Montag, 14. November 2016

Brief 237 vom 13.11.1941


Mein lieber Ernst!                                                                           Konstanz, 13.11.41                              

Heute bekam ich gleich wieder 2 Briefe von Dir, vom 8. und 9. Ich habe mich wieder sehr gefreut. Da ich nun ziemlich viel zu beantworten habe und heute Nachmittag wahrscheinlich Kurt wieder herauf kommt, so daß ich nicht gut zum schreiben komme, habe ich mir jetzt gleich die Schreibmaschine geholt.
Bei uns ist das Wetter jetzt auch kalt und trocken. Aber so gefällt es mir jetzt ganz gut, besser als das Naßkalte. Du hast den Sonntag also auch fast so verbracht wie wir, mit lesen und Radio hören. Es ist nicht nötig, daß Du uns nun immer Deinen Käse schickst, behalte auch richtig für Dich. Wir haben jetzt auch noch welchen da. Du mußt Dir also wirklich nichts absparen, nicht wahr? Die Äpfel von mir haben wirklich lange gehalten. Die hast Du Dir gut eingeteilt.
Das Stoffmuster für den Mantel für mich gefällt mir sehr gut. Wenn der Mantel nicht teuer zu stehen kommt, so freue ich mich natürlich wenn ich ihn bekomme. Nur Wucherpreise zu zahlen wäre nicht nötig. Oder hast Du den Stoff wieder abbestellt, nachdem ich Dir geschrieben habe, der Mantel sei ja nicht so notwendig? Das wäre natürlich auch nicht so schlimm. Über den Stoff für Hosen für Jörg freue ich mich wirklich. Wenn ich auch jetzt 2 Paar Hosen für Jörg gekauft habe, so kann man Stoff ja aufheben, nächstes Jahr hat er doch sicher wieder welche nötig. Den Stoff bestelle also bitte nicht ab. Man weiß ja nicht, wie die Verhältnisse nächstes Jahr sind, ob man da noch etwas bekommt.
Mit dem Geld werden wir es dann so machen, natürlich Dein Einverständnis vorausgesetzt, daß ich Dir Anfang Dezember die 40.- von der Zusatzversorgung zuschicke und noch 25,- vom Gehalt. Etwas von dem Geld zu sparen, wenn du dort größere Ausgaben hast, wäre ja Unsinn. Oder denkst Du anders?
Wenn Jörg nun zu Weihnachten 2 Hosen, 1 Pullover, das Spielzeug von Dir und evtl. Handschuhe bekommt, zeigen wir ihm den von Dir gekauften Stoff für die Hosen nicht. Da kann ich ihn nächste Weihnachten damit überraschen, nicht wahr? Für Helga ist ja auch gesorgt. Sie bekommt also 2 Kleider, 1 Höschen, 1 Unterrock und ein kleines Spielzeug oder ein Buch. Bis jetzt ist nämlich mit Spielzeug nicht viel zu machen. Die Läden haben alle nichts. Höchstens, daß sie noch etwas hereinbekommen. Aber das ist ja bei unseren Kindern nicht so wichtig, wo sie schon so viel haben. Nun habe ich noch eine Frage an Dich. Könntest Du evtl. für Helga noch einen Stoff für ein Winterschulkleid bekommen? Erst für nächstes Jahr. Er müßte etwas gedeckt und nicht heikel sein. Es braucht auch erst nächstes Jahr zu sein, ich schreibe es nur gerade, weil gerade die Rede davon ist. Oder soll ich hier etwas besorgen?
Es ist fein, daß Du noch Mandeln bekommen hast. Wie teuer sie früher hier waren, kann ich Dir nicht einmal mehr genau sagen. Es ist schon zu lange her.
Jörg gibt sich wirklich in der Schule viel Mühe. Bis jetzt kann er das Gelernte schon sehr fein lesen. Im Schreiben ist er auch gut. Wenn er so weiter macht, bin ich ganz zufrieden. Seit der vergangenen Woche hat Jörg auch Religionsunterricht. Jörg nimmt die Aufgaben auch ganz genau. Wenn die Lehrerin sagt, sie sollen im Lesebuch alles 5 Mal durchlesen, so wird 5 Mal durchgelesen. Er liest es mir immer vor und ist ganz stolz, wenn ich ihn lobe. Er guckt auch schon immer in andere Bücher hinein und sucht sich die Buchstaben heraus, die er schon kennt.
Die Lebensmittelrationen, die die Bevölkerung dort bekommt, sind wirklich gering. Soviel Butter wie die im Monat haben, bekommen wir ja fast in einer Woche. Die müssen doch hintenherum noch etwas kaufen können, sonst ist es doch unmöglich, daß sie damit auskommen können. Da haben wir es ja dagegen noch prima.
Hast Du Dich eigentlich gewundert, daß ich für Helga und Jörg gleich etwas Fertiges gekauft habe? Weiß Du, ich habe noch so viel zu nähen da, außerdem, möchte ich noch stricken. Das langt mir nachher. Du weiß ja, ich bin kein so großer Riese und kaputt möchte ich mich nicht gleich wieder machen. Bis jetzt habe ich mit dem Garten zu tun gehabt und nun kommt bald wieder das Backen. Das ist gleich ein bißchen viel auf einmal.
Den Brief über die zurückgezahlten 86,17 hebe ich mit auf.
Ich glaube, wenn Du meine letzten Briefe und diesen hier bekommen haben wirst, da denkst Du, na, das ist mit dem Geld und den Geschenken, sowie mit dem Mantel ein schönes Durcheinander. Erst wollen wir den Mantel kaufen, dann wieder nicht, dann doch wieder. Erst soll ich Vorschläge für Geschenke machen, dann kauft sie ein. Erst schreibt sie, ich kann alles Geld, außer 20,- bekommen, dann fragt sie an, ob wir davon etwas sparen wollen, dann schreibt sie wieder, ich kann das Geld bekommen. Es ist schon ein Durcheinander. Es ist aber auch dadurch mit entstanden, daß die Briefe eben immer einige Tage unterwegs sind und sich die Situation inzwischen schon wieder geändert hat.
Bestehen bleibt ja nun, daß ich den Mantel für mich gern hätte, wenn Du den Stoff nicht wieder abbestellt hast, daß ich sehr froh über den Stoffkauf für Jörg`s Hosen bin. Daß für Helga zu Weihnachten gesorgt ist; daß ich Dir die restlichen 40,- der Zusatzversorgung und 25,- vom Gehalt mit Deiner Einwilligung Anfang Dezember zuschicke. So, das wäre soweit klar, auch für mich, denn ich war auch schon ganz durcheinander. Hoffentlich bist Du mir über das Durcheinander, was ich angerichtet hatte, nicht böse.
Nun schließe ich wieder. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen