Sonntag, 1. Januar 2017

Brief 264 vom 30./31.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                Konstanz, 30.12.41                      

Einen Brief habe ich heute nicht von Dir bekommen. Von Papa kam ein Briefpäckchen mit kleinen Sachen von Mama, eine kleine Stofftasche, Nähseide usw.
Wir alle drei sind heute morgen in die Stadt gegangen. Die Kälte hat etwas nachgelassen, es sind nur noch 3 Grad. Dabei hat es am Vormittag noch etwas geschneit. Es war schön zum laufen. Zuerst sind wir auf die Sparkasse gegangen. Da habe ich das Geld geholt und gleichzeitig bei uns 25,- und bei den Kindern je 7,50 und 1,-Mk von der Schulsparkasse eingezahlt. Dann sind wir auf die Post gegangen und haben 65,- Mk an Dich zur Absendung gebracht. Hinterher haben wir noch Gas- und Lichtmarken geholt, haben bei Tengelmann noch verschiedenes besorgt und sind dann heim gegangen. Jörg hat vorhin noch Aufgaben gemacht und nun ist er mit Helga beim Schlittenfahren. Die paar Tage bis zum Schulanfang wollen sie doch noch richtig ausnutzen, denn wenn sie später wieder Schulaufgaben machen müssen, ist doch der halbe Nachmittag vorbei. Gesund ist ja das Wetter. Beide kommen immer mit frischen, knallroten Backen herein.
Nachher besorgen sie mir noch einen Weg. Von den Bildern, die ich Dir geschickt hatte, habe ich nochmals Abzüge machen lassen. Die holen sie nachher und nehmen gleich den Brief mit auf die Post.
Hast Du eigentlich einen Herrn Mader vom Verkehrsamt gekannt? Der ist in den letzten Tagen auch gefallen.
Wenn Vater morgen zu uns heraufkommt, kann ich ihm die restlichen 30,- bezahlen. Unsere Schulden sind wir dann los. Da bin ich froh, denn wenn ich niemand etwas schuldig bin, ist es mir lieber. Das war ja auch nur einmal ein Ausnahmefall, sonst kommt das ja nicht vor.
Nun ist ja gleich das alte Jahr vorbei. Was wird es uns wohl bringen? Hoffentlich nicht zu viel Schmerz, sondern auch etwas Gutes. Aber es ist wohl am besten, man läßt alles auf sich zukommen und fragt vorher nicht zu viel. Es war schön, daß wir wenigstens am vergangenen Neujahr zusammen sein konnten. Diesmal ist es ja leider nicht der Fall, aber wir werden besonders fest aneinander denken. Und hoffen wir auf ein recht baldiges gesundes Wiedersehen.
Laß mich nun schließen und sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                            Konstanz, 31.12.41

Nun ist wirklich der letzte Tag des Jahres herangekommen. Ich hätte heute gern noch einen Gruß von Dir bekommen, aber leider brachte mir der Briefträger auch heute nichts. Vielleicht bringt er mir morgen einen ersten Gruß zum neuen Jahr.
Ich war heute mit den Kindern im Kino „Wetterleuchten um Barbara“. Es hat mir gut gefallen. Auch die Bergaufnahmen waren wieder gut. Der Film handelt noch vom Schuschnigg-Österreich. Die Heimwehr taucht überall auf und verhaftet die besten Bauern, um sie an den Galgen zu bringen und sich gleichzeitig in den Besitz der Höfe zu setzen. Im Film handelt es sich um das Schicksal eines Hofes und seiner Menschen. Am Schluß des Filmes steht der Einmarsch der Wehrmacht in die Ostmark. Die Wochenschau war auch sehr interessant.
Vorhin ist Vater gekommen und wir werden nun am Sylvester allein zusammen sitzen und an Dich und auch an Kurt und Siegfried, sowie an Papa und Erna denken. Meine Gedanken sind ja vor allen Dingen bei Dir und ich glaube, daß Deine Gedanken auch bei uns sein werden. Wahrscheinlich wirst Du mit Deinen Kameraden zusammen das neue Jahr erwarten.  Ich weiß ja noch nicht einmal, wie Du die Weihnachtsfeiertage erlebt hast, denn Dein letzter Brief war ja vom 23./24. Aber ich hoffe, daß ich bald wieder einen Brief von Dir bekomme.
Bei uns herrscht richtiges Winterwetter. Als wir heute Morgen aufwachten, hatte es schon etwas geschneit und bis heute Abend hat es damit noch nicht aufgehört. Die Kinder sind ja darüber sehr glücklich, wenn es auch den Soldaten draußen sicher nicht so recht ist, denn wir habe gerade heute in der Wochenschau gesehen, wie der Kampf dadurch erschwert wird. Nun unterbreche ich erst einmal den Brief und will die Kinder ins Bett bringen. Es ist bald 9 Uhr. Später schreibe ich noch weiter.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen