Freitag, 11. November 2016

Brief 235 vom 10.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                 Konstanz, den 10.11.41                      

Heute erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 6.11. Ich habe mich wieder sehr gefreut, denn ich habe wieder ziemlich viel zu lesen gehabt.
In Lille warst Du also inzwischen wieder und ich glaube, es hat Dich nicht einmal viel gekostet. Aber wenn der Mann aus Konstanz so viel Geld ausgeben kann, warum sollst Du Dich da nicht einladen lassen. Er würde es sicher auch so verbrauchen. Graser ist wohl auch ganz froh, wenn Du wieder einmal kommst, oder hat er auch wieder gute Kameraden gefunden?
Weißt Du, Stiefel für 75,- oder 100,-Mark zu kaufen wäre aber Unsinn. Das ist richtiger Wucher. 30,- ist dagegen ja direkt billig.
Ist das Jagdgewehr dann Dein Eigentum, wenn Du es vom Graser bekommst? Jörg wäre ja sicher über das Luftgewehr nicht böse, aber ich denke, wenn Du es mitbringen kannst, wir heben es ihm noch eine Weile auf. Er ist noch zu klein.
Das Päckchen mit den Pastillen hast Du also erhalten. Dann werden sicher auch die anderen Päckchen angekommen sein. Vielleicht hast Du nur vergessen, es mir zu schreiben.
Im Garten  war es mir wirklich eine Erleichterung, daß Du das Kartoffelstück schon ziemlich aufgelockert hattest. Es war dann halb so schwer. Das Rückenweh ist schon lange wieder vorbei. Das „rübergerückt“ ist wirklich von Deinem Vater schon abgefärbt. Man merkt es zum Schluß nicht einmal mehr.
Wenn ich nachher in die Stadt fahre, besorge ich gleich noch Briefmarken, die ich Dir dann mitschicke.
Du Ernst, meinst Du nicht, wir lassen es mit meinem Mantel sein? Ich glaube, die verlangen jetzt auch ziemliche Preise und so notwendig brauche ich ja den Mantel nicht. Wenn ich mit Dir einmal fortgehe, habe ich den Pelzmantel wenn wir so Sonntag in den Wald gehen, habe ich den guten Mantel von Mama. Für Wochentage auf`s Rad habe ich den alten Mantel, und den Lodenmantel von Mama, den ich mir jetzt in den nächsten Tagen zu Recht machen werde. Für`s Frühjahr habe ich dann wieder den leichteren Mantel von Mama. Es sind ja alles noch gute Stücke und es ist schade, sie nur im Schrank hängen zu haben. Viel komme ich sonntags ja sowieso nicht fort, so daß die Sachen ja jetzt nicht abgetragen werden. Schreibe mir bitte einmal Deine Meinung.
Für die Zeitungen brauche ich kein Porto bezahlen. Ich glaube, Du kannst auch immer Deinen Brief von dem Tag mit einlegen, denn die Zeitungen sind fast immer noch eher da wie die Briefe. Nur mußt Du den Brief zwischen die Zeitungen legen, da die Umschläge manchmal am Rand etwas verletzt sind. Da könnte er evtl. sonst herausfallen.
O Kerle, was hast Du gleich wieder für einen Verdacht. So unverschämt bin ich ja gar nicht, daß ich immer ganz lange Briefe verlange, wenn Du OvD hast. Wie ich Dir gestern schon schrieb, bin ich auch mit kurzen Briefen froh. Da bin ich doch bescheiden, findest Du nicht auch? Es ist fein, daß Du noch ein Paar Hausschuhe bekommen hast. Die werden ja nicht schlecht und ich werde sie mir einstweilen aufheben. Auch für die anderen Schuhe danke ich Dir. Jetzt bin ich ja versorgt und brauche nicht gleich wieder welche. Unseren Bezugsscheinsstellen falle ich also auch darin nicht zur Last.
Bist Du da mit Deinem Geld ausgekommen? Ich schreibe Dir ja schon, wenn Du noch etwas brauchst, mußt Du es mir mitteilen. Ich nehme es nachher vom Weihnachtsgeld.
Eingekleidet bist Du auch wieder neu. Da wirst Du froh sein. Das war doch schon Deine Sorge im Urlaub.
Der Brief an die Kinder kam heute an. Das war eine große Freude. Antworten wird Dir Helga selber wieder.
Meine Jacke habe ich heute übrigens fertig gestrickt. Nachher will ich mir noch schöne Knöpfe dazu kaufen. Ich freue mich, daß ich`s geschafft habe.
Zeitungen habe ich heute übrigens auch bekommen. Auch dafür möchte ich Dir auch danken. Ich habe jetzt immer viel zu danken, für alles liebe, was Du für uns besorgst und tust. Du lieber Kerl.
Eben erhalte ich von Siegfried einen Brief. Er hat Dir am gleichen Tage auch geschrieben, wie er mir mitteilt. Er schreibt, daß sich Papa vorgenommen hat, nächstes Jahr mit Erna den Urlaub bei uns zu verbringen, wenn bis dahin nichts Kleines unterwegs wär. Ich glaube, er wäre froh darüber. Ausführlicher brauche ich Dir ja sicher den Brief nicht zu erzählen, denn Siegfried wird an dich wahrscheinlich fast dasselbe geschrieben haben.
Jetzt habe ich nun schon an 3 Leute Briefe zu beantworten, an Nanni, Siegfried und Elsa. So muß ich mich wieder einmal abends hinsetzten. Briefe bekommen ist ganz schön, nur das Antworten nicht, außer an Dich.
Ich habe heute mit der Schreibmaschine geschrieben, da es da schneller geht. Ich habe nämlich heute ziemlich viel zu tun gehabt und es eilt mir ein bißchen, da ich noch in die Stadt muß. Du nimmst doch auch einmal mit so einem Brief vorlieb.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

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