Abzüge mit machen.
Ich habe auch noch einen andren Film gekauft, denn sie sehen
einen doch ein bisschen scheel an, wenn man immer nur französische entwickeln
lässt. Du kannst aber ruhig noch ein paar Filme besorgen, man weiß ja nicht,
wie lange man wieder welche bekommt. Übermorgen bekomme ich die Abzüge.
Vorhin waren die Kinder noch am Briefkasten und haben
nachgesehen, ob wieder regelmäßig geleert wird. Das ist nun der Fall und so
schaffe ich nachher noch den Brief weg, da kommt er morgen frühgleich ¼ 7 Uhr
fort.
Die Helga hat von jetzt an jeden Morgen um 8 Uhr Schule. Da
müssen wir nun immer zeitig aufstehen. Bei Jörg gilt noch der alte Stundenplan.
Heute Morgen hatten wir wieder trübes nebliges Wetter, es
hat sogar ein wenig geregnet. Am Nachmittag schien aber die Sonne und es war
ganz schön warm. Man konnte sich richtig durchwärmen lassen. Aber gegen Abend
wurde es wieder kühl, so wie an dem Abend, als wir in St. Kathrinen waren. Das
war doch auch ein schöner Tag, nicht wahr? Es ist eben immer so schön, wenn Du
da bist, du lieber guter Ernst. Von den Erinnerungen an diesen Urlaub zehren
wir ja wieder lange Zeit. Die Urlaubstage sind ja immer glückliche Tage.
Nun schließe ich wieder und hoffe, dass es dir nicht gar so
schwer ist. Bleib mir recht gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküsst
von Deiner Annie.
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