Mein
lieber, lieber Ernst! Konstanz,
18.1.42
Gleich
2 Briefe habe ich heute von Dir bekommen, vom 12. und 13.1. Ich danke Dir sehr
dafür. Das war ein lieber Sonntagsgruß. Außerdem erhielt ich ein Seifenpäckchen
mit 2 Stück schöner Seife. Du mußt entschuldigen, daß ich Dir die Nummer nicht
schreiben kann. Ich habe tatsächlich vergessen, nach dieser zu sehen, ehe ich
die Pappverpackung verbrannt. Ich habe sie nicht aufgehoben, da man doch nichts
anderes damit verpacken kann. - Nun zu den Bildern von der Hochzeit. Alice ist
auch wirklich sehr stark. Kommt Dir Dora alt vor? Ich habe das garnicht so
gemerkt. Das kleine Mädchen auf dem Bild schaut auch sonst immer so bös drein.
Ich habe sie nie anders gesehen. - Also, Du weißt auch noch nicht genau, wie es
mit dem Urlaub wird. Da werde ich mich schon noch gedulden müssen, wie Du es ja
auch mußt. - An meinen Vater schreibe ich ja jetzt öfter, damit er sich nicht
so verlassen vorkommt. Das Päckchen zu seinem Geburtstag kannst du ja nun
leider nicht mehr wegschicken, nachdem auch bei Euch Päckchensperre besteht. -
Geschneit hat es also bei Euch auch. Da habt Ihr also auch vom Winter gespürt.
Bei uns hat es ja seit längerer Zeit nicht mehr geschneit und es liegt auch
nicht mehr viel Schnee. Aber kalt ist es immer noch, 7 Grad Kälte. Meine Arbeit
hier schaffe ich schon noch. Bei anderen Frauen, die noch in die Fabrik gehen,
muß es ja auch gehen. Die täglichen Arbeiten sind schon zu bewältigen, aber ich
muß jetzt eben manches nachholen, was ich im Sommer infolge der Gartenarbeit
liegen lassen mußte. Aber es wäre ja gelacht, wenn ich das nicht fertig bringen
sollte. Von Papa bekamen wir heute ein Briefpäckchen mit den Abzeichen von
Leipzig zum heutigen Sonntag. Sie haben einen ganzen kleinen Holzzug, während wir
Abzeichen zum Anstecken haben. Wir haben uns darüber gefreut. Beifolgender
Brief lag bei. Ich binn gespannt, was Papa noch weiter von den Erlebnissen von
Siegfried schreibt. So einfach war die letzte Fahrt scheinbar nicht. - Die
Kinder haben mich gebeten, noch ein Stück mir ihnen in den Wald zu gehen. Viel
Lust habe ich ja wirklich nicht, aber ich will ihnen doch den Gefallen tun. Wir
brauchen ja nicht lange zu bleiben. - Laß mich deshalb jetzt schließen und sei
recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 19.1.42
Wie
ich Dir gestern schrieb, wollte ich am Nachmittag mit den Kindern in den Wald
gehen. 1/4 4 sind wir gegangen. Wir haben den Schlitten mitgenommen und ich
habe die Kinder streckenweise gezogen. 2 ml habe ich mich auch fahren lassen
dürfen. Das hat ihnen Freude gemacht. Den Weg, kurz vorm Tabor, sind Beide
einige Male runtergerodelt, aber man kam dann zuletzt auf einen Acker. Da
stauchte es schlimm. Da haben wir uns einen abfallenden Weg gesucht und haben
dort noch gerodelt. Zu lange konnten wir nicht bleiben, da es so kalt war.
Heimzu habe ich dann die Kinder wieder gezogen. So waren wir im 6 Uhr wieder
daheim. Da haben wir dann Kuchen und Pudding gegessen. Ab Abend kam Vater und
brachte die Handschuhe für Kurt. Aber wir können sie nun doch nicht
wegschicken, auch als einfaches Päckchen nicht. Ich habe mich heute noch
deshalb erkundigt und will Kurt gleich kurz Bescheid geben. - Heute hat nun für
die Kinder der Schulunterricht wieder begonnen. Helga bekommt eine neue
Lehrerin, ein Frl. Fitz. Mal sehen, was das für eine ist. - Heute Nachmittag
wollte ich mit den Kindern in die Stadt gehen. Als wir nun heute beim
Mittagessen saßen, kam beim Stuttgarter Sender franz. Nachrichten. Helga
springt auf, um etwas anderes zu stellen, rutscht aus und schlägt sich das Knie
auf. Das hat ihr natürlich erst sehr weh getan. Darum hat sie sich ein bißchen
hingelegt und ist nicht mitgegangen. So bin ich mit Jörg allein losmarschiert.
