Freitag, 25. November 2016

Brief 244 vom 25./26.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                       Konstanz, 25.11.41                  

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 22.11. mit den Zeitungen. Ich danke Dir dafür. Du hast also doch Urlaub nach Lille bekommen. Hoffentlich hat es Dir gefallen.
Von uns ist heute nicht viel zu berichten. Gerade vorhin habe ich Helga erlaubt, ein bißchen aufzustehen. Es geht ihr mit jedem Tag besser. Der Husten ist ja noch nicht ganz weg, aber heiser ist sie fast gar nicht mehr.
Jörg hat die ganze Stube belegt. Da hat er seine ganze Eisenbahn aufgebaut, dazu den Bahnhof mit Garten und seinen ganzen Hof mit allen Tieren. Es ist gut, daß es noch nicht so kalt ist, da kann man die Stube noch mit erheizen. In einer Beziehung ist es mir lieber, wenn er in der Stube spielt, da kann man nicht immer über seine Sachen fallen. Er braucht doch immer den ganzen Platz.
Nachher muß ich noch in die Stadt fahren und die Päckchen von Vater für Kurt wegschaffen. Im Allgemeinen habe ich heute nicht viel getan, sondern einen etwas ruhigeren Tag eingelegt, nachdem es am Sonntag mit dem Ausruhen nichts geworden ist.
Das Wetter ist bei uns jetzt fast immer das gleiche, neblig oder trüb, naßkalt. Jedenfalls sehr ungesund. Ich habe nun auch wieder Husten und Schnupfen bekommen. Jetzt hat ihn wenigstens die ganze Familie.
Auch ich muß Dich heute bitten, mit diesem kurzen Brief vorlieb zu nehmen. Ich weiß gar nichts mehr zu schreiben.
Sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Viele Grüße und 1000000000 Küsse von Deiner Helga und Jörg.

Mein liebster Ernst!                                                                    Konstanz, 26.11.41

 Nachdem gestern Dein Brief vom 22. mit den Zeitungen kam, erhielt ich heute Deinen lieben Brief vom 20.11. Das ist wieder ein langer Brief, für den ich Dir herzlich danke.
Ich würde mich freuen, wenn es klappte, daß Du für die Kinder ein paar Filzschuhe bekommst. Ihre jetzigen können sie nicht mehr so sehr lange tragen.
Ich glaube, den Cognac wirst Du noch unangebrochen vorfinden, wenn Du wieder mal auf Urlaub kommst. Da brauche ich schon Deine Gesellschaft dazu.
Beim Kauf der Hosen für Jörg habe ich nur die Länge der Seitennaht angeben brauchen. Die Schrittweite ist bei Jörg`s Hosen 34 - 36 cm. Wenn die neuen Hosen etwas größer sein sollen, muß eben evtl. 1 - 2 cm zugegeben werden.
Ich bin froh, daß Du Dich nicht mehr so über den Brief von meinem Vater ärgerst. Ich weiß, daß Du nicht unversöhnlich bist und das macht mir alles ein bißchen leichter. Du weißt ja, daß ich meinen Vater nicht im Stich lassen kann, vor allem jetzt, wo meine Mutter gestorben ist. Du weißt ja auch, daß er schon früher ein Hitzkopf war, früher noch mehr als jetzt, und daß ich ziemlich darunter gelitten habe. Es läßt sich ja jetzt alles nicht mehr ändern oder ungeschehen machen. Das Beste ist, daß man so wenig als möglich daran denkt. Papa ist ja nun auch älter geworden und ich denke, daß es ihm ein Trost ist, wenn ich ihm öfter schreibe. Erna ist ihm eben doch noch fremd, wenn er sie auch gern hat. Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis sie sich richtig aneinander gewöhnt haben. Vielleicht ist das öftere Schreiben später nicht mehr so nötig, aber vorläufig will ich`s mal beibehalten. Sonst war es bei Papa ja immer so, daß der Schmerz ihm heftig zum Ausdruck kam, daß er aber auch schnell überwunden hat. Ich weiß ja nicht, wie es nun bei Mama`s Tod ist. Ob auch sein Ausspruch, daß wir die Vertrauten sind, von langer Dauer ist, weiß ich nicht. Es kann auch sein, daß er das aus dem ersten Schmerz heraus gesagt hat. Du weißt ja, ich bin da immer etwas mißtrauisch. Ganz richtig nahe werden wir uns ja mit Papa nicht kommen, wir sind zu verschieden. Das ist ja auch nicht so wichtig, wenn wir uns nur verstehen, nicht wahr?
Wegen der Sache, was Erna in die Ehe mitbringt ist es so, daß ich mich da nicht gern hineine mischen will. Ich möchte ihn da nicht etwa, auch ohne meine Absicht, aufhetzten. Gut wäre es natürlich, wenn sie etwas mitbringen würde. Schon deshalb, damit ihr Siegfried nie Vorwürfe machen könnte. Siegfried ist in vieler Beziehung wie Papa und von Papa weiß ich, in wie vielen Sachen er Mama Vorwürfe gemacht hat, wenn es da auch nicht wegen Möbeln war, die ja Mama fast alle mitgebracht hatte. Wenn er es hinterher auch immer wieder bereut hat, so ist doch immer ein Stachel zurückgeblieben, wie Du weißt ja auch leider bei mir.
Papa redet ja immer voller Stolz davon, daß wir uns allein hoch geschafft haben, da müßte er auch bei Siegfried damit zufrieden sein. Freilich, Siegfried ist nicht wie Du und ob es dann, wenn sie sich einschränken müssen, so friedlich zugeht wie bei uns, möchte ich fast bezweifeln. Aber wie gesagt, das hätten sie sich vorher überlegen müssen und ich will mit der Sache nichts zu tun haben. Ich wollte es Papa erst auch mitschreiben, daß Du ja auch nicht gefragt hast, was ich mitbringe. Aber siehst Du, ich bin ein komischer Kerl, ich möchte ihm jetzt nicht noch weh tun. So habe ich es eben gelassen.
Von den Tabletten hast Du ja wohl einstweilen genug, wenn Du erst eine Schachtel verbraucht hast und ich Dir vor ein paar Tagen nochmals 3 Schachteln geschickt. Wenn Du sie mal bald aufgebraucht hast, schreibst Du mir rechtzeitig, denn immer bekommt man keine.
Der Entenbraten war also gut. Das freut mich. So etwas Gutes tut dem Magen auch mal ganz gut. Wenn Du dazu noch eine Flasche  geerbt hast, so war das ja ein ganz guter Tag.
Helga ist heute den ganzen Nachmittag auf. Auch das Essen geht schon wieder etwas besser. Schmerzen hat sie keine mehr. Ich denke, daß sie nächste Woche wieder in die Schule kann.
Laß mich nun wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von  Deiner Anni.

Brief 243 vom 24.11.1941


Mein lieber Ernst!                                                                     Konstanz, den 24.11.41                                       

Gleich 2 Briefe habe ich heute von Dir bekommen. Beide vom 19.11. Ich habe mich wieder sehr gefreut, trotzdem ich eigentlich schimpfen müßte, daß Du keinen Weihnachtswunsch geäußert hast. Wenn Du nicht bestimmt weißt, ob Du zu Weihnachten kommen kannst, möchte ich Dir doch in nächster Zeit ein Weihnachtspäckchen zuschicken.
Ich freue mich immer wieder mit Dir, wenn Ihr ein bißchen Abwechslung im Speisezettel habt. Wie hat denn der Entenbraten geschmeckt?
Der Stoff für den Mantel gefällt mir wirklich sehr gut.
Ich hatte mir schon gedacht, daß Du Dora einen Preisaufschlag machen würdest. Davon hatten wir ja im Urlaub gesprochen. Ihr fällt es ja nicht so schwer. Wegen dem Stoff für Jörg habe ich Dir ja inzwischen geschrieben, daß wir einen Anzug machen lassen wollen.
Für ein Winterkleid für Helga wäre mir Schottenkaro sehr recht. Ich wollte ihr erst hier auch so ein Kleid kaufen, bekam aber in ihrer Größe nichts. So etwas hat sie fast noch nie gehabt, aber es trägt sich so praktisch. Es ist auch nicht so heikel. Außerdem sieht es meist sehr frisch aus.
Es ist mir recht, wenn Du mir wegen des Spielzeugs für Jörg rechtzeitig Bescheid gibst. Hier werden Weihnachtssachen erst ab 1.12. verkauft und ich glaube sicher, daß man sich da dazuhalten muß. Sollte ja nichts zu bekommen sein, dann ist es auch nicht so schlimm. Dann werde ich mich nach einem Buch umsehen.
Jörg gibt sich in der Schule sehr viel Mühe. Heute hat er Dir sogar ganz allein einen Brief geschrieben, in dem er Dir alles aufgeschrieben hat, was er schon gelernt hat. Die Adresse habe ich ihm vorschreiben müssen, denn er wollte sie unbedingt allein schreiben. Einen Teil der Buchstaben kennt er ja schon selber.
Es freut mich, daß Du meine verschiedenen Schreiben nicht durcheinander gekommen bist. Mit dem Geld sind wir uns ja auch einig. Anfang des nächsten Monats schicke ich es ab.
Es kaufen dort also noch mehr Leute Radioapparate. Ich bin gespannt, ob Du einen gefunden hast, der Dir gefallen könnte. Meinst Du, man könnte ihn gut transportieren?
Ja, es ist wahr, ich bin ganz froh um die Pullover und die Jacke aus den Sachen von Mama. Jörg vor allen Dingen ist ja ein wilder Kerl, da muß man immer aufpassen, daß er nicht alles kaputt macht. Aber bei älteren Sachen ärgert man sich dann nicht so sehr.
Mit dem Mädel aus Singen war es bei Kurt ja nichts. Er kennt aber ein Mädel im Geschäft, mit der er sich gut vertragen würde. Sie schickt ihm auch öfter was und schreibt ihm auch. Aber Kurt war ganz erschrocken, als er wieder her kam, wie häßlich sie ist. Ich kenne sie ja nicht, aber sein Ausdruck war „wie ein Schrecken im Nachthemd“. Er sagte in den letzten Tagen immer wieder, „schade, daß sie so wenig ansprechend ist, ich könnte mich gut mit ihr vertragen.“
Wenn Du keinen Pullover für Vater bekommen kannst, so blieben wohl nur noch ein paar Zigarren als Geschenk übrig. Ich würde dann zusehen, daß ich vielleicht noch eine Kleinigkeit dazu tun könnte, evtl. etwas Butter oder sonst eine Kleinigkeit. Bekommst Du eigentlich noch Zigarren dort?
Von den Scheuertüchern würde ich mir evtl. ein paar nehmen. Ich weiß ja nicht, wie viele es sind. Vielleicht könnte ich die anderen auch Vater mit zu Weihnachten geben.
Den Cognac werde ich aufheben. Im Allgemeinen war Siegfried ja mit Alkohol immer gut versorgt. Es könnte höchstens sein, daß es jetzt anders geworden ist, nachdem er nicht mehr nach Frankreich hinein kommt. Wenn Du meinst, kannst Du ihm ja eine Flasche schicken.
Helga geht es heute wieder ein wenig besser. Sie lacht heute wieder und hat auch schon ein bißchen gegessen, was sie die letzten 2 Tage nicht getan hat. Gestern hatte sie beim Husten Schmerzen. Ich habe ihr daraufhin immer Prießnitzumschläge gemacht, die ihr sehr gut getan haben. Der Husten ist auch lockerer geworden. Ich habe heute wieder 2 Flaschen Hustensaft geholt, damit ich ihnen regelmäßig eingeben kann. Eine Flasche ist gestern alle geworden. Jörg hat ja auch Husten und Schnupfen, aber dabei ist er ganz munter. Ich habe ihn aber heute zur Vorsicht auch einmal nicht in die Schule gehen lassen, damit er nicht auch noch richtig krank ist. Er ist ja immer so nebliges, feuchtes Wetter.
Ich war nun heute bei Helga`s und Jörg`s Lehrerin und habe sie entschuldigt. Dabei habe ich auch einmal die Lehrerin von Helga kennen gelernt. Ich muß sagen, mir gefällt sie nicht besonders. Sie ist kleiner wie ich, etwas rundlich, erblondet, onduliert und trägt eine Brille. Alt ist sie ja noch nicht. Ich habe gleich einmal gefragt, wie Helga sich macht und bin auch auf die lateinische Schrift zu sprechen gekommen. Ich sagte, daß Helga sich viel Mühe gibt, dass es aber noch nicht recht gelingen will. Die Lehrerin sagte, das sei wahr, Helga würde sich viel Mühe geben und man könnte nicht verlangen, daß die Kinder schon so schön schreiben würden, weil ja das lernen ziemlich schnell vor sich gegangen sei. Die Hauptsache sei erst einmal, daß sie die Buchstaben kennen würden. Das andere würde sich mit der Zeit alles noch geben.
Kurt ist nun heute Nachmittag wieder weggefahren. Heute Mittag haben sich Vater und Kurt noch einmal bei uns getroffen. Vater hatte 2 Kuchen mitgebracht und auch Äpfel. Kurt konnte die Sachen aber nicht mitnehmen, da er von Paula auch schon einen Kuchen mit hatte und auch Äpfel bekommen hat. Da gab es erst eine Viertelstunde lang eine Debatte. „Du nimmst es mit“ „Ich kann es nicht mehr mitnehmen“ „Du kannst es wohl“ „Nein“  usw. Da sagte ich nachher, ob es nicht das Gescheiteste wäre, wenn Vater die Kuchen hinschicken würde, damit Kurt sich nicht damit abschleppen muß. Damit waren dann beide Parteien einverstanden und so habe ich heute Nachmittag die Päckchen gepackt und bringe sie morgen weg. Auf den Bahnhof konnte ich natürlich nicht mit gehen, wenn die Kinder allein zuhause sitzen. So haben Jörg und ich am Fenster mit 2 Handtüchern gewinkt. Wir hatten es ihm vorher gesagt, damit er raufschauen sollte. Kurt sagte auch, daß der Urlaub zu kurz sei. Er hätte ihn zwar gut genutzt, aber jetzt, wo er das Wichtigste soweit erledigt hätte und etwas Ruhe gehabt hätte, müßte er wieder fort. Aber es ist ja immer so, wenn man sich etwas eingelebt hat, ist der Urlaub zu Ende. Kurt meinte, daß er wahrscheinlich noch im Laufe dieses Winters nach Rußland kommen würde. Er hätte es läuten hören. Wenn sie dort bleiben, wo sie sind, hofft er im Februar wieder auf Urlaub kommen zu können.
Von Siegfried erhielt ich heute auch einen Brief. An dem gleichen Tage hat er ja auch an Dich geschrieben. U.a. schreibt er „Ich habe mich, seitdem ich das letzte Mal bei Euch in Konstanz war, sehr geändert. Aber das kommt im Wesentlichen davon, daß ich erst einmal gesehen habe, was Erna eigentlich für mich ist. Ich mußte ja nun auch einmal daran denken zu heiraten, denn ich habe durch die Heirat erst einmal den richtigen Sinn bekommen, daß ich für Jemanden lebe und dadurch ein Ziel vor Augen habe.“ Vorher schreibt er, daß er sich freut, wenn er einmal nach hause fahren kann und wenn es nur für einen Tag ist. Hoffentlich hält diese Änderung auch an. Man ist da ein bißchen mißtrauisch, wenigstens ich.
Nun will ich wieder schließen. Es ist bereits 1/2 10 und ich will nicht gar so späte den Brief noch fortbringen. Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Dienstag, 22. November 2016

Brief 242 vom 22./23.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                                          Konstanz, 22.11.41             

Vielen Dank für Deinen lieben Brief vom 17.11. mit den Zeitungen. Da habe ich wieder etwas zu lesen.
Es freut mich, daß Ihr jetzt wieder besseres Essen bekommt. Es bekommt ja auch viel besser, wenn man es mit Appetit essen kann. Wir hatten jetzt auch einmal Gräupchen. Vater hatte sie uns gebracht. Sie waren ganz gut. Nur mein Lieblingsessen ist es nicht.
Ich weiß nicht, ob wir ein Fernglas gebrauchen können. Ich selber brauche ja keins. Das muß ich Dir schon überlassen zu entscheiden, ob wir eins kaufen wollen. Bei einem Radioapparat ist ja die Frage des Transportes. So ein Apparat ist ja ziemlich empfindlich und wichtig ist ja, ob man hier Ersatzteile dazu bekommen kann.
Die Frick`s schicken ja Kurt öfter was. Er steht ja mit der Frau auf Du und Du. Im letzten Brief schrieb sie, daß sie wieder ein Päckchen nach Frankreich richtet, da er ja nur noch kurze Zeit in Konstanz ist. Bei den Leuten geht es scheinbar nicht so knapp zu. Ich habe Kurt gebeten, einen Gruß von Dir auszurichten.
Die mit gesandten Briefmarken hebe ich auf. Ich gehe wahrscheinlich in nächster Zeit einmal zum Kuster und frage, was es für neue Marken gibt. Ich muß nur erst wieder Geld haben. Diesen Monat habe ich zu viele Ausgaben gehabt.
Da Du von den 30 Pfg. Marken, die ich Dir geschickt hatte, wieder welche abgeben mußtest, wirst Du wohl nicht mehr viel haben. Ich schicke Dir deshalb wieder 5 Stück mit. Ich habe Dir auch heute ein Päckchen mit Verpackungsmaterial geschickt, da Du ja dort schwer welches bekommst.
Ich komme erst heute Abend zum schreiben. Helga ist nämlich wieder ein bißchen krank. Sie hat Fieber, ist sehr heiser und muß Essen wieder brechen. Dabei ist ihr schwindlig. Vor ein paar Tagen sagte mir Helga, daß die Ingrid krank war. Wahrscheinlich hat sie sich angesteckt. 2 -3 Tage wird Helga wahrscheinlich zuhause bleiben müssen. Sorgen brauchst Du Dir keine zu machen.
Heute Nachmittag habe ich ihr wieder ein bißchen Märchen vorlesen müssen. Das mag sie zu gern.
Heute ist Kurt und Vater da. Damit wir nochmals einen Abend alle zusammen sind. Du fehlst aber sehr. Kurt hat schon manchmal während seines Urlaubs gesagt, daß er Dich sehr vermißt. Es sei ihm immer so, als fehle hier bei uns etwas.
Nun schließe ich wieder für heute. Vater und Kurt werden noch einen Gruß beifügen.
Sei wieder herzlich gegrüßt und geküßt con Deiner Anni.

Lieber Ernst! Wir sitzen alle Drei beisammen, Anni, Kurt und meine Wenigkeit. Kurt muß ja am Montag wieder weg. Bei mir geht es so weit gut. Arbeit hat man genügend. Seit 1 1/2 Woche bin ich in der HIAG, da hat die Firma noch was eingerichtet, weil es dort zu klein war und habe jetzt nicht mehr so weit. Hoffentlich bist Du gesund, was bei mir auch der Fall ist. Herzliche Grüße Dein Vater.

Bevor ich nun wieder in den „Schoß“ meiner Kompanie zurück kehre, will ich Dir noch einen Gruß aus unserem Konstanz senden. In meinem nächsten Brief werde ich Dir von meinem Urlaub berichten. Für heute grüßt Dich herzlich Dein Bruder Kurt.

