Mein lieber Ernst! 29.
August
Heute komme ich spät
zum schreiben. Es ist schon ¾ 5 Uhr.
Ich habe aber heute
wieder im Garten geschafft. Und zwar habe ich die Erdbeeren gesetzt,
angegossen, die sieben weiteren Reihen gegraben, so daß sie vollständig in
Ordnung sind. Dann habe ich Spinat, Salat und Frühjahrszwiebeln gesät., Die
Frühjahrszwiebeln sind zum Überwintern. Für heute habe ich mit der Arbeit
Schluß gemacht.
Ein Brief ist heute
auch nicht gekommen. Aber das kommt eben daher, weil ich gleich vier an einem
Tag bekommen habe, da werde ich mich wohl gedulden müssen.
Zwei Pfund Tomaten
habe ich heute geerntet und 1 ½ Pfund Falläpfel.
Von den Eltern kam
heute eine Karte in der sie mitteilen, daß sie mir in den nächsten Tagen wieder
Lesestoff schicken werden. Da schicke ich Dir also auch bald wieder
Zeitungen.
Nun weiß ich
eigentlich nichts mehr zu schreiben. Ich bin auch ein bißchen müd vom
schaffen. Sei also für heute recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Ich habe noch eine
Skizze vom Garten gemacht, damit Du weißt, wo alles steht.
Mein lieber
Mann! Konstanz, 30.Aug.40.
Heute schreibe ich
schon am Mittag, denn ich will für Vater die Gartenpacht heute bezahlen, da muß
ich bis 3 Uhr in der Stadt sein. Ein
Brief von Dir ist auch heute nicht gekommen, wenigstens heute Vormittag nicht.
Mal sehen, wann ich wieder etwas bekomme.
Gestern habe ich mir
für die Bluse von Dir einen Knopf gekauft. Ich habe einen ziemlich passenden
bekommen, den ich nun ganz oben am Kragen hin nähe, nachdem ich den Knopf von
oben an die freie Stelle genäht habe.
So fällt es gar nicht auf, daß es ein bißchen ein anderer ist. Ich habe
die Bluse gestern Vater gezeigt. Ihm gefällt sie auch sehr gut. Ich soll Dir
übrigens von ihm bestellen, Du solltest ihm nicht böse sein, daß er sich noch
nicht für die Zigarren bedankt hat. Er wird es bald nachholen. Inzwischen läßt
er Dir durch mich danken.
Ich schicke Dir
heute einen Artikel über den Mindelsee mit. Vielleicht interessiert er Dich.
Kurt hat ihn auch gelesen, als er hier war, dann wollte Vater die Zeitung
mitnehmen und er wollte es auch lesen, so ist es gekommen, daß ich Dir den
Ausschnitt vom 17.Aug. erst heute schicke.
Heute bin ich nicht
in den Garten gegangen, sondern habe mal wieder oben gründlich sauber gemacht,
denn es bleibt doch manches liegen, wenn man ein paar Tage hintereinander im
Garten schafft. Nun habe ich das auch wieder erledigt. Jetzt geht es dann ans
stopfen und flicken. Nächste Woche habe ich erst Wäsche und dann kommt wieder
der Garten dran. So vergeht eine Woche nach der anderen. Man glaubt manchmal
garnicht, daß schon der Sommer vorbei sein soll. Aber man merkt es schon wieder
abends. Da muß ich schon ½ 9 Uhr Licht machen, und dabei haben wir noch die
Sommerzeit und es ist eigentlich erst ½ 8 Uhr. Trüb ist es heute auch wieder.
Geht Ihr eigentlich
auch in den Keller wenn Flieger kommen? Wenn es möglich ist, so gehe doch auch.
Es sind in Berlin jetzt auch 10 Menschen tot, weil sie nicht in den Keller
gegangen sind. Wir möchten Dich doch gern gesund wiedersehen. Ich möchte Dir
natürlich keine Vorschriften machen, sondern es ist nur die Sorge um Dich, die
mich das schreiben läßt.
Wir haben dieses
Jahr bis jetzt 12 Pfund Brombeeren geerntet. Das ist natürlich nichts gegen die
Jahre vorher, aber ich freue mich doch über jedes Pfund. Ich weiß nicht, ob ich
Dir schon geschrieben habe, wie viele Tomaten wir haben. Bis heute sind es 28
Pfund. Das ist doch auch ganz schön. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich wieder
was ernte. Daß ich mich aber auch vorm arbeiten nicht drücke, das weißt Du
ja.
Du, Ernst, weißt Du,
was ich mit Deinem Rad gemacht habe? Ich habe etwas untergelegt und habe das
Rad auf die Lenkstange und den Sattel gestellt, da wird der Gummi auch
geschont. Soll ich da jetzt eigentlich die Luft in den Reifen lassen oder
nicht? Nun mache ich wieder Schluß,
denn jetzt wird es Zeit, ich muß mich fertig machen. Sei recht, recht fest
geküßt und gegrüßt, wenn auch nur im Geist, von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 31.Aug.1940
Heute, am Vorabend unseres neunten
Hochzeittages, sitze ich wieder hier allein und da kommt mir eigentlich so
richtig zum Bewußtsein, daß ich Dir doch auch schon vorige Woche zu unserem
Hochzeitstag hätte schreiben sollen. Ich hatte Dir morgen schreiben wollen und
mir gar nicht überlegt, daß Du das ja auch erst in einer Woche erhältst. Nun
kommt mir der Gedanke, daß Du mir vielleicht deshalb böse sein könntest und ich
möchte Dich bitten, es nicht zu sein. Du weißt ja, und wirst es auch bisher
gemerkt haben, daß ich immer an dich denke und daß ich Dich unsagbar lieb habe.
Ich ärgere mich selbst darüber, daß ich nicht schon eher geschrieben habe und
mache mir deshalb schwere Vorwürfe. Das war von mir wieder mal unvernünftig,
daß ich Dir morgen erst wegen unseres Hochzeitstages schreiben wollte.
Siehst Du, da mußt
Du Dein großes Lob, das Du mir in Deinem lieben Brief gemacht hast, schon ein
bißchen zurückziehen, denn Du wirst Dich sicher geärgert haben, als Du keinen
Brief erhieltst, in dem ich von unserem Hochzeitstag sprach.
Lieber Ernst! Ich
möchte diese Unterlassungssünde gern bei Dir abbitten und kann es leider auch
nur brieflich. Lieber, lieber Ernst,
sei mir bitte nicht böse, es ist nicht böse gemeint gewesen, daß ich nicht früher
geschrieben habe, sondern es war nur unvernünftig von mir. Wenn ich nur jetzt
sehen könnte, ob Du ein ganz böses Gesicht machst oder ob Du schon ein klein
wenig lachst. Nichts ist mir so schrecklich, als wenn Du Dich über mich
ärgerst.
Lieber Ernst! Ich
hatte heute 2 Päckchen mit Gebäck für Dich fertig gemacht. Jetzt waren aber
beide zu schwer und ich habe sie wieder mit heim nehmen müssen. Nun kann man ab
Montag Päckchen von 1 kg wegschicken und ich mache nun aus den 2 Päckchen eins
und schicke es am Montag weg. So habe
ich wenigstens noch ein paar Stückchen dazu legen können, denn in die kleinen
Päckchen ging sehr wenig rein. Laß Dir also bitte alles gut schmecken. Nun gute Nacht, mein lieber Mann !