Helga war zu hause sehr brav und hat Märchen gelesen. - Heute schneit es wieder
den ganzen Tag. Die Kälte hat um ca. 2 Grad nachgelassen. Wenn noch die ganze
Nacht Schnee fällt, haben die Kinder wieder eine schöne Schlittenbahn. - Für
Jörg war heute das wichtigste Ereignis die Flaggenhießung. Davon erzählt er
immer. Und auf seine Mütze ist er stolz, Er hat doch schon so lange die
Ledermütze. Die haben heute seine Klassenkameraden bewundert. Jetzt setzt er
sie nochmal so gern auf. - Ich bringe nun den Brief schnell fort, dann müssen
unsere Laufer ins Bett, es ist gleich um 8. - Sei nun wieder recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz,
20.1.42
Heute
bekam ich Deinen lieben Brief vom 15.1. mit den Zeitungen und dem Heft. Ich
danke Dir sehr dafür.- Ihr dürft also wieder Päckchen schicken. Vielleicht
kommen die Sachen für Papa noch rechtzeitig an. Ich werde sie dann gleich
zusammen mit etwas Gebäck an ihn abschicken. - Den ersten Brief vom 15. mit dem
Durchschlag vom Brief an Siegfried habe ich noch nicht erhalten. Der kommt
sicher auch bald. - Von Kurt kam ein Brief. Er fragt darin an, ob sein
Feldstecher richtig angekommen ist. Außerdem teilt er mit, daß er 3 Päckchen
abgeschickt hat, mit Sachen, die ihm im Wege sind. Wir und Vater könnten die
Sachen mit verwenden. Um was für SAchen es sich handelt, weiß ich nicht. Er
bittet mich noch, ihm, wenn möglich, Papiertaschentücher zu schicken. Ich will
mal in der Stadt nachfragen, ob es die
noch gibt. Jetzt kann ich sie ja
sowieso noch nicht schicken, ebenso wie die Handschuhe. Vielleicht dauert die
Sperre nicht mehr zu lange. - Heute Nacht hat es noch ziemlich geschneit, ca.
20 cm Neuschnee hatte es heute früh. Da Helga von gestern, wo sie hingefallen
war, noch ziemlich humpelte, habe ich heute Morgen gleich alle Beide auf den
Schlitten gepackt und in die Schule gefahren. Sie waren mir deshalb nicht böse.
Als ich heim kam, habe ich den Schnee weggekehrt. Das hat mir direkt Freude
gemacht, in der frischen Luft zu schaffen. Hinterher war`s mir direkt heiß. - Gestern
Abend habe ich Jörg`s Schuhe genäht. Ein Stück der Naht war aufgegangen. Ich
habe ja jetzt richtiges Schuh-Nähzeug. Ich hatte es mir doch auf der Messe
gekauft. Auch Helga`s Schulranzen mußte ich nähen. Auch da war die Naht
aufgegangen. Außerdem habe ich an meine Einkaufstasche Holzgriffe genäht, da
die anderen Griffe so abgegriffen waren und so aufsgefranztes Zeug ja
unordentlich aussieht. šber all dieser Arbeit ist der Abend schnell vergangen
und es war fast 12 Uhr, als ich ins Bett kam. - Nachher will ich für Papa noch
das Gebäck backen und heute Abend habe ich noch zu stopfen So geht ein Tag nach dem anderen herum. - Helga hat es jetzt
doch nicht in der Wohnung gelitten. Der Schnee lockt gar so sehr. Sie humpelt
zwar noch, aber sie will doch sehen, ob sie nicht fahren kann. Es ist ja auch
ganz gut, wenn das Knie bewegt wird. - Jörg, der kleine freche Kerl, hat sich
auf dem kleinen Buckel vorm Haus, wo sie immer runterfahren, eine Schleiferbahn
angelegt und schusselt immer runter. Sogar das äHäfeleä (schuffeln in
Hockstellung) kann er schon und ist nicht wenig stolz darauf. Er sieht übrigens
schon wieder schön aus, von oben bis unten voll Schnee. - Heute brachte Jörg
den neuen Stundenplan mit. Er hat jeden Tag, auch Samstag, von 11 - 1/2 1 Uhr
Schule. Wahrscheinlich bekommt er auch eine neue Lehrerin. Es wird sicher so
sein, daß die elsäßischen Lehrerinnen wieder nach dem Elsaß kommen. - Ende
Januar oder Anfang Februar, bekommen die Kinder auch ihre Zeugnisse. Zu Ostern
gibt es ja keine mehr, erst wieder im Herbst. - Nun laß mich wieder schließen
und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen