Lieber
Ernst! Konstanz, den 18.11.41
Ich
habe mich wieder sehr gefreut über Deinen lieben Brief vom 15.11. Er kam
vorhin, also am Morgen, an und ich beantworte ihn gleich, da ich heute
Nachmittag ja mit den Kindern zur Röntgenuntersuchung gehen will. Ich schreibe
nun gleich mit der Schreibmaschine, da ich einmal beim schreiben bin. Ich habe
vorhin an Elsa und Siegfried geschrieben. Die Durchschläge schicke ich Dir
wieder mit.
Es
ist lieb von Dir, daß Du in Deinem Antwortschreiben an meinen Vater gar nichts
von Deinem Ärger erwähnen willst. Es ist vielleicht am besten so. Wir ändern
ihn ja doch nicht mehr.
Wegen
des Mantels habe ich Dir ja wieder geschrieben. Wenn Du nun den Stoff nicht
abbestellt hast, freue ich mich schon, daß ich ein schönes Stück bekomme. Ich
bin gespannt, ob Dora den Mantelstoff nehmen wird. Ich glaube aber schon. Wenn
sie ihn nimmt, dann hast du ihr wenigstens einen Gefallen getan und wir haben
uns dadurch ein bißchen für ihre Geschenke revanchiert.
Die
Jacke, die ich mir gemacht habe, sieht ganz schön aus. Jedenfalls bin ich der
Meinung. Ich ziehe sie jetzt noch gar nicht an, sondern erst, wenn Du einmal da
warst. Die soll doch eingeweiht werden, wenn Du sie gesehen hast.
Ich
werde Helga also jetzt so ziemlich jeden Tag
ein bißchen auf der Tafel üben lassen, damit die Schrift etwas besser
wird. Ein bißchen ebenmäßiger schreibt sie seit den letzten Tagen schon. Sie
schreibt jedenfalls die kleinen Buchstaben nicht mehr so groß. Das ist ja schon
ein kleiner Fortschritt.
Wie
ich Dir schon schrieb, bin ich froh, daß Du noch Stoff für Jörg zu Hosen
gekauft hast. Wenn Du sie also dort machen lassen kannst, so ist es mir recht.
Die Maße habe ich Dir gestern angegeben. Ums Kaputtmachen habe ich bei Jörg wirklich
keine Sorge. Er ist ja ein wilder Kerl.
Jetzt
sind Helga und Jörg in der Schule. Kurt ist gerade auf einen Sprung
heraufgekommen und will sich rasieren. Er will dann für Paula etwas besorgen.
Vor
ein paar Tagen habe ich die Gartenpacht mit 7,- wieder bezahlt.
Es
hieß vor einiger Zeit einmal im Radio anläßlich einer Sendung für den
Luftschutz, daß es günstig wäre, wenn man sich einmal eine Aufstellung seines
Besitzes bis zum letzten kleinsten Stück machen würde. Im Falle etwas
passierte, bekäme man es bis zum letzten Stück wieder ersetzt. Ich habe mich
nun einmal hingesetzt und so eine Aufstellung gemacht. Aber eigentlich nicht
nur zum Luftschutz, sondern damit man so ungefähr einen Überblick hat, was
eigentlich alles vorhanden ist. Da ich denke, daß es Dich auch interessiert,
habe ich gleich einen Durchschlag mit gemacht. Es fehlen zwar schon einige
Kleinigkeiten, aber es war mir zu viel, jedes Sieb und jedes winzigste
Stück aufzuführen. Die Hauptsache ist
aber beisammen. Das Original habe ich nun zu meinem Luftschutzgepäck gelegt.
Der
Brief ist ja heute ein bißchen kurz, aber du wirst es mir hoffentlich nicht
übel nehmen. Ich habe nämlich noch ziemlich viel zu tun, damit ich heute
Nachmittag fertig bin.
Sei
nun wieder recht, recht herzlich gegrüßt und viel, vielmals geküßt von Deiner
Anni.
Das
mit dem Übelnehmen ist eigentlich eine dumme Rede, denn das weiß ich ja ganz
genau, daß Du so etwas überhaupt nicht übelnehmen würdest.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 19.11.41
Soeben kam Dein lieber Brief vom 15.11. mit
den verschiedenen Durchschlägen an. Der Brief an die Kinder kam auch mit und
die Freude darüber war sehr groß. Ich glaube, Helga wird Dir bald wieder
schreiben.
Der
braune Stoff für einen Mantel gefällt mir auch sehr gut. Aber ich glaube, der
andere ist fast noch etwas stärker. Ich glaube, ich bleibe bei meinem. Ich
glaube auch, daß mich braun noch blasser macht.
Jetzt
habe ich nun genug geglaubt, 3 Mal langt ja. Also ich behalte den ersten Stoff.
Das
ist eine ganz gute Idee, daß man für Jörg vielleicht einen ganzen Anzug machen
läßt. Er wäre dann immer ganz angezogen.
Laß
für mich auch den Mantel machen. Ich weiß mit dem Stoff nicht wohin und
außerdem kann ich den Mantel dann jederzeit anziehen. Ein loser Mantel wird ja
auch nicht gleich unmodern.
Heute
Vormittag habe ich für Helga noch einen Pullover genäht. Er kleidet sie sehr
gut. Außerdem ist es noch gute Wolle, die ziemlich warm hält.
Ich
war heute in der Stadt und habe dabei noch Inspiroltabletten besorgt. 4 Dosen
habe ich wieder da. Ich hätte noch 2 mehr, aber die brauche ich für die Kinder,
die einen rauen Hals und Schnupfen haben. Den bekommt man ja jetzt bei dem
nebligen Wetter schnell. Es ist sehr unfreundlich draußen.
Heute
habe ich den Drillichanzug von Kurt gekocht und gewaschen. Der hatte es nötig.
Wenn das Zeug nur nicht so störrisch wäre.
Gestern
nun waren wir beim Röntgen. Das war ein Betrieb. Ich möchte das nicht machen.
Die Ärzte, oder was es sind, müssen ja am Abend vollkommen kaputt sein. Als wir
in den Saal am „Schützen“ kamen, hat es uns bald zurückgeschlagen. So warm war
es. Der ganze Saal voll Kinder. Ein Gedränge, Geschiebe und Gerede. Die Kinder
haben sich mit angestellt und ich habe die Karten besorgt, die mit dem Namen
und einer Nummer versehen werden. Die werden dann mit in den Apparat geschoben,
damit auf der Platte gleich der Name mit steht. Erst kam man in einen Apparat,
wo man tief einatmen muß, wobei gemessen wird. Die Zahl wird mit auf die Karte
geschrieben. Dann kommt man zum Röntgen. Man muß bei dem Apparat das Kinn auf
einen Rand legen, die Arme zur Seite halten, einatmen, und schon ist die Sache
fertig. Als die Kinder fertig waren, kamen die Frauen dran. Alle haben wir
gelbe Papierblusen bekommen. Das hat komisch ausgesehen. Als wir wieder heim
konnten, war ich herzlich froh. Mir hat der Kopf direkt gebrummt.
Unterwegs
trafen wir Kurt, der dann mit zu uns kam und seinen Ahnenpaß weiter schrieb. Heute
ist er mit Hagenauers nach Meersburg gefahren.
Nun
will ich wieder aufhören, denn es ist Zeit, daß der Brief fortkommt. Es ist
schon 1/4 5 und 1/2 5 wird der Kasten geleert.
Sei
wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
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