Freitag, 11. November 2016

Brief 236 vom 11./12.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, 11.11.41                                    

Heute Vormittag hatz mir der Briefträger keinen Brief von Dir gebracht, nur einen von Papa. Darin war auch der Durchschlag des an Dich gerichteten Briefes. Ich glaube, da wirst Du Dich teilweise wieder darüber geärgert haben. Ich habe nun heute gleich wieder darauf geantwortet. Bitte Ernst, sei so lieb und schreibe auf Papa`s Klagen nicht mehr viel. Wir wollen Ärger vermeiden, nicht wahr?
Vater hat mir jetzt noch die Erdbeersetzlinge aus seinem Garten gebracht. Ich setze sie mal noch ein, ob sie anwachsen weiß ich ja nicht. Es ist doch schon ziemlich spät im Jahr. Vater muß jetzt noch den ganzen Garten abräumen, auch den Zaun abnehmen und die Brombeeren raus machen. Das ist ja eine schöne Arbeit. Vor allen Dingen, wenn es so kalt ist. Helga ist doch nun in der 3. Klasse, wo sie lateinisch lernen. Sie haben es doch so Hals über Kopf gelernt, als sie als „Normalschrift“ eingeführt wurde. Nun bin ich ganz unzufrieden damit, wie Helga lateinisch schreibt. Sie gibt sich viel Mühe, das sehe ich, aber es liegt ihr einfach nicht. Nun sagte mir Helga heute, daß sie bei einem Aufsatz in der Schule beim Schönschreiben eine 4 bekommen hat. Das ist mir gar nicht so recht, da sie doch bisher in der deutschen Schrift immer eine 2 bekommen hat. Meinst Du, man könnte da in irgendeiner Weise etwas machen? Mir geht es ja auch so, daß ich besser deutsch als lateinisch schreibe. Ich möchte nur nicht gern, daß sich Helga dadurch ihre Zensuren verdirbt.
Eben klingelte es und der Briefträger brachte mir die 86,17 Mk von der Zusatzversorgung. Das ist ja schnell gegangen. Ich schicke Dir nun einstweilen die restlichen 25.-, die ich Dir diesen Monat noch senden kann, denn 40,- hatte ich ja schon geschickt. Nun schreibst Du mir bitte noch, ob ich Dir davon nun nächsten Monat noch 40.- schicken soll, oder ob wir noch ein paar Mark sparen sollen.
Gestern habe ich für Jörg zu Weihnachten noch 2 Hosen gekauft. Es war ja nicht viel Auswahl da, aber ich habe doch noch etwas Rechtes bekommen. Eine graue Hose. Der Stoff wie die Trachtenhosen, also sehr fest. Und eine dunkelblaue Küblerhose, also wie Bleyle, die man mit Gürten tragen kann. Ich habe sie zum Sommer zu für Sonntag`s berechnet. Wenn ich Jörg nun noch eine Hose dazu nähe, ist er für nächstes Jahr versorgt. Spielzeug brauchen wir ja nicht mehr viel kaufen, für Jörg besorgst Du ja etwas. Ich will ja noch die kleinen Puppenmöbel für Helga besorgen. Dann hätte ich alles beisammen. Nun kommt nur noch das Backen an die Reihe.
Es ist schön, wenn man ein paar Mark Geld auf der Hand hat, daß man notwendige Sachen ohne Sorgen einkaufen kann. Das verdanke ich auch Dir, mein lieber Mann.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, 12.11.41

Es ist jetzt 21,30 und ich bin gerade heim gekommen. Woher denn, wirst Du fragen. Ich war bei Vater und habe ihm ein Paket gebracht. Doch warte, ich erzähle Dir lieber den Tageslauf der Reihe nach. Viel ist es ja nicht. Am Vormittag habe ich aufgeräumt, Strümpfe gestopft und Essen gekocht. Am Nachmittag bin ich in den Garten  gegangen und habe die Bäumchen und Sträucher gekalkt. Ich habe den Kalk diesmal mit etwas Wasser angerührt und mit einem Pinsel aufgetragen. Es ging sehr gut. Nun bin ich im Garten ganz fertig. Am Vormittag erhielt ich ein Paket für Vater  aus Blankenloch von den Fricks. Kurt hatte es abgeschickt. Gegen Abend kam dann Kurt selber. Er war 2 Tage in Blankenloch gewesen. Die Frau hat ihm für Vater 2 Brote und noch ein paar Sachen eingepackt. Die habe ich ihm nun runter gebracht. Vater hat sich sehr gefreut. Kurt sieht ganz gesund aus. Er ist ja nicht mehr bei den Nachrichten, sondern bei der Geschützbedienung einer Pak. Wir haben uns heute nur wenig unterhalten können. Er ist bald wieder gegangen, da er einmal ausschlafen wollte. Kurt hat für Jörg ein Motorboot mit Schraube und Steuer mitgebracht. Es ist 28 cm lang. Für Helga hat er ein Etui mit Schere, Häkelnadel, Nadelbüchse, Fingerhut usw. mitgebracht. Es sieht wirklich fein aus. Ich habe ein seidenes Tuch bekommen, wie Du mir welche mitgebracht hast. Diesmal in braun. Einen Karton Bonbons hat er für die Kinder auch wieder mitgebracht. Die Frau Frick hatte noch einige Törtchen mitgegeben.
Morgen Abend wollte Kurt Vater besuchen. Als ich nun vorhin unten war, sagte er, Kurt sollte lieber zu uns gehen und er käme rauf. Bei uns sei es doch gemütlicher und wärmer.
Etwas zu trinken hat Kurt für Vater auch mitgebracht. Es freut mich, daß er so an ihn gedacht hat.
Kurt war ganz erstaunt, daß wir wußten, wo er ist. Er konnte gar nicht begreifen, wie wir das herausbekommen haben. Derweil war es an Hand des Schieferkastens doch so einfach.
Vater arbeitet übrigens seit heute da, wo Kurt zuerst gelernt hat. Es ist dort eine Abteilung der Firma untergebracht, bei der Vater schafft. Da hat er es ja jetzt gar nicht mehr weit. Er kann sogar mittags einmal nach hause gehen.
Ich habe gestern 2 Seegrasunterlagen für die Kinder gekauft, auf die sie sich setzen können, wenn sie auf dem Boden spielen. Sie können sie aber auch als Fußunterlagen verwenden. Ich möchte doch, daß unsere Kinder gesund bleiben und der Boden ist jetzt doch ziemlich kalt.
Einen Brief habe ich auch heute von Dir nicht bekommen. Ich hoffe, daß morgen wieder einer kommt.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

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