Mittwoch, 25. Januar 2017

Brief 275 vom 18./19./20.1.1942


Mein lieber, lieber Ernst!                                            Konstanz, 18.1.42                                        

Gleich 2 Briefe habe ich heute von Dir bekommen, vom 12. und 13.1. Ich danke Dir sehr dafür. Das war ein lieber Sonntagsgruß. Außerdem erhielt ich ein Seifenpäckchen mit 2 Stück schöner Seife. Du mußt entschuldigen, daß ich Dir die Nummer nicht schreiben kann. Ich habe tatsächlich vergessen, nach dieser zu sehen, ehe ich die Pappverpackung verbrannt. Ich habe sie nicht aufgehoben, da man doch nichts anderes damit verpacken kann. - Nun zu den Bildern von der Hochzeit. Alice ist auch wirklich sehr stark. Kommt Dir Dora alt vor? Ich habe das garnicht so gemerkt. Das kleine Mädchen auf dem Bild schaut auch sonst immer so bös drein. Ich habe sie nie anders gesehen. - Also, Du weißt auch noch nicht genau, wie es mit dem Urlaub wird. Da werde ich mich schon noch gedulden müssen, wie Du es ja auch mußt. - An meinen Vater schreibe ich ja jetzt öfter, damit er sich nicht so verlassen vorkommt. Das Päckchen zu seinem Geburtstag kannst du ja nun leider nicht mehr wegschicken, nachdem auch bei Euch Päckchensperre besteht. - Geschneit hat es also bei Euch auch. Da habt Ihr also auch vom Winter gespürt. Bei uns hat es ja seit längerer Zeit nicht mehr geschneit und es liegt auch nicht mehr viel Schnee. Aber kalt ist es immer noch, 7 Grad Kälte. Meine Arbeit hier schaffe ich schon noch. Bei anderen Frauen, die noch in die Fabrik gehen, muß es ja auch gehen. Die täglichen Arbeiten sind schon zu bewältigen, aber ich muß jetzt eben manches nachholen, was ich im Sommer infolge der Gartenarbeit liegen lassen mußte. Aber es wäre ja gelacht, wenn ich das nicht fertig bringen sollte. Von Papa bekamen wir heute ein Briefpäckchen mit den Abzeichen von Leipzig zum heutigen Sonntag. Sie haben einen ganzen kleinen Holzzug, während wir Abzeichen zum Anstecken haben. Wir haben uns darüber gefreut. Beifolgender Brief lag bei. Ich binn gespannt, was Papa noch weiter von den Erlebnissen von Siegfried schreibt. So einfach war die letzte Fahrt scheinbar nicht. - Die Kinder haben mich gebeten, noch ein Stück mir ihnen in den Wald zu gehen. Viel Lust habe ich ja wirklich nicht, aber ich will ihnen doch den Gefallen tun. Wir brauchen ja nicht lange zu bleiben. - Laß mich deshalb jetzt schließen und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                               Konstanz, 19.1.42

Wie ich Dir gestern schrieb, wollte ich am Nachmittag mit den Kindern in den Wald gehen. 1/4 4 sind wir gegangen. Wir haben den Schlitten mitgenommen und ich habe die Kinder streckenweise gezogen. 2 ml habe ich mich auch fahren lassen dürfen. Das hat ihnen Freude gemacht. Den Weg, kurz vorm Tabor, sind Beide einige Male runtergerodelt, aber man kam dann zuletzt auf einen Acker. Da stauchte es schlimm. Da haben wir uns einen abfallenden Weg gesucht und haben dort noch gerodelt. Zu lange konnten wir nicht bleiben, da es so kalt war. Heimzu habe ich dann die Kinder wieder gezogen. So waren wir im 6 Uhr wieder daheim. Da haben wir dann Kuchen und Pudding gegessen. Ab Abend kam Vater und brachte die Handschuhe für Kurt. Aber wir können sie nun doch nicht wegschicken, auch als einfaches Päckchen nicht. Ich habe mich heute noch deshalb erkundigt und will Kurt gleich kurz Bescheid geben. - Heute hat nun für die Kinder der Schulunterricht wieder begonnen. Helga bekommt eine neue Lehrerin, ein Frl. Fitz. Mal sehen, was das für eine ist. - Heute Nachmittag wollte ich mit den Kindern in die Stadt gehen. Als wir nun heute beim Mittagessen saßen, kam beim Stuttgarter Sender franz. Nachrichten. Helga springt auf, um etwas anderes zu stellen, rutscht aus und schlägt sich das Knie auf. Das hat ihr natürlich erst sehr weh getan. Darum hat sie sich ein bißchen hingelegt und ist nicht mitgegangen. So bin ich mit Jörg allein losmarschiert. Helga war zu hause sehr brav und hat Märchen gelesen. - Heute schneit es wieder den ganzen Tag. Die Kälte hat um ca. 2 Grad nachgelassen. Wenn noch die ganze Nacht Schnee fällt, haben die Kinder wieder eine schöne Schlittenbahn. - Für Jörg war heute das wichtigste Ereignis die Flaggenhießung. Davon erzählt er immer. Und auf seine Mütze ist er stolz, Er hat doch schon so lange die Ledermütze. Die haben heute seine Klassenkameraden bewundert. Jetzt setzt er sie nochmal so gern auf. - Ich bringe nun den Brief schnell fort, dann müssen unsere Laufer ins Bett, es ist gleich um 8. - Sei nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                 Konstanz, 20.1.42

Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom 15.1. mit den Zeitungen und dem Heft. Ich danke Dir sehr dafür.- Ihr dürft also wieder Päckchen schicken. Vielleicht kommen die Sachen für Papa noch rechtzeitig an. Ich werde sie dann gleich zusammen mit etwas Gebäck an ihn abschicken. - Den ersten Brief vom 15. mit dem Durchschlag vom Brief an Siegfried habe ich noch nicht erhalten. Der kommt sicher auch bald. - Von Kurt kam ein Brief. Er fragt darin an, ob sein Feldstecher richtig angekommen ist. Außerdem teilt er mit, daß er 3 Päckchen abgeschickt hat, mit Sachen, die ihm im Wege sind. Wir und Vater könnten die Sachen mit verwenden. Um was für SAchen es sich handelt, weiß ich nicht. Er bittet mich noch, ihm, wenn möglich, Papiertaschentücher zu schicken. Ich will mal in der Stadt  nachfragen, ob es die noch gibt.  Jetzt kann ich sie ja sowieso noch nicht schicken, ebenso wie die Handschuhe. Vielleicht dauert die Sperre nicht mehr zu lange. - Heute Nacht hat es noch ziemlich geschneit, ca. 20 cm Neuschnee hatte es heute früh. Da Helga von gestern, wo sie hingefallen war, noch ziemlich humpelte, habe ich heute Morgen gleich alle Beide auf den Schlitten gepackt und in die Schule gefahren. Sie waren mir deshalb nicht böse. Als ich heim kam, habe ich den Schnee weggekehrt. Das hat mir direkt Freude gemacht, in der frischen Luft zu schaffen. Hinterher war`s mir direkt heiß. - Gestern Abend habe ich Jörg`s Schuhe genäht. Ein Stück der Naht war aufgegangen. Ich habe ja jetzt richtiges Schuh-Nähzeug. Ich hatte es mir doch auf der Messe gekauft. Auch Helga`s Schulranzen mußte ich nähen. Auch da war die Naht aufgegangen. Außerdem habe ich an meine Einkaufstasche Holzgriffe genäht, da die anderen Griffe so abgegriffen waren und so aufsgefranztes Zeug ja unordentlich aussieht. šber all dieser Arbeit ist der Abend schnell vergangen und es war fast 12 Uhr, als ich ins Bett kam. - Nachher will ich für Papa noch das Gebäck backen und heute Abend habe ich noch zu stopfen So geht ein Tag  nach dem anderen herum. - Helga hat es jetzt doch nicht in der Wohnung gelitten. Der Schnee lockt gar so sehr. Sie humpelt zwar noch, aber sie will doch sehen, ob sie nicht fahren kann. Es ist ja auch ganz gut, wenn das Knie bewegt wird. - Jörg, der kleine freche Kerl, hat sich auf dem kleinen Buckel vorm Haus, wo sie immer runterfahren, eine Schleiferbahn angelegt und schusselt immer runter. Sogar das äHäfeleä (schuffeln in Hockstellung) kann er schon und ist nicht wenig stolz darauf. Er sieht übrigens schon wieder schön aus, von oben bis unten voll Schnee. - Heute brachte Jörg den neuen Stundenplan mit. Er hat jeden Tag, auch Samstag, von 11 - 1/2 1 Uhr Schule. Wahrscheinlich bekommt er auch eine neue Lehrerin. Es wird sicher so sein, daß die elsäßischen Lehrerinnen wieder nach dem Elsaß kommen. - Ende Januar oder Anfang Februar, bekommen die Kinder auch ihre Zeugnisse. Zu Ostern gibt es ja keine mehr, erst wieder im Herbst. - Nun laß mich wieder schließen und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

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