Mein lieber Ernst!                                                                              Konstanz, den 23.11.41

Heute bekam ich keinen Brief von Dir. Ich kann Dir heute auch nur ein paar kurze Zeilen schreiben. Ich habe heute nämlich noch so viel zu tun. Helga liegt noch auf dem Liegestuhl. Es ist noch nicht sehr viel besser geworden, aber das Fieber hat etwas nachgelassen.
Sie freut sich schon so, daß ich ihr nachher etwas vorlese, es ist ihr sonst doch zu langweilig. Außerdem muß ich heute noch die Strümpfe für Kurt stopfen. Ich habe sie erst gewaschen und da es jetzt so schwer trocknet, sind sie erst jetzt trocken geworden. Morgen fährt Kurt ja nun wieder weg, da möchten sie fertig sein.
Jörg hat sich heute seine Eisenbahn in der Stube aufgebaut und spielt schon die ganze Zeit. Vorhin hat auch Kurt mitspielen müssen.
Helga wollte Dir eigentlich schon gestern einen Brief schreiben. Da wollten Beide ihre Wunschzettel beilegen. Da sie ja nun nicht schreiben kann, soll ich die Wunschzettel Dir heute mitschicken. Schreiben will sie, sobald sie wieder ganz gesund ist.
Gestern Abend war Vater und Kurt da, wie Du ja auch aus dem vorhergehenden Brief ersehen hast. Vater hatte eine Flasche Wehrmutwein mitgebracht, die wir zusammen getrunken haben. Dann hat Vater, wie Dir damals, auch Kurt etwas Geld zugesteckt. Heute setzt er sich noch hin, um für ihn einen Kuchen zu backen und morgen Mittag kommt er schnell noch einmal zu uns, um sich von Kurt zu verabschieden.
Vater hat von 12 - 1 Mittagspause. In den nächsten Tagen will er mir noch etwas Mehl mitbringen, da ihm Kurt von den Fricks welches mitgebracht hat.
Nun will ich für heute schließen. Nimm mit den kurzen Zeilen vorlieb.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Die Testamentabschrift, die ich vorgestern erhielt, schicke ich Dir anbei mit zu. Bei Jörg`s Wunschzettel heißt es: Ein Auto, Soldaten, einen feinen Tannenbaum. Das „einen feinen“ hat er mit viel Stolz geschrieben, da er es schon in der Schule gelernt hat.

Montag, 21. November 2016

Brief 241 vom 20./21.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                           Konstanz, 20.11.41                          

Ein Brief ist heute zwar nicht gekommen. Dafür aber die Päckchen 19 und 20. Nun weiß ich ja, was in dem Päckchen 19 war. Ich hatte gar nicht gedacht, daß Du mir die Seife zuschicken wolltest. Ich meinte, Du hättest sie für Dich dort besorgt. Die Zahnpasta werden wir auch einmal probieren. Der Käse ist auch noch gut angekommen. Er wird bald gegessen. Ich danke Dir für alles recht sehr.
Von Tante Agnes bekam ich heute einen Brief. Sie schreibt ganz nett. Ich werde ihr bald antworten. und schicke Dir den Brief mal mit.
Am Vormittag habe ich mir den Lodenmantel von Mama hergerichtet. Er sieht noch ganz ordentlich aus und wird mir im Winter auf dem Rad sicher gute Dienste leisten.
Auf dem Tisch geht es bei uns heute ziemlich eng zu. Kurt schreibt mit der Schreibmaschine, Helga macht Schulaufgaben und ich schreibe an Dich. Ich habe mich ein bißchen an die Seite gequetscht. In die Stube mag ich mich nicht setzen, da ist es zu kühl.
Nanni hatte mir doch mal geschrieben. Ich sollte ihr ja nun wohl wieder schreiben. Soll ich sie mit Tante Nanni oder Frau Taupitz anreden? Oder würdest Du vielleicht antworten, wenn ich Dir den Brief zuschicke.
Heute stand in der Zeitung wieder was vom Eisernen Sparen. Ich schicke Dir den Artikel wieder mit. Ich glaube, da steht nun das Wichtigste drin.
Da Du bei den Kindern nach dem Wunschzettel gefragt hast, haben Beide nun einen geschrieben. Du wirst ihn in den nächsten Tagen bekommen. Jörg sagte heute: „Weißt Du ich schreibe einen Wunschzettel. Wenn Vaterle nicht weiß, was er uns schenken soll und er sieht den Zettel, da kommt er gleich auf Verschiedenes, was er schenken kann.“
Lieber Ernst, ich habe heute gar keine richtige Ruhe zum Schreiben. Helga fragt mich öfter wegen ihren Schulaufgaben und Jörg, der vorhin gerade nach hause kam will jetzt auch schreiben. Da will ich Platz machen.
Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst! Konstanz,                                                                       21.11.41

Heute Abend komme ich erst zum Schreiben, um Dir auf Deinen lieben Brief vom 15.11. zu antworten. Ich habe heute wieder viel zu tun gehabt und bin ganz müde. Ich bin froh, daß übermorgen Sonntag ist, da werde ich mich wieder einmal richtig ausruhen.
Kurt wohnt bei Paula. Er kann schon nicht gut anders, da er ja voriges Mal auch dort war. Am Montag 16,57 Uhr fährt er wieder ab. Er fährt über Stuttgart und Metz. Viel Erholung hat er ja nicht gehabt, er rennt die ganze Zeit herum. Er möchte es jedem recht machen und kommt dabei selber zu kurz.
Ich bin wirklich froh, daß der Garten jetzt fertig ist, trotzdem ich gern im Garten schaffe. Aber bei diesem Wetter ist es kein Vergnügen mehr. Im Sommer ist man ja gern draußen und man ist auch froh, wenn man ernten kann. Ich habe fast nie Gemüse kaufen müssen, nur im zeitigen Frühjahr, wo es im Garten noch nichts gab.
Trotzdem ich im Garten jetzt nichts mehr zu tun habe, ist die Arbeit doch nicht weniger geworden. Im Gegenteil, mir reicht die Zeit gar nicht aus. Da habe ich zu nähen, auszubessern und zu stopfen. Das sind Sachen, die viel Zeit beanspruchen und zum Schluß hat man doch das Gefühl, nichts Wesentliches geschafft zu haben. Müde wird man dabei aber doch.
Mit seidenen Tüchern bin ich jetzt wirklich versorgt. Aber das macht nichts. Die kann man immer gebrauchen. Es sieht doch immer schön aus. Es sind ja auch 4 verschiedene Farben.
Vater ist ganz froh, daß er nicht mehr so zur Arbeit hat. So ein ruhiges Arbeiten wie in der Stadt hat er da ja nicht mehr. Aber trotzdem gefällt es ihm gut. Zum essen kommt er scheinbar mittags aber nicht, denn er sagte, es lange ihm gerade zu ein paar Bissen. Die Pause ist wahrscheinlich nicht so lange, ich habe ihn wirklich noch gar nicht gefragt.
Du, Ernst, wenn es Dir recht ist und wenn es möglich ist, so schicke mir doch für meinen Vater zu Weihnachten ein paar Zigarren. Ich würde ihm dann diese mit etwas Gebäck, oder einem Buch, je nachdem, zuschicken. An Siegfried und auch an Kurt kann ich ja kein Gebäck zu Weihnachten schicken, da ich nicht so viel Mehl habe. Soll ich ihnen sonst irgendetwas schicken und was? Und an Erna? Vielleicht schreibe ich auch nur, oder was meinst du?
Da die Kinder auch schon ziemlich weihnachtlich gestimmt sind, schickt Dir Jörg heute ein Bild mit. Das obere Wort hat ihm Helga vorschreiben müssen, das untere hat er schon selber in der Schule gelernt. Helga und Jörg haben auch schon in der Stube zusammen beraten, was sie mir schenken wollen. Als sie herauskamen sagten sie, sie hätten viele Sachen, aber ich könnte mir auch etwas noch wünschen. Ob ich nicht etwas notwendig zum backen brauchte. Das dürfte ich mir wünschen. Es handelt sich da um einen Backpinsel, den ich schon noch gebrauchen kann.  
Ich schicke Dir heute einmal eine Karte mit, die mir so gut gefallen hat, daß ich sie gekauft habe. Ich dachte, sie würde Dich sicher auch freuen.
Nun will ich wieder schließen. Sei wieder recht herzlich und recht oft gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


Samstag, 19. November 2016

Brief 240 vom 18./19.11.1941


Lieber Ernst!                                                         Konstanz, den 18.11.41                                

Ich habe mich wieder sehr gefreut über Deinen lieben Brief vom 15.11. Er kam vorhin, also am Morgen, an und ich beantworte ihn gleich, da ich heute Nachmittag ja mit den Kindern zur Röntgenuntersuchung gehen will. Ich schreibe nun gleich mit der Schreibmaschine, da ich einmal beim schreiben bin. Ich habe vorhin an Elsa und Siegfried geschrieben. Die Durchschläge schicke ich Dir wieder mit.
Es ist lieb von Dir, daß Du in Deinem Antwortschreiben an meinen Vater gar nichts von Deinem Ärger erwähnen willst. Es ist vielleicht am besten so. Wir ändern ihn ja doch nicht mehr.
Wegen des Mantels habe ich Dir ja wieder geschrieben. Wenn Du nun den Stoff nicht abbestellt hast, freue ich mich schon, daß ich ein schönes Stück bekomme. Ich bin gespannt, ob Dora den Mantelstoff nehmen wird. Ich glaube aber schon. Wenn sie ihn nimmt, dann hast du ihr wenigstens einen Gefallen getan und wir haben uns dadurch ein bißchen für ihre Geschenke revanchiert.
Die Jacke, die ich mir gemacht habe, sieht ganz schön aus. Jedenfalls bin ich der Meinung. Ich ziehe sie jetzt noch gar nicht an, sondern erst, wenn Du einmal da warst. Die soll doch eingeweiht werden, wenn Du sie gesehen hast.
Ich werde Helga also jetzt so ziemlich jeden Tag  ein bißchen auf der Tafel üben lassen, damit die Schrift etwas besser wird. Ein bißchen ebenmäßiger schreibt sie seit den letzten Tagen schon. Sie schreibt jedenfalls die kleinen Buchstaben nicht mehr so groß. Das ist ja schon ein kleiner Fortschritt.
Wie ich Dir schon schrieb, bin ich froh, daß Du noch Stoff für Jörg zu Hosen gekauft hast. Wenn Du sie also dort machen lassen kannst, so ist es mir recht. Die Maße habe ich Dir gestern angegeben. Ums Kaputtmachen habe ich bei Jörg wirklich keine Sorge. Er ist ja ein wilder Kerl.
Jetzt sind Helga und Jörg in der Schule. Kurt ist gerade auf einen Sprung heraufgekommen und will sich rasieren. Er will dann für Paula etwas besorgen.
Vor ein paar Tagen habe ich die Gartenpacht mit 7,- wieder bezahlt.
Es hieß vor einiger Zeit einmal im Radio anläßlich einer Sendung für den Luftschutz, daß es günstig wäre, wenn man sich einmal eine Aufstellung seines Besitzes bis zum letzten kleinsten Stück machen würde. Im Falle etwas passierte, bekäme man es bis zum letzten Stück wieder ersetzt. Ich habe mich nun einmal hingesetzt und so eine Aufstellung gemacht. Aber eigentlich nicht nur zum Luftschutz, sondern damit man so ungefähr einen Überblick hat, was eigentlich alles vorhanden ist. Da ich denke, daß es Dich auch interessiert, habe ich gleich einen Durchschlag mit gemacht. Es fehlen zwar schon einige Kleinigkeiten, aber es war mir zu viel, jedes Sieb und jedes winzigste Stück  aufzuführen. Die Hauptsache ist aber beisammen. Das Original habe ich nun zu meinem Luftschutzgepäck gelegt.
Der Brief ist ja heute ein bißchen kurz, aber du wirst es mir hoffentlich nicht übel nehmen. Ich habe nämlich noch ziemlich viel zu tun, damit ich heute Nachmittag fertig bin.
Sei nun wieder recht, recht herzlich gegrüßt und viel, vielmals geküßt von Deiner Anni.
Das mit dem Übelnehmen ist eigentlich eine dumme Rede, denn das weiß ich ja ganz genau, daß Du so etwas überhaupt nicht übelnehmen würdest.

Mein liebster Ernst!                                                      Konstanz, 19.11.41

 Soeben kam Dein lieber Brief vom 15.11. mit den verschiedenen Durchschlägen an. Der Brief an die Kinder kam auch mit und die Freude darüber war sehr groß. Ich glaube, Helga wird Dir bald wieder schreiben.
Der braune Stoff für einen Mantel gefällt mir auch sehr gut. Aber ich glaube, der andere ist fast noch etwas stärker. Ich glaube, ich bleibe bei meinem. Ich glaube auch, daß mich braun noch blasser macht.
Jetzt habe ich nun genug geglaubt, 3 Mal langt ja. Also ich behalte den ersten Stoff.
Das ist eine ganz gute Idee, daß man für Jörg vielleicht einen ganzen Anzug machen läßt. Er wäre dann immer ganz angezogen.
Laß für mich auch den Mantel machen. Ich weiß mit dem Stoff nicht wohin und außerdem kann ich den Mantel dann jederzeit anziehen. Ein loser Mantel wird ja auch nicht gleich unmodern.
Heute Vormittag habe ich für Helga noch einen Pullover genäht. Er kleidet sie sehr gut. Außerdem ist es noch gute Wolle, die ziemlich warm hält.
Ich war heute in der Stadt und habe dabei noch Inspiroltabletten besorgt. 4 Dosen habe ich wieder da. Ich hätte noch 2 mehr, aber die brauche ich für die Kinder, die einen rauen Hals und Schnupfen haben. Den bekommt man ja jetzt bei dem nebligen Wetter schnell. Es ist sehr unfreundlich draußen.
Heute habe ich den Drillichanzug von Kurt gekocht und gewaschen. Der hatte es nötig. Wenn das Zeug nur nicht so störrisch wäre.
Gestern nun waren wir beim Röntgen. Das war ein Betrieb. Ich möchte das nicht machen. Die Ärzte, oder was es sind, müssen ja am Abend vollkommen kaputt sein. Als wir in den Saal am „Schützen“ kamen, hat es uns bald zurückgeschlagen. So warm war es. Der ganze Saal voll Kinder. Ein Gedränge, Geschiebe und Gerede. Die Kinder haben sich mit angestellt und ich habe die Karten besorgt, die mit dem Namen und einer Nummer versehen werden. Die werden dann mit in den Apparat geschoben, damit auf der Platte gleich der Name mit steht. Erst kam man in einen Apparat, wo man tief einatmen muß, wobei gemessen wird. Die Zahl wird mit auf die Karte geschrieben. Dann kommt man zum Röntgen. Man muß bei dem Apparat das Kinn auf einen Rand legen, die Arme zur Seite halten, einatmen, und schon ist die Sache fertig. Als die Kinder fertig waren, kamen die Frauen dran. Alle haben wir gelbe Papierblusen bekommen. Das hat komisch ausgesehen. Als wir wieder heim konnten, war ich herzlich froh. Mir hat der Kopf direkt gebrummt.
Unterwegs trafen wir Kurt, der dann mit zu uns kam und seinen Ahnenpaß weiter schrieb. Heute ist er mit Hagenauers nach Meersburg gefahren.
Nun will ich wieder aufhören, denn es ist Zeit, daß der Brief fortkommt. Es ist schon 1/4 5 und 1/2 5 wird der Kasten geleert.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 239 vom 16./17.11.1941


Mein liebster Ernst!         Konstanz, 16.11.41                                                

Ich sitze jetzt, es ist 3 Uhr, allein zuhause. Kurt ist mit Helga und Jörg ein bißchen in den Wald spazieren gegangen. 3/4 2 sind sie fort und um 4 Uhr wollen sie wieder da sein. Kurt will nämlich 1/2 6 schon wieder mit dem anderen Kurt ins Kino gehen. Wenn alle, also Kurt, Helga und Jörg, nachher heimkommen, trinken wir Kaffee. Ich habe Kurt dazu eingeladen. Ich habe noch Kuchen da.
Mit dem Mädel, mit dem sich Kurt gestern traf, ist es schon wieder aus. Sie ist katholisch und im kath. Kirchenchor. Das ist natürlich nichts für Kurt.
Ich schrieb Dir doch schon, daß die Frau Frick an Kurt 2 Brote geschickt hatte, die er Vater  gab. Dann hatte er auch noch eins so schon mitgebracht. Auch für Vater. Das hat mir Vater gestern Abend  gebracht. Er wollte mir unbedingt etwas abgeben. Er sagte, daß ich vielleicht Kurt einmal eine Schnitte davon abgeben sollte, wenn er Hunger hat. Das mache ich natürlich schon. Das Brot ist von den Leuten selber gebacken. Er ist fast wie Kuchen, auch ein ganz kleines bißchen süß und wiegt 4 Pfund. Ich habe mich sehr gefreut, denn von Brot hat man ja nie zuviel.
Ich habe gestern noch die Strickjacke für Helga genäht. Sie sieht fast wie neu aus. Helga hat sich gefreut. Ich auch, daß es mir gelungen ist.
Kurt hat ein Buch zum Aufheben mitgebracht. „Ballade am Strom“. Das werde ich nächstens einmal lesen. In meinem Frauenschaftsheft sind immer Fortsetzungen davon. Aber ich habe den Anfang nicht gelesen, da ich das Heft doch noch nicht so lange habe. Ich meine die Frauenwarte. Im Buch läßt es sich auch besser lesen, weil man da hintereinander lesen kann. Das Buch handelt von Schicksalen am Rhein. Von ganz früher, dann von den Separatisten und dann nach der Befreiung.
Du Ernst, jetzt wüßte ich gern Deinen Weihnachtswunsch. Ich werde es Dir ja wohl schicken müssen, denn Du wirst sicher noch nicht wissen, ob Du zu Weihnachten heimkommen kannst. Aber bitte, nicht nur schreiben, Du weißt nicht, was Du Dir wünschen sollst. Strenge Deine Gedanken mal ganz fest an.
Was wollen wir Vater schenken? Brauchen könnte er noch einen Pullover, aber den wirst Du wohl kaum  noch bekommen können und ich kann ohne Kleiderkarte keinen kaufen. Die Kleiderkarte rückt Vater auch nicht heraus, wenn er weiß, ich will ihm was kaufen.
Bei uns war das Wetter heute Morgen so dunstig, halb neblig. Jetzt hat es sich ein bißchen aufgeklärt, aber lange hält es bestimmt nicht an. Nach dem Rhein zu hängt der Dunst immer noch.
Es ist inzwischen 3/4 4 Uhr geworden. Ich will gleich den Kaffee kochen, damit alles fertig ist, wenn die 3 heimkommen. Helga und Jörg bringen nachher gleich noch den Brief zum Briefkasten. Da kommt er heute noch fort.
Ich grüße und küsse Dich für heute wieder recht herzlich, Du lieber Ernst, Deine Anni.

Mein liebster Ernst!       Konstanz, den 17.11.41

Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom 12/13.11. Der war wieder lang und ich habe mich herzlich darüber gefreut.
Päckchen habe ich bis jetzt noch nicht wieder erhalten, aber die gehen ja immer etwas länger als Briefe. Ich hoffe auch, daß alles gut ankommt.
Wenn Du die Hosen für Jörg dort machen lassen kannst, so ist es mir auch recht. Die Länge an der Seitennaht müßte 48-50 cm sein. Das ist also größer, als er sie jetzt braucht, aber sie sollen ja auch für nächstes und evtl. übernächstes Jahr sein. Ein Schneider weiß ja schon, wie weit der obere Bund dazu sein muß. Bei den von mir gekauften Hosen ist die Weite jetzt, wenn die Hose vorn zugeknöpft ist, 66 cm. Genügen Dir diese Maßangaben?
Die Aktion, an der Du teilgenommen hast, wird sicher sehr interessant gewesen sein. Ich glaube gern, daß Du ziemlich viel dabei gelernt hast. Auch hast Du wahrscheinlich mehr Vertrauen zu Deinen Sprachkenntnissen bekommen. Hat es dich nicht ein bißchen stolz gemacht, daß Du schon in dem Maße mit den Leuten reden kannst?
Für Bekleidung für die Kinder ist jetzt gesorgt. Ich bin sehr froh darüber, denn ich möchte doch nicht allein richtig angezogen sein. Nachdem Du so lieb gewesen bist und in jeder Beziehung für Bekleidung für mich gesorgt hast, brauche ich ja nichts mehr zu kaufen.
Nun wegen braunen Stiefeln für mich. Du, ich weiß wirklich nicht, bei wem ich mir dazu Maß nehmen lassen soll. Ich kann höchstens bei mir selber abmessen, ob aber diese Maße dann zur Anfertigung der Stiefel ausreichen ist mehr als fraglich. Zu einem Schuhmacher kann ich ja nicht gehen, die würden mich rausschmeißen. Die nehmen kaum noch Reparaturen an. Vielleicht können wir es ja auch mit den Stiefeln sein lassen, nachdem ich doch nun ziemlich viele Schuhe habe und Du kaufst lieber für Dich noch ein Paar, denn Du hast ja noch nicht zu viel. Ein einziges Paar Gute hast Du hier zuhause. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn Du mit Schuhen gut versorgt wärst. Ich komme ja doch nicht so viel fort und wenn, dann meist mit dem Rad.
Wegen des eisernen Sparens warten wir vielleicht, bis Du wieder einmal auf Urlaub kommst. Mit der Steuertabelle weiß ich nämlich nicht Bescheid. Es ist ja auch nicht so eilig. Man kann ja mit dem Sparen anfangen, wenn man will. Es muß ja nicht der Januar sein.
Es ist doch nicht schlimm, daß Du den Empfang meiner Päckchen nicht bestätigt hast. Ich konnte mir schon denken, daß Du es nur vergessen hast, aber ich wollte doch gerne wissen, ob sie angekommen sind. Von krumm kann doch da gar keine Rede sein. Das wäre gerade ein Grund, Du lieber, dummer Kerl.
Ich konnte mir schon denken, daß Du an dem Schreiben meines Vaters nicht viel Freude haben würdest. Mir war der Brief auch nicht einerlei. Ich habe ja darum auch gleich wieder an Vater geschrieben. Ich danke Dir, daß Du so lieb warst und ihm darauf nicht wieder geschrieben hast. Es ist so, wie Du schreibst, wir wollen keinen Streit vom Zaune brechen. Er ist jetzt sehr allein und darauf wollen wir Rücksicht nehmen. Recht hast Du ja, wenn du schreibst, Siegfried würde sich das nicht gefallen lassen. In dem Zusammenhange lege ich Dir heute den Brief von Papa bei, den ich heute bekommen habe. Er sieht zwar darin auch sein Unrecht, das er Dir getan hat, nicht richtig ein. Aber wir wollen die Angelegenheit begraben.
Aus dem Brief ersiehst Du aber, daß Papa`s Verhältnis zu Siegfried auch nicht ganz zufriedenstellend ist. Mama`s Vermittlung fehlt eben überall. Wenn Siegfried wieder einmal ganz zu hause ist, bin ich gespannt, ob sie zusammen auskommen werden. Sie sind beide Hitzköpfe und Jeder wird sich als Herr in der Wohnung fühlen. Na, das wollen wir alles abwarten.
Wenn Papa so den Hecht als Muster herausstellt, so nehme ich ihm das gar nicht mehr übel. Du weißt ja, das bin ich von früher her so gewöhnt und ich rege mich gar nicht mehr darüber auf. Wenn Papa den Hecht länger bei sich hätte, würde er sehr bald Fehler an ihm entdecken und sich einen neuen Musterknaben suchen.
Schreibe Dir nur ruhig Ärger vom Herzen. Es ist mir lieber, als wenn Du ihn in Dich hineinfrisst. Du sollst Dir durch solche Sachen nicht das Leben noch schwerer machen.
Ich will nachher noch ein paar Briefe schreiben, von denen ich Dir dann die Durchschläge mitschicke.
Von den Inspiroltabletten besorge ich Dir wieder welche. 2 Schachteln habe ich schon da. Die schicke ich Dir dann gelegentlich wieder mit. Laß mich nun wieder schließen und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Gerade als ich den Brief an Papa schrieb, kamen die Päckchen 15, 16, 17, 18 an. Die Filzschuhe und auch die 2 Paar anderen Schuhe passen mir gut. Die blauen Schuhe sind am allerbequemsten. Die drücken schon jetzt kein bißchen. Gefallen tun sie mir ausgezeichnet. Da hast Du wirklich etwas ganz Feines gekauft. Am liebsten würde ich Dich ganz fest abküssen und drücken, was ja leider jetzt nicht geht. So sage ich Dir einstweilen recht, recht vielen Dank. Ich habe mich riesig gefreut. Auch über die Mandeln und die anderen Sachen. Die Nägel sind auch richtig.
Du schreibst in Deinem Brief, daß Du 4 Päckchen abgeschickt hast. Das sind doch sicher die, die angekommen sind. Dann schreibst Du noch von einem Käsepäckchen Nr. 20. Was hast Du dann noch für ein Päckchen 19 weggeschickt? Aber das war jetzt eigentlich eine dumme Frage, bis Du mir antworten kannst, habe ich es ja sicher schon erhalten.
Heute hat mir Papa noch die Todesanzeige von Herrn Nitzsche mitgeschickt.
Der Schuhmacher Schlumberger, bei dem wir früher die Schuhe machen ließen, ist auch gestorben.

Montag, 14. November 2016

Brief 238 vom 14./15.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 14.11.41                                    

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 11.11. Ich danke Dir vielmals dafür.
Für die Päckchen, die Du wieder fertig machen willst, habe ich Dir ja Briefmarken geschickt. Wenn Du wieder welche brauchst, so schreibe mir.
Du hast ja jetzt noch mancherlei zu besorgen. Was wir in Deinem Urlaub aufgeschrieben haben und war ich Dir gestern schrieb. Aber ich glaube, Ernst, dann hören wir mal mit kaufen auf. Ich weiß nicht mehr wohin damit. Für die nächsten Jahre haben wir ja alles, was wir brauchen, und bis dahin wird auch der Krieg zu Ende sein und man kann wieder richtig kaufen, was man braucht.
Kurt hatte an Nanni geschrieben, daß meine Mutter gestorben ist.
Siegfried schrieb in dem Brief an mich, daß Erna mir schreiben würde, was sie sich als Hochzeitsgeschenk wünschen.
Ein Lönsburg hast Du nicht geschickt. Du wolltest es nach Deinem Urlaub herschicken, aber bis jetzt ist es nicht gekommen.
Kurt hat sich in Frankreich ein Fernglas für 62,- gekauft. Er verkauft es jetzt an Kurt Hagenauer und will ich noch ein besseres besorgen.
Kurt sagte mir, ich sollte Dir schreiben, daß es in Paris Phillips-Altstromgeräte für 83,- gäbe. Aber das kommt ja wohl für uns nicht in Frage.
In dem Paket an Vater von der Frau Frick war Brot, Zucker und Fett. Vater ist sehr froh darüber. Vorhin ist von der Frau an Kurt wieder ein Paket gekommen. Ich weiß natürlich nicht, was drin ist. Die Leute müssen Kurt doch ziemlich ins Herz geschlossen habe, denn sie schicken ihm alle 14 Tage ein Päckchen. Heute sind die Kinder geimpft worden. Jetzt tut es ihnen ein bißchen weh. Aber sie haben jetzt direkt einen Stolz.
Gestern Nachmittag ist Kurt nur auf einen Sprung oben gewesen, da er zum baden wollte. Gestern Abend waren Vater und Kurt da. Erst hat Kurt an seinem Ahnenpaß geschrieben. Aber Vater wollte sich doch auch ein bißchen mit ihm unterhalten. Da hat er dann aufgehört. Aber viel redet Kurt ja nicht. Man muß bald jedes Wort aus ihm herausziehen. Nach 10 Uhr sind dann Beide fortgegangen.
Einen Cognac kann ich Kurt nicht anbieten. Er sagt, er hätte in Frankreich mal einen Rausch gehabt, als er über 1/2 Flasche Cognac ausgetrunken hat. Das sei so ekelhaft gewesen, daß er überhaupt keinen mehr anrührt.
Nun ist es gerade Zeit, daß ich den Brief fortbringe, wenn er 1/2 5 Uhr noch mit fort soll. Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                             Konstanz , 15.11.41

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 12.11. Ich danke  Dir sehr dafür.
Du mußt entschuldigen, daß ich das Geld, das Du noch hier hast, ganz vergessen habe, sonst hätte ich es Dir schon mitgeschickt. Es sind noch 8,-. Nun kann ich sie Dir ja nicht mehr senden, da ich ja vor einigen Tagen noch 25,- abgeschickt habe. Ich hebe sie also noch auf. Über das Geld herrscht doch jetzt Klarheit? Von der Zusatzversicherung habe ich Dir 25,- geschickt, 40,- liegen noch hier für Dich bereit, 21,17 habe ich mir genommen.
Wenn Du nicht gleich alles bekommst, was Du besorgen willst, so ist das ja nicht weiter schlimm. So ganz eilig ist es ja meist nicht.
Die Zeitungen habe ich heute auch erhalten. Ich habe auch schon kurz hineingesehen, aber viel Zeit hatte ich noch nicht, da ich mit Nähen angefangen habe. Aus alten Pullovern von Mama mache ich den Kindern neue. Den für Jörg habe ich fertig. Für die Schule und zum spielen ist er noch sehr gut.
Wegen K-Papier mußt Du nicht rum rennen. Ich habe inzwischen wieder eins bekommen. Ich schrieb Dir nur darum, weil ich dachte, es wäre dort leichter zu beschaffen. Ich werde nächste Woche wieder zusehen, daß ich irgendwo wieder eins bekomme. Also, nicht wahr, rumlaufen tust Du deshalb nicht.
Die Sache mit den 2 Leuten dort ist ja zum Zusehen ganz interessant. Jetzt geht es dem einen so, wie er es Dir nach Deinem Urlaub gemacht hat. Schaden kann es ihm ja nicht. Gestern sind die Kinder geimpft worden. Bei Helga ist die Impfstelle rot und angeschwollen, bei Jörg ist keine Veränderung bis jetzt eingetreten. Bei Helga in der Klasse sind die Kinder aufgeschrieben worden, bei denen die Impfstelle rot und angeschwollen ist. Warum, weiß ich nicht.
Kurt ist heute Nachmittag nach Meersburg gefahren. Er trifft sich dort mit einem Mädel aus Singen, die ein paar Tage in Meersburg zu Besuch ist. Wie Kurt sie kennen gelernt hat, weiß ich nicht. Er sagte, er will erst sehen, wie das Mädel ist, er will nicht wieder die Katze im Sack  kaufen.
Morgen früh will Kurt wahrscheinlich mit den Kindern ein Stück spazieren gehen. Es kommt natürlich auch auf`s Wetter an.
Ich hatte mich doch mit den Kindern zum Röntgen gemeldet. Es werden Reihenuntersuchungen durchgeführt. Gestern kam nun der Bescheid, daß die Untersuchungen am Dienstag durchgeführt werden. Wer innerhalb 3 Wochen keinen Bescheid bekommt, ist gesund. Hoffentlich auch wir.
Dora hat heute auch geschrieben. Sie bedankt sich für den Kaffee und fragt nach dem Preis. Aber für das, was ich ihr geschickt habe, verlange ich kein Geld. Es war ja nicht so viel und sie hat ja den Kindern auch schon manches geschickt. Ich soll Dich von Dora auch vielmals grüßen.
Bei Helga`s Schule ist der Stacheldraht wieder weggekommen. Wenigstens nach der Straßenseite schon. Es wird drin auch fest geputzt. Ich bin gespannt, ob es wieder Schule oder Lazarett wird.
Nun laß mich für heute wieder schließen, mein lieber Mann, und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 237 vom 13.11.1941


Mein lieber Ernst!                                                                           Konstanz, 13.11.41                              

Heute bekam ich gleich wieder 2 Briefe von Dir, vom 8. und 9. Ich habe mich wieder sehr gefreut. Da ich nun ziemlich viel zu beantworten habe und heute Nachmittag wahrscheinlich Kurt wieder herauf kommt, so daß ich nicht gut zum schreiben komme, habe ich mir jetzt gleich die Schreibmaschine geholt.
Bei uns ist das Wetter jetzt auch kalt und trocken. Aber so gefällt es mir jetzt ganz gut, besser als das Naßkalte. Du hast den Sonntag also auch fast so verbracht wie wir, mit lesen und Radio hören. Es ist nicht nötig, daß Du uns nun immer Deinen Käse schickst, behalte auch richtig für Dich. Wir haben jetzt auch noch welchen da. Du mußt Dir also wirklich nichts absparen, nicht wahr? Die Äpfel von mir haben wirklich lange gehalten. Die hast Du Dir gut eingeteilt.
Das Stoffmuster für den Mantel für mich gefällt mir sehr gut. Wenn der Mantel nicht teuer zu stehen kommt, so freue ich mich natürlich wenn ich ihn bekomme. Nur Wucherpreise zu zahlen wäre nicht nötig. Oder hast Du den Stoff wieder abbestellt, nachdem ich Dir geschrieben habe, der Mantel sei ja nicht so notwendig? Das wäre natürlich auch nicht so schlimm. Über den Stoff für Hosen für Jörg freue ich mich wirklich. Wenn ich auch jetzt 2 Paar Hosen für Jörg gekauft habe, so kann man Stoff ja aufheben, nächstes Jahr hat er doch sicher wieder welche nötig. Den Stoff bestelle also bitte nicht ab. Man weiß ja nicht, wie die Verhältnisse nächstes Jahr sind, ob man da noch etwas bekommt.
Mit dem Geld werden wir es dann so machen, natürlich Dein Einverständnis vorausgesetzt, daß ich Dir Anfang Dezember die 40.- von der Zusatzversorgung zuschicke und noch 25,- vom Gehalt. Etwas von dem Geld zu sparen, wenn du dort größere Ausgaben hast, wäre ja Unsinn. Oder denkst Du anders?
Wenn Jörg nun zu Weihnachten 2 Hosen, 1 Pullover, das Spielzeug von Dir und evtl. Handschuhe bekommt, zeigen wir ihm den von Dir gekauften Stoff für die Hosen nicht. Da kann ich ihn nächste Weihnachten damit überraschen, nicht wahr? Für Helga ist ja auch gesorgt. Sie bekommt also 2 Kleider, 1 Höschen, 1 Unterrock und ein kleines Spielzeug oder ein Buch. Bis jetzt ist nämlich mit Spielzeug nicht viel zu machen. Die Läden haben alle nichts. Höchstens, daß sie noch etwas hereinbekommen. Aber das ist ja bei unseren Kindern nicht so wichtig, wo sie schon so viel haben. Nun habe ich noch eine Frage an Dich. Könntest Du evtl. für Helga noch einen Stoff für ein Winterschulkleid bekommen? Erst für nächstes Jahr. Er müßte etwas gedeckt und nicht heikel sein. Es braucht auch erst nächstes Jahr zu sein, ich schreibe es nur gerade, weil gerade die Rede davon ist. Oder soll ich hier etwas besorgen?
Es ist fein, daß Du noch Mandeln bekommen hast. Wie teuer sie früher hier waren, kann ich Dir nicht einmal mehr genau sagen. Es ist schon zu lange her.
Jörg gibt sich wirklich in der Schule viel Mühe. Bis jetzt kann er das Gelernte schon sehr fein lesen. Im Schreiben ist er auch gut. Wenn er so weiter macht, bin ich ganz zufrieden. Seit der vergangenen Woche hat Jörg auch Religionsunterricht. Jörg nimmt die Aufgaben auch ganz genau. Wenn die Lehrerin sagt, sie sollen im Lesebuch alles 5 Mal durchlesen, so wird 5 Mal durchgelesen. Er liest es mir immer vor und ist ganz stolz, wenn ich ihn lobe. Er guckt auch schon immer in andere Bücher hinein und sucht sich die Buchstaben heraus, die er schon kennt.
Die Lebensmittelrationen, die die Bevölkerung dort bekommt, sind wirklich gering. Soviel Butter wie die im Monat haben, bekommen wir ja fast in einer Woche. Die müssen doch hintenherum noch etwas kaufen können, sonst ist es doch unmöglich, daß sie damit auskommen können. Da haben wir es ja dagegen noch prima.
Hast Du Dich eigentlich gewundert, daß ich für Helga und Jörg gleich etwas Fertiges gekauft habe? Weiß Du, ich habe noch so viel zu nähen da, außerdem, möchte ich noch stricken. Das langt mir nachher. Du weiß ja, ich bin kein so großer Riese und kaputt möchte ich mich nicht gleich wieder machen. Bis jetzt habe ich mit dem Garten zu tun gehabt und nun kommt bald wieder das Backen. Das ist gleich ein bißchen viel auf einmal.
Den Brief über die zurückgezahlten 86,17 hebe ich mit auf.
Ich glaube, wenn Du meine letzten Briefe und diesen hier bekommen haben wirst, da denkst Du, na, das ist mit dem Geld und den Geschenken, sowie mit dem Mantel ein schönes Durcheinander. Erst wollen wir den Mantel kaufen, dann wieder nicht, dann doch wieder. Erst soll ich Vorschläge für Geschenke machen, dann kauft sie ein. Erst schreibt sie, ich kann alles Geld, außer 20,- bekommen, dann fragt sie an, ob wir davon etwas sparen wollen, dann schreibt sie wieder, ich kann das Geld bekommen. Es ist schon ein Durcheinander. Es ist aber auch dadurch mit entstanden, daß die Briefe eben immer einige Tage unterwegs sind und sich die Situation inzwischen schon wieder geändert hat.
Bestehen bleibt ja nun, daß ich den Mantel für mich gern hätte, wenn Du den Stoff nicht wieder abbestellt hast, daß ich sehr froh über den Stoffkauf für Jörg`s Hosen bin. Daß für Helga zu Weihnachten gesorgt ist; daß ich Dir die restlichen 40,- der Zusatzversorgung und 25,- vom Gehalt mit Deiner Einwilligung Anfang Dezember zuschicke. So, das wäre soweit klar, auch für mich, denn ich war auch schon ganz durcheinander. Hoffentlich bist Du mir über das Durcheinander, was ich angerichtet hatte, nicht böse.
Nun schließe ich wieder. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Freitag, 11. November 2016

Brief 236 vom 11./12.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, 11.11.41                                    

Heute Vormittag hatz mir der Briefträger keinen Brief von Dir gebracht, nur einen von Papa. Darin war auch der Durchschlag des an Dich gerichteten Briefes. Ich glaube, da wirst Du Dich teilweise wieder darüber geärgert haben. Ich habe nun heute gleich wieder darauf geantwortet. Bitte Ernst, sei so lieb und schreibe auf Papa`s Klagen nicht mehr viel. Wir wollen Ärger vermeiden, nicht wahr?
Vater hat mir jetzt noch die Erdbeersetzlinge aus seinem Garten gebracht. Ich setze sie mal noch ein, ob sie anwachsen weiß ich ja nicht. Es ist doch schon ziemlich spät im Jahr. Vater muß jetzt noch den ganzen Garten abräumen, auch den Zaun abnehmen und die Brombeeren raus machen. Das ist ja eine schöne Arbeit. Vor allen Dingen, wenn es so kalt ist. Helga ist doch nun in der 3. Klasse, wo sie lateinisch lernen. Sie haben es doch so Hals über Kopf gelernt, als sie als „Normalschrift“ eingeführt wurde. Nun bin ich ganz unzufrieden damit, wie Helga lateinisch schreibt. Sie gibt sich viel Mühe, das sehe ich, aber es liegt ihr einfach nicht. Nun sagte mir Helga heute, daß sie bei einem Aufsatz in der Schule beim Schönschreiben eine 4 bekommen hat. Das ist mir gar nicht so recht, da sie doch bisher in der deutschen Schrift immer eine 2 bekommen hat. Meinst Du, man könnte da in irgendeiner Weise etwas machen? Mir geht es ja auch so, daß ich besser deutsch als lateinisch schreibe. Ich möchte nur nicht gern, daß sich Helga dadurch ihre Zensuren verdirbt.
Eben klingelte es und der Briefträger brachte mir die 86,17 Mk von der Zusatzversorgung. Das ist ja schnell gegangen. Ich schicke Dir nun einstweilen die restlichen 25.-, die ich Dir diesen Monat noch senden kann, denn 40,- hatte ich ja schon geschickt. Nun schreibst Du mir bitte noch, ob ich Dir davon nun nächsten Monat noch 40.- schicken soll, oder ob wir noch ein paar Mark sparen sollen.
Gestern habe ich für Jörg zu Weihnachten noch 2 Hosen gekauft. Es war ja nicht viel Auswahl da, aber ich habe doch noch etwas Rechtes bekommen. Eine graue Hose. Der Stoff wie die Trachtenhosen, also sehr fest. Und eine dunkelblaue Küblerhose, also wie Bleyle, die man mit Gürten tragen kann. Ich habe sie zum Sommer zu für Sonntag`s berechnet. Wenn ich Jörg nun noch eine Hose dazu nähe, ist er für nächstes Jahr versorgt. Spielzeug brauchen wir ja nicht mehr viel kaufen, für Jörg besorgst Du ja etwas. Ich will ja noch die kleinen Puppenmöbel für Helga besorgen. Dann hätte ich alles beisammen. Nun kommt nur noch das Backen an die Reihe.
Es ist schön, wenn man ein paar Mark Geld auf der Hand hat, daß man notwendige Sachen ohne Sorgen einkaufen kann. Das verdanke ich auch Dir, mein lieber Mann.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, 12.11.41

Es ist jetzt 21,30 und ich bin gerade heim gekommen. Woher denn, wirst Du fragen. Ich war bei Vater und habe ihm ein Paket gebracht. Doch warte, ich erzähle Dir lieber den Tageslauf der Reihe nach. Viel ist es ja nicht. Am Vormittag habe ich aufgeräumt, Strümpfe gestopft und Essen gekocht. Am Nachmittag bin ich in den Garten  gegangen und habe die Bäumchen und Sträucher gekalkt. Ich habe den Kalk diesmal mit etwas Wasser angerührt und mit einem Pinsel aufgetragen. Es ging sehr gut. Nun bin ich im Garten ganz fertig. Am Vormittag erhielt ich ein Paket für Vater  aus Blankenloch von den Fricks. Kurt hatte es abgeschickt. Gegen Abend kam dann Kurt selber. Er war 2 Tage in Blankenloch gewesen. Die Frau hat ihm für Vater 2 Brote und noch ein paar Sachen eingepackt. Die habe ich ihm nun runter gebracht. Vater hat sich sehr gefreut. Kurt sieht ganz gesund aus. Er ist ja nicht mehr bei den Nachrichten, sondern bei der Geschützbedienung einer Pak. Wir haben uns heute nur wenig unterhalten können. Er ist bald wieder gegangen, da er einmal ausschlafen wollte. Kurt hat für Jörg ein Motorboot mit Schraube und Steuer mitgebracht. Es ist 28 cm lang. Für Helga hat er ein Etui mit Schere, Häkelnadel, Nadelbüchse, Fingerhut usw. mitgebracht. Es sieht wirklich fein aus. Ich habe ein seidenes Tuch bekommen, wie Du mir welche mitgebracht hast. Diesmal in braun. Einen Karton Bonbons hat er für die Kinder auch wieder mitgebracht. Die Frau Frick hatte noch einige Törtchen mitgegeben.
Morgen Abend wollte Kurt Vater besuchen. Als ich nun vorhin unten war, sagte er, Kurt sollte lieber zu uns gehen und er käme rauf. Bei uns sei es doch gemütlicher und wärmer.
Etwas zu trinken hat Kurt für Vater auch mitgebracht. Es freut mich, daß er so an ihn gedacht hat.
Kurt war ganz erstaunt, daß wir wußten, wo er ist. Er konnte gar nicht begreifen, wie wir das herausbekommen haben. Derweil war es an Hand des Schieferkastens doch so einfach.
Vater arbeitet übrigens seit heute da, wo Kurt zuerst gelernt hat. Es ist dort eine Abteilung der Firma untergebracht, bei der Vater schafft. Da hat er es ja jetzt gar nicht mehr weit. Er kann sogar mittags einmal nach hause gehen.
Ich habe gestern 2 Seegrasunterlagen für die Kinder gekauft, auf die sie sich setzen können, wenn sie auf dem Boden spielen. Sie können sie aber auch als Fußunterlagen verwenden. Ich möchte doch, daß unsere Kinder gesund bleiben und der Boden ist jetzt doch ziemlich kalt.
Einen Brief habe ich auch heute von Dir nicht bekommen. Ich hoffe, daß morgen wieder einer kommt.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 235 vom 10.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                 Konstanz, den 10.11.41                      

Heute erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 6.11. Ich habe mich wieder sehr gefreut, denn ich habe wieder ziemlich viel zu lesen gehabt.
In Lille warst Du also inzwischen wieder und ich glaube, es hat Dich nicht einmal viel gekostet. Aber wenn der Mann aus Konstanz so viel Geld ausgeben kann, warum sollst Du Dich da nicht einladen lassen. Er würde es sicher auch so verbrauchen. Graser ist wohl auch ganz froh, wenn Du wieder einmal kommst, oder hat er auch wieder gute Kameraden gefunden?
Weißt Du, Stiefel für 75,- oder 100,-Mark zu kaufen wäre aber Unsinn. Das ist richtiger Wucher. 30,- ist dagegen ja direkt billig.
Ist das Jagdgewehr dann Dein Eigentum, wenn Du es vom Graser bekommst? Jörg wäre ja sicher über das Luftgewehr nicht böse, aber ich denke, wenn Du es mitbringen kannst, wir heben es ihm noch eine Weile auf. Er ist noch zu klein.
Das Päckchen mit den Pastillen hast Du also erhalten. Dann werden sicher auch die anderen Päckchen angekommen sein. Vielleicht hast Du nur vergessen, es mir zu schreiben.
Im Garten  war es mir wirklich eine Erleichterung, daß Du das Kartoffelstück schon ziemlich aufgelockert hattest. Es war dann halb so schwer. Das Rückenweh ist schon lange wieder vorbei. Das „rübergerückt“ ist wirklich von Deinem Vater schon abgefärbt. Man merkt es zum Schluß nicht einmal mehr.
Wenn ich nachher in die Stadt fahre, besorge ich gleich noch Briefmarken, die ich Dir dann mitschicke.
Du Ernst, meinst Du nicht, wir lassen es mit meinem Mantel sein? Ich glaube, die verlangen jetzt auch ziemliche Preise und so notwendig brauche ich ja den Mantel nicht. Wenn ich mit Dir einmal fortgehe, habe ich den Pelzmantel wenn wir so Sonntag in den Wald gehen, habe ich den guten Mantel von Mama. Für Wochentage auf`s Rad habe ich den alten Mantel, und den Lodenmantel von Mama, den ich mir jetzt in den nächsten Tagen zu Recht machen werde. Für`s Frühjahr habe ich dann wieder den leichteren Mantel von Mama. Es sind ja alles noch gute Stücke und es ist schade, sie nur im Schrank hängen zu haben. Viel komme ich sonntags ja sowieso nicht fort, so daß die Sachen ja jetzt nicht abgetragen werden. Schreibe mir bitte einmal Deine Meinung.
Für die Zeitungen brauche ich kein Porto bezahlen. Ich glaube, Du kannst auch immer Deinen Brief von dem Tag mit einlegen, denn die Zeitungen sind fast immer noch eher da wie die Briefe. Nur mußt Du den Brief zwischen die Zeitungen legen, da die Umschläge manchmal am Rand etwas verletzt sind. Da könnte er evtl. sonst herausfallen.
O Kerle, was hast Du gleich wieder für einen Verdacht. So unverschämt bin ich ja gar nicht, daß ich immer ganz lange Briefe verlange, wenn Du OvD hast. Wie ich Dir gestern schon schrieb, bin ich auch mit kurzen Briefen froh. Da bin ich doch bescheiden, findest Du nicht auch? Es ist fein, daß Du noch ein Paar Hausschuhe bekommen hast. Die werden ja nicht schlecht und ich werde sie mir einstweilen aufheben. Auch für die anderen Schuhe danke ich Dir. Jetzt bin ich ja versorgt und brauche nicht gleich wieder welche. Unseren Bezugsscheinsstellen falle ich also auch darin nicht zur Last.
Bist Du da mit Deinem Geld ausgekommen? Ich schreibe Dir ja schon, wenn Du noch etwas brauchst, mußt Du es mir mitteilen. Ich nehme es nachher vom Weihnachtsgeld.
Eingekleidet bist Du auch wieder neu. Da wirst Du froh sein. Das war doch schon Deine Sorge im Urlaub.
Der Brief an die Kinder kam heute an. Das war eine große Freude. Antworten wird Dir Helga selber wieder.
Meine Jacke habe ich heute übrigens fertig gestrickt. Nachher will ich mir noch schöne Knöpfe dazu kaufen. Ich freue mich, daß ich`s geschafft habe.
Zeitungen habe ich heute übrigens auch bekommen. Auch dafür möchte ich Dir auch danken. Ich habe jetzt immer viel zu danken, für alles liebe, was Du für uns besorgst und tust. Du lieber Kerl.
Eben erhalte ich von Siegfried einen Brief. Er hat Dir am gleichen Tage auch geschrieben, wie er mir mitteilt. Er schreibt, daß sich Papa vorgenommen hat, nächstes Jahr mit Erna den Urlaub bei uns zu verbringen, wenn bis dahin nichts Kleines unterwegs wär. Ich glaube, er wäre froh darüber. Ausführlicher brauche ich Dir ja sicher den Brief nicht zu erzählen, denn Siegfried wird an dich wahrscheinlich fast dasselbe geschrieben haben.
Jetzt habe ich nun schon an 3 Leute Briefe zu beantworten, an Nanni, Siegfried und Elsa. So muß ich mich wieder einmal abends hinsetzten. Briefe bekommen ist ganz schön, nur das Antworten nicht, außer an Dich.
Ich habe heute mit der Schreibmaschine geschrieben, da es da schneller geht. Ich habe nämlich heute ziemlich viel zu tun gehabt und es eilt mir ein bißchen, da ich noch in die Stadt muß. Du nimmst doch auch einmal mit so einem Brief vorlieb.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Montag, 7. November 2016

Brief 234 vom 7./8./9.11.1941


Mein liebster Ernst!                                                                   Konstanz, 7.11.41                 

Dein lieber Brief vom 3.11. kam heute an, ebenso das Päckchen mit dem Käse und den Filzschuhen. Auf den Käse sind die Kinder schon wild. Die Filzschuhe passen mir ganz genau. Ich danke Dir nochmals recht herzlich dafür. Ich freue mich sehr.
Schlecht seid Ihr ja bei Eurem Besuch am Sonntag nicht bewirtet worden. Die Leute haben Euch ja direkt gemästet. Das hat doch sicher ein paar Tage vorgehalten? Vor allen Dingen bei Pudding und bei dem vielen Kuchen hätten wir gern dabei sein mögen.
Wie ich Dir schon gestern schrieb, habe ich mir den Film „Annelie“ angesehen. Er hat mir sehr gut gefallen.
Ich schicke Dir heute das Programm mit. Ich habe es mit von Leipzig bekommen. Es ist also schon viel gereist.
Die Kinder haben mich abgeholt und ich war froh, daß alles gut geklappt hatte.
Auf dem Heimweg traf ich den Ernst Hagenauer. Er fragte mich nach der Sache mit dem Maier. Ich sagte, daß ich nichts weiter wüßte.
„Der kommt nicht mehr aufs Amt“ meinte er. „In mir hat er einen Feind gefunden, mit dem er nicht fertig wird.“ Ich meinte darauf: „Vielleicht redet er sich doch raus.“ „Nein, nein, aber den einen Fehler hat man gemacht. Man hätte ihn festsetzen und gleich Haussuchung halten müssen, da hätte man verschiedenes feststellen können. Aber es läuft noch eine andere Sache bei der Gestapo. Na, wir werden uns später wieder sprechen“. Ich bin wirklich gespannt, was da noch wird.
Heute war bei uns Flaschensammlung. Ich habe 17 Stück geben können. Da erfüllen sie doch noch einen guten Zweck. Die werden doch für unsere Soldaten im Osten gefüllt.
Ich habe heute mal nachgesehen und habe den Ort gefunden, wo Kurt ist. Wenn Vater rauf kommt, werde ich es ihm zeigen. Er freut sich bestimmt.
Nun wieder Schluß für heute. Sei recht oft und fest geküßt und vielmals gegrüßt von Deiner Annie.
Jetzt habe ich noch etwas vergessen. Nanni hat geschrieben und mir ihr Beileid zum Tode meiner Mutter ausgesprochen. Sie fragt an, warum Du gar nicht schreibst. Sie wartete immer auf einen Brief von Dir. Aber Du hattest ihr doch geschrieben. Sie würde sich freuen, auch von uns wieder etwas zu hören.

Mein liebster Ernst!                                                                   Konstanz, 8.11.41

Einen Brief habe ich heute nicht bekommen, es sei denn, der Briefträger kommt noch. So will ich Dir so berichten von heute. Viel ist es ja nicht.
Ich schrieb Dir ja gestern wegen Weihnachtsgeschenken für die Kinder. Heute ist mir nun selber Verschiedenes eingefallen. Da ich nicht erst in letzter Stunde, wenn es nichts mehr Rechtes gibt, einkaufen will, bin ich heute gegangen. Ich hoffe, daß es Dir recht ist. Ich habe für Helga 1 Strickkleid und ein anderes Kleid gekauft, dazu noch 1 warmen Schlüpfer und Unterrock. Alles etwas reichlich, damit sie es nicht nur dieses Jahr anziehen kann, sondern noch länger. Für Jörg habe ich einen Pullover gekauft. Dazu bekommt er ja noch das Spielzeug von Dir und ich will ihm noch Handschuhe stricken. Seine sind nichts mehr Rechtes. Evtl. nähe ich ihm dazu noch eine Hose. Ich denke, daß das zusammen mit etwas zum Naschen für Weihnachten reichen wird. Wenn ich noch dazu komme, stricke ich für Beide noch je 1 Paar Socken.
Für Helga will ich aus alten Sachen einen Mantel für alle Tage nähen. Den anderen kann sie noch länger tragen, wenn wir später zum Verlängern einen Pelzbesatz dran machen. Der Stoff ist mir einfach noch für alle Tage zu schade. Jörg hat ja 2 Mäntel.
Ich bin sehr froh, daß ich voriges Jahr noch für Beide je 3 Paar lange Strümpfe gekauft habe. Man bekommt jetzt so schlecht welche. So sind doch die Kinder mit allem gut versorgt. Dank Deiner Mühe auch mit Schuhen.
Nachdem Du mir noch Filzschuhe gekauft hast, brauche ich dieses Jahr auch nichts mehr.
Wir haben doch jetzt die 3. Kleiderkarte bekommen. Als ich nun heute mir der 2. Kleiderkarte der Kinder einkaufen gegangen bin da hättest Du mal dabei sein müssen. Bei Jörg war doch überhaupt noch keiner und bei Helga nur ganz wenige Punkte weg. Die Verkäuferinnen haben es gar nicht glauben können, daß es so was gibt. Eigentlich wäre die Karte doch jetzt schon abgelaufen, wenn sie nicht bis Dezember 42 verlängert worden wäre.
Heute Vormittag hat mir Jörg das Stück am Gartenzaun noch umgegraben, wo die Kresse stand. Auch beim Treppeputzen hat er mit geschafft, da er doch am Samstag keine Schule hat. Haben wir nicht schon einen großen Buben?
Ich glaube, bei der Flaschensammlung wird ziemlich viel zusammenkommen. In der Ortsgruppe Süd- Ost sind gestern allein 10 000 Flaschen gesammelt worden. Was wird da im ganzen Reich zusammen kommen?
Laß mich nun für heute schließen. Sei Du, Mein lieber Ernst, wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                              Konstanz, 9.11.41

Einen Sonntagsgruß habe ich heute von Dir erhalten, Deinen lieben Brief vom 4.11. Ich danke Dir sehr dafür. Wenn es sich um die langen Briefe handelte, könntest Du wirklich immer OvD haben, denn Du weißt ja, Deine Briefe sind mir immer lieb. Aber das wäre ja kein guter Wunsch von mir, denn dann hättest Du ja überhaupt keine freie Zeit. Da bin ich lieber auch mir kürzeren Briefen froh. Die Hauptsache ist ja, daß ich immer wieder welche bekomme.
Bis jetzt hat die  Wurmkur bei Helga eigentlich keinen Erfolg gehabt.  Es kann ja aber auch sein, sie hat keine Würmer mehr, denn so nervös, wie sie eine Zeit lang war, ist sie jetzt nicht mehr. 
Vom eisernen Sparen habe ich Dir alle Artikel aus der Zeitung herausgeschnitten und schicke sie Dir heute mit. Was ich monatlich frei bekommen könnte, richtet sich danach, was ich Dir schicken muß. Denn auf unser bisheriges Sparbuch habe ich ja in letzter Zeit nichts tun können, da ich das Geld, was ich außer meinen Ausgaben noch hatte, Dir geschickt habe. Es muß ja auch nicht unbedingt sein, daß wir eisern sparen, ich wollte Dich aber doch gerne fragen, was Du meinst. Es geht doch schließlich uns Beide an.
Wie ist es nun evtl. mit dem Geld von der Zusatzversorgung. Sollte ich es Dir so schicken, wie ich geschrieben habe oder würden wir evtl. davon etwas sparen? Schreibe mir`s bitte genau.
Nun wollte ich noch etwas fragen. Hast Du eigentlich die beiden Päckchen mit Gebäck und das Päckchen mit Inspirol erhalten? Kurt hat mir ja vor einigen Tagen schon den Erhalt des einen Gebäckpäckchens bestätigt, das ich ihm am gleichen Tag geschickt hatte. Es wär nur schade, wenn sie weggekommen wären.
Es ist heute ein ganz sonniger Tag. Etwas kalt ist es ja. Heute Morgen war am Küchenfenster zum ersten Mal ein bißchen Eis. Man könnte ja etwas spazieren gehen, aber ich habe in dieser Woche so viel zu tun gehabt, daß ich mich gern ein wenig ausruhe. Die Kinder mögen auch nicht raus. Jörg spielt den ganzen Tag mit seinen Soldaten. Um seine Kaserne hat er sich einen großen Hof gebaut, auf dem sie exerzieren müssen. Die Kapelle marschiert augenblicklich gerade zum Tor hinaus. Helga stickt an 2 Lätzchen für ihre Puppe zu Weihnachten. Auf dem einen ist ein putziges Entchen, auf dem anderen 2 Schweinchen. Die Vorlagen haben wir aus einem Heft von mir aufgebügelt. Es macht Helga viel Spaß.
Ich sticke noch an meiner Jacke. Morgen werde ich sie wahrscheinlich zusammennähen können. Ich freue mich, wenn sie fertig ist. Ich glaube, daß sie ganz nett aussehen wird.
Übrigens haben wir die Butter von Dir doch gegessen bezw. wie essen noch daran. Ich habe dafür andere ausgelassen. 1 1/2 Käse haben wir auch schon verdrückt. Er schmeckt auch mir gut. Ich esse doch sonst nicht jeden Käse.
So, nun will ich mich noch ein bißchen ausruhen und stricken. Wenn ich nicht so viel mache, ist es ja nicht anstrengend. Sei Du, Mein lieber Ernst, recht herzlich gegrüßt und geküßt und denke immer an Deine Anni und Helga und Jörg.