Mein
liebster Ernst! Konstanz,
16.11.41
Ich
sitze jetzt, es ist 3 Uhr, allein zuhause. Kurt ist mit Helga und Jörg ein
bißchen in den Wald spazieren gegangen. 3/4 2 sind sie fort und um 4 Uhr wollen
sie wieder da sein. Kurt will nämlich 1/2 6 schon wieder mit dem anderen Kurt
ins Kino gehen. Wenn alle, also Kurt, Helga und Jörg, nachher heimkommen,
trinken wir Kaffee. Ich habe Kurt dazu eingeladen. Ich habe noch Kuchen da.
Mit
dem Mädel, mit dem sich Kurt gestern traf, ist es schon wieder aus. Sie ist
katholisch und im kath. Kirchenchor. Das ist natürlich nichts für Kurt.
Ich
schrieb Dir doch schon, daß die Frau Frick an Kurt 2 Brote geschickt hatte, die
er Vater gab. Dann hatte er auch noch
eins so schon mitgebracht. Auch für Vater. Das hat mir Vater gestern Abend gebracht. Er wollte mir unbedingt etwas
abgeben. Er sagte, daß ich vielleicht Kurt einmal eine Schnitte davon abgeben
sollte, wenn er Hunger hat. Das mache ich natürlich schon. Das Brot ist von den
Leuten selber gebacken. Er ist fast wie Kuchen, auch ein ganz kleines bißchen
süß und wiegt 4 Pfund. Ich habe mich sehr gefreut, denn von Brot hat man ja nie
zuviel.
Ich
habe gestern noch die Strickjacke für Helga genäht. Sie sieht fast wie neu aus.
Helga hat sich gefreut. Ich auch, daß es mir gelungen ist.
Kurt
hat ein Buch zum Aufheben mitgebracht. „Ballade am Strom“. Das werde ich
nächstens einmal lesen. In meinem Frauenschaftsheft sind immer Fortsetzungen
davon. Aber ich habe den Anfang nicht gelesen, da ich das Heft doch noch nicht
so lange habe. Ich meine die Frauenwarte. Im Buch läßt es sich auch besser
lesen, weil man da hintereinander lesen kann. Das Buch handelt von Schicksalen
am Rhein. Von ganz früher, dann von den Separatisten und dann nach der
Befreiung.
Du
Ernst, jetzt wüßte ich gern Deinen Weihnachtswunsch. Ich werde es Dir ja wohl
schicken müssen, denn Du wirst sicher noch nicht wissen, ob Du zu Weihnachten
heimkommen kannst. Aber bitte, nicht nur schreiben, Du weißt nicht, was Du Dir
wünschen sollst. Strenge Deine Gedanken mal ganz fest an.
Was
wollen wir Vater schenken? Brauchen könnte er noch einen Pullover, aber den
wirst Du wohl kaum noch bekommen können
und ich kann ohne Kleiderkarte keinen kaufen. Die Kleiderkarte rückt Vater auch
nicht heraus, wenn er weiß, ich will ihm was kaufen.
Bei
uns war das Wetter heute Morgen so dunstig, halb neblig. Jetzt hat es sich ein
bißchen aufgeklärt, aber lange hält es bestimmt nicht an. Nach dem Rhein zu
hängt der Dunst immer noch.
Es
ist inzwischen 3/4 4 Uhr geworden. Ich will gleich den Kaffee kochen, damit
alles fertig ist, wenn die 3 heimkommen. Helga und Jörg bringen nachher gleich
noch den Brief zum Briefkasten. Da kommt er heute noch fort.
Ich
grüße und küsse Dich für heute wieder recht herzlich, Du lieber Ernst, Deine
Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, den
17.11.41
Heute
bekam ich Deinen lieben Brief vom 12/13.11. Der war wieder lang und ich habe
mich herzlich darüber gefreut.
Päckchen
habe ich bis jetzt noch nicht wieder erhalten, aber die gehen ja immer etwas
länger als Briefe. Ich hoffe auch, daß alles gut ankommt.
Wenn
Du die Hosen für Jörg dort machen lassen kannst, so ist es mir auch recht. Die
Länge an der Seitennaht müßte 48-50 cm sein. Das ist also größer, als er sie
jetzt braucht, aber sie sollen ja auch für nächstes und evtl. übernächstes Jahr
sein. Ein Schneider weiß ja schon, wie weit der obere Bund dazu sein muß. Bei
den von mir gekauften Hosen ist die Weite jetzt, wenn die Hose vorn zugeknöpft
ist, 66 cm. Genügen Dir diese Maßangaben?
Die
Aktion, an der Du teilgenommen hast, wird sicher sehr interessant gewesen sein.
Ich glaube gern, daß Du ziemlich viel dabei gelernt hast. Auch hast Du wahrscheinlich
mehr Vertrauen zu Deinen Sprachkenntnissen bekommen. Hat es dich nicht ein
bißchen stolz gemacht, daß Du schon in dem Maße mit den Leuten reden kannst?
Für
Bekleidung für die Kinder ist jetzt gesorgt. Ich bin sehr froh darüber, denn
ich möchte doch nicht allein richtig angezogen sein. Nachdem Du so lieb gewesen
bist und in jeder Beziehung für Bekleidung für mich gesorgt hast, brauche ich
ja nichts mehr zu kaufen.
Nun
wegen braunen Stiefeln für mich. Du, ich weiß wirklich nicht, bei wem ich mir
dazu Maß nehmen lassen soll. Ich kann höchstens bei mir selber abmessen, ob
aber diese Maße dann zur Anfertigung der Stiefel ausreichen ist mehr als fraglich.
Zu einem Schuhmacher kann ich ja nicht gehen, die würden mich rausschmeißen.
Die nehmen kaum noch Reparaturen an. Vielleicht können wir es ja auch mit den
Stiefeln sein lassen, nachdem ich doch nun ziemlich viele Schuhe habe und Du
kaufst lieber für Dich noch ein Paar, denn Du hast ja noch nicht zu viel. Ein
einziges Paar Gute hast Du hier zuhause. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn
Du mit Schuhen gut versorgt wärst. Ich komme ja doch nicht so viel fort und
wenn, dann meist mit dem Rad.
Wegen
des eisernen Sparens warten wir vielleicht, bis Du wieder einmal auf Urlaub
kommst. Mit der Steuertabelle weiß ich nämlich nicht Bescheid. Es ist ja auch
nicht so eilig. Man kann ja mit dem Sparen anfangen, wenn man will. Es muß ja
nicht der Januar sein.
Es
ist doch nicht schlimm, daß Du den Empfang meiner Päckchen nicht bestätigt
hast. Ich konnte mir schon denken, daß Du es nur vergessen hast, aber ich
wollte doch gerne wissen, ob sie angekommen sind. Von krumm kann doch da gar
keine Rede sein. Das wäre gerade ein Grund, Du lieber, dummer Kerl.
Ich
konnte mir schon denken, daß Du an dem Schreiben meines Vaters nicht viel
Freude haben würdest. Mir war der Brief auch nicht einerlei. Ich habe ja darum
auch gleich wieder an Vater geschrieben. Ich danke Dir, daß Du so lieb warst
und ihm darauf nicht wieder geschrieben hast. Es ist so, wie Du schreibst, wir
wollen keinen Streit vom Zaune brechen. Er ist jetzt sehr allein und darauf
wollen wir Rücksicht nehmen. Recht hast Du ja, wenn du schreibst, Siegfried
würde sich das nicht gefallen lassen. In dem Zusammenhange lege ich Dir heute
den Brief von Papa bei, den ich heute bekommen habe. Er sieht zwar darin auch
sein Unrecht, das er Dir getan hat, nicht richtig ein. Aber wir wollen die
Angelegenheit begraben.
Aus
dem Brief ersiehst Du aber, daß Papa`s Verhältnis zu Siegfried auch nicht ganz
zufriedenstellend ist. Mama`s Vermittlung fehlt eben überall. Wenn Siegfried
wieder einmal ganz zu hause ist, bin ich gespannt, ob sie zusammen auskommen
werden. Sie sind beide Hitzköpfe und Jeder wird sich als Herr in der Wohnung
fühlen. Na, das wollen wir alles abwarten.
Wenn
Papa so den Hecht als Muster herausstellt, so nehme ich ihm das gar nicht mehr
übel. Du weißt ja, das bin ich von früher her so gewöhnt und ich rege mich gar nicht
mehr darüber auf. Wenn Papa den Hecht länger bei sich hätte, würde er sehr bald
Fehler an ihm entdecken und sich einen neuen Musterknaben suchen.
Schreibe
Dir nur ruhig Ärger vom Herzen. Es ist mir lieber, als wenn Du ihn in Dich
hineinfrisst. Du sollst Dir durch solche Sachen nicht das Leben noch schwerer
machen.
Ich
will nachher noch ein paar Briefe schreiben, von denen ich Dir dann die
Durchschläge mitschicke.
Von
den Inspiroltabletten besorge ich Dir wieder welche. 2 Schachteln habe ich
schon da. Die schicke ich Dir dann gelegentlich wieder mit. Laß mich nun wieder
schließen und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Gerade
als ich den Brief an Papa schrieb, kamen die Päckchen 15, 16, 17, 18 an. Die Filzschuhe
und auch die 2 Paar anderen Schuhe passen mir gut. Die blauen Schuhe sind am
allerbequemsten. Die drücken schon jetzt kein bißchen. Gefallen tun sie mir
ausgezeichnet. Da hast Du wirklich etwas ganz Feines gekauft. Am liebsten würde
ich Dich ganz fest abküssen und drücken, was ja leider jetzt nicht geht. So
sage ich Dir einstweilen recht, recht vielen Dank. Ich habe mich riesig
gefreut. Auch über die Mandeln und die anderen Sachen. Die Nägel sind auch
richtig.
Du
schreibst in Deinem Brief, daß Du 4 Päckchen abgeschickt hast. Das sind doch
sicher die, die angekommen sind. Dann schreibst Du noch von einem Käsepäckchen
Nr. 20. Was hast Du dann noch für ein Päckchen 19 weggeschickt? Aber das war
jetzt eigentlich eine dumme Frage, bis Du mir antworten kannst, habe ich es ja
sicher schon erhalten.
Heute
hat mir Papa noch die Todesanzeige von Herrn Nitzsche mitgeschickt.
Der
Schuhmacher Schlumberger, bei dem wir früher die Schuhe machen ließen, ist auch
gestorben.
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