Mein
liebster Ernst! Konstanz, 30.12.41
Einen
Brief habe ich heute nicht von Dir bekommen. Von Papa kam ein Briefpäckchen mit
kleinen Sachen von Mama, eine kleine Stofftasche, Nähseide usw.
Wir
alle drei sind heute morgen in die Stadt gegangen. Die Kälte hat etwas
nachgelassen, es sind nur noch 3 Grad. Dabei hat es am Vormittag noch etwas
geschneit. Es war schön zum laufen. Zuerst sind wir auf die Sparkasse gegangen.
Da habe ich das Geld geholt und gleichzeitig bei uns 25,- und bei den Kindern
je 7,50 und 1,-Mk von der Schulsparkasse eingezahlt. Dann sind wir auf die Post
gegangen und haben 65,- Mk an Dich zur Absendung gebracht. Hinterher haben wir
noch Gas- und Lichtmarken geholt, haben bei Tengelmann noch verschiedenes
besorgt und sind dann heim gegangen. Jörg hat vorhin noch Aufgaben gemacht und
nun ist er mit Helga beim Schlittenfahren. Die paar Tage bis zum Schulanfang
wollen sie doch noch richtig ausnutzen, denn wenn sie später wieder
Schulaufgaben machen müssen, ist doch der halbe Nachmittag vorbei. Gesund ist
ja das Wetter. Beide kommen immer mit frischen, knallroten Backen herein.
Nachher
besorgen sie mir noch einen Weg. Von den Bildern, die ich Dir geschickt hatte,
habe ich nochmals Abzüge machen lassen. Die holen sie nachher und nehmen gleich
den Brief mit auf die Post.
Hast
Du eigentlich einen Herrn Mader vom Verkehrsamt gekannt? Der ist in den letzten
Tagen auch gefallen.
Wenn
Vater morgen zu uns heraufkommt, kann ich ihm die restlichen 30,- bezahlen.
Unsere Schulden sind wir dann los. Da bin ich froh, denn wenn ich niemand etwas
schuldig bin, ist es mir lieber. Das war ja auch nur einmal ein Ausnahmefall,
sonst kommt das ja nicht vor.
Nun
ist ja gleich das alte Jahr vorbei. Was wird es uns wohl bringen? Hoffentlich
nicht zu viel Schmerz, sondern auch etwas Gutes. Aber es ist wohl am besten,
man läßt alles auf sich zukommen und fragt vorher nicht zu viel. Es war schön,
daß wir wenigstens am vergangenen Neujahr zusammen sein konnten. Diesmal ist es
ja leider nicht der Fall, aber wir werden besonders fest aneinander denken. Und
hoffen wir auf ein recht baldiges gesundes Wiedersehen.
Laß
mich nun schließen und sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 31.12.41
Nun
ist wirklich der letzte Tag des Jahres herangekommen. Ich hätte heute gern noch
einen Gruß von Dir bekommen, aber leider brachte mir der Briefträger auch heute
nichts. Vielleicht bringt er mir morgen einen ersten Gruß zum neuen Jahr.
Ich
war heute mit den Kindern im Kino „Wetterleuchten um Barbara“. Es hat mir gut
gefallen. Auch die Bergaufnahmen waren wieder gut. Der Film handelt noch vom
Schuschnigg-Österreich. Die Heimwehr taucht überall auf und verhaftet die besten
Bauern, um sie an den Galgen zu bringen und sich gleichzeitig in den Besitz der
Höfe zu setzen. Im Film handelt es sich um das Schicksal eines Hofes und seiner
Menschen. Am Schluß des Filmes steht der Einmarsch der Wehrmacht in die
Ostmark. Die Wochenschau war auch sehr interessant.
Vorhin
ist Vater gekommen und wir werden nun am Sylvester allein zusammen sitzen und
an Dich und auch an Kurt und Siegfried, sowie an Papa und Erna denken. Meine
Gedanken sind ja vor allen Dingen bei Dir und ich glaube, daß Deine Gedanken
auch bei uns sein werden. Wahrscheinlich wirst Du mit Deinen Kameraden zusammen
das neue Jahr erwarten. Ich weiß ja
noch nicht einmal, wie Du die Weihnachtsfeiertage erlebt hast, denn Dein
letzter Brief war ja vom 23./24. Aber ich hoffe, daß ich bald wieder einen
Brief von Dir bekomme.
Bei
uns herrscht richtiges Winterwetter. Als wir heute Morgen aufwachten, hatte es
schon etwas geschneit und bis heute Abend hat es damit noch nicht aufgehört.
Die Kinder sind ja darüber sehr glücklich, wenn es auch den Soldaten draußen
sicher nicht so recht ist, denn wir habe gerade heute in der Wochenschau
gesehen, wie der Kampf dadurch erschwert wird. Nun unterbreche ich erst einmal
den Brief und will die Kinder ins Bett bringen. Es ist bald 9 Uhr. Später
schreibe ich noch weiter.